Standpunkt

Kirche muss mit Freude widerstreitende Geister beheimaten

Veröffentlicht am 27.06.2025 um 00:01 Uhr – Von Volker Resing – Lesedauer: 

Bonn ‐ Geht es um politische Positionen, scheint die oft ersehnte und beschworene Pluralität und Buntheit der Kirche plötzlich vergessen, kommentiert Volker Resing. Vermeintliche Eindeutigkeit sei jedoch ein fataler Irrtum.

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Die Debatte um das Verhältnis von Kirche und Politik, vor allem angeregt durch verschiedene Äußerungen von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, ist bisweilen von einem Missverständnis durchzogen. In gewisser Weise leiden beide Seiten gleichermaßen an einer gewissen Verengung der Begriffe, die doch schon einmal als überwunden galt. 

Denn es gibt "die Kirche" als irgendwie zu begreifende Einheit in politischer Einheitlichkeit gar nicht – und es sollte sie auch nicht geben. Man möge doch als "eine dem Evangelium treue Kirche" durchaus nicht zögern, auch Leute "im Streit" zu verlieren, wie Jesus dies getan habe, meint Politologe Andreas Püttmann. Im Ernst? Das ist katholisch, die reine Kirche der politisch richtig Gesinnten?

Klöckners Kritik richtet sich doch im Kern eigentlich nicht an eine zu weitgehend politisierte Kirche im Allgemeinen (zu der sie selbst wie ihre Kritiker gleichberechtigt ja gehören), sondern eben an Amtsträgern und Bischöfen, die ihre Sendung und ihren Dienst in tagespolitischer Pointierung zu eng führen – und dabei eben oft scheitern. Das Politische ist eben sehr wohl Sache der Kirche, aber eben vor allem Sache der Laien, das muss man im Geiste des Zweiten Vaticanums festhalten. Das Konzilsdokument "Gaudium et Spes" spricht bekanntlich von der "Autonomie der irdischen Wirklichkeiten". 

Die oft ersehnte Pluralität und "Buntheit" der Kirche, die bei anderen Themen und Fragestellungen immer wieder gern beschworen wird, nicht zuletzt sogar unter den biblischen Regenbogen gestellt wird, scheint plötzlich vergessen, wenn es um politische Positionen geht, die dann aber doch in scheinbarer wie vermeintlicher Eindeutigkeit und Alternativlosigkeit ausgemacht werden sollen. Welch fataler Irrtum! Die Kirche muss endlich echte Pluralität lernen und mit Freude (!) widerstreitende Geister beheimaten.

In der Migrationspolitik gibt es mit Recht und Verstand unterschiedliche Auffassungen; man kann auch mit christlichen Argumenten Aufrüstung bejahen oder diese bezweifeln. Selbst im Lebensschutz, in der Sexualmoral, bei der Bioethik, bei dem, was unter den Begriffen Gender und "Queerness" zu Recht diskutiert wird, gibt es notwendigerweise Streit. Gut so! Das ist Demokratie! Das ist Pluralität. Das ist auch Kirche.

Von Volker Resing

Der Autor

Volker Resing leitet das Ressort "Berliner Republik" beim Magazin "Cicero".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.