Über verschiedene Formen der Kommunikation mit Gott

Warum wir Heilige nicht anbeten können

Veröffentlicht am 29.06.2025 um 12:00 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 

Bonn ‐ Kriege, Krankheiten oder Reisen: Für fast alle Situationen gibt es in der katholischen Kirche einen zuständigen Heiligen. Sie dienen den Gläubigen als Fürsprecher bei Gott. Sie direkt anzubeten wäre dagegen ein Götzendienst. Die indirekte Kommunikation mit Gott ist in der Kirche ohnehin verbreitet.

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Wer sich Schutz vor Kriegen oder Gefahren erbitten will, der wendet sich an den Heiligen Michael, für unfallfreie Reisen setzt sich Christophorus ein, Blasius ist zuständig für Krankheiten: Für Nöte in scheinbar nahezu allen Lebenslagen gibt es einen Heiligen. Wichtig dabei: Das Glaubensvorbild wird nicht selbst angebetet, sondern lediglich ersucht, bei Gott Fürsprache für ein Anliegen zu halten. Anbetung ist nur Gott vorbehalten.

"Nach katholischer Vorstellung sind die Heiligen besonders nah bei Gott. Sie können bei ihm also sozusagen ein gutes Wort einlegen", erläutert Thomas Marschler, Professor für Dogmatik an der Universität Augsburg. "Aber natürlich sind sie selbst keine göttlichen Wesen, sondern Menschen wie wir. Heilige, Engel oder auch Maria direkt anzubeten, wäre streng genommen sogar ein Götzendienst".  

Gottesdienstbesucher beim Gebet
Bild: ©KNA/Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Pool (Symbolbild)

Das Bittgebet ist in der katholischen Kirche sehr verbreitet.

Die Einzigartigkeit der Anbetung Gottes gehört schon seit den allerersten Anfängen zum christlichen Glauben. Die Apostelgeschichte berichtet von der Begegnung des Petrus mit dem römischen Hauptmann Kornelius: Wörtlich heißt es dort: "Als nun Petrus ankam, ging ihm Kornelius entgegen und warf sich ihm ehrfürchtig zu Füßen. Petrus aber richtete ihn auf und sagte: Steh auf! Auch ich bin nur ein Mensch" (Apg 10, 25 – 26). "Petrus maßregelt den Centurio regelrecht dafür, dass er sich vor ihm niederwerfen will", verdeutlicht Thomas Marschler.

Der Unterschied zwischen Fürsprache und direktem Gebet zu Gott spielt aber nicht nur bei der Heiligenverehrung oder bei Engeln eine Rolle, sondern in Gebeten ganz generell. Die Bitte ist zentraler Bestandteil im Gottesdienst. "Zu den Fürbitten im engeren Sinne zählen die Fürbitten am Ende des ersten Teils der Messfeier, die Fürbitten im Eucharistischen Hochgebet, die sogenannten Interzessionen, und die Karfreitagsfürbitten", erläutert Helmut Hoping, emeritierter Professor für Dogmatik und Liturgiewissenschaft an der Universität Freiburg. Ebenso sind privat gesprochene Gebete häufig Bitt- oder Fürbittgebete: Menschen bitten um Gesundheit oder das Glück für sich oder Verwandte und Freunde.

Hochzeit zu Kana und Stephanus

Auch in der Bibel gibt es einige prominente Beispiele für Bittgebete, etwa bei der Hochzeit zu Kana im Johannes-Evangelium: Jesus ist mit seiner Mutter und einigen Jüngern zu einer Hochzeitsfeier eingeladen, doch plötzlich geht der Wein aus. Auf Marias Hinweis verwandelt Jesus das Wasser in Wein (Joh 2, 1–11). Das Matthäus- (8,5–13) und das Lukasevangelium (7,1–10) berichten vom Hauptmann von Kafarnaum, der in großer Sorge um seinen schwerkranken Knecht ist. Er bittet Jesus mit den berühmten Worten "Sprich nur ein Wort" um Heilung – und der Knecht wird gesund. In der Apostelgeschichte betet der heilige Stephanus sogar bei Gott für seine Mörder. Als er gesteinigt wird, ruft er: "Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!" (Apg 7,60).

Aber auch im Alten Testament beten etwa Mose, Abraham oder Esther für andere bei Gott: Mose tritt für das Volk Israel ein, das Gott erzürnt, weil es ein goldenes Kalb anbetet: "Mose aber besänftigte den HERRN, seinen Gott, indem er sagte: Wozu, HERR, soll dein Zorn gegen dein Volk entbrennen, das du mit großer Macht und starker Hand aus dem Land Ägypten herausgeführt hast" (Ex 32, 11).

„Gebet wird heutzutage sehr funktionalistisch gedacht, mit der Frage: Was habe ich denn davon?“

—  Zitat: Thomas Marschler

Bei anderen Gattungen wie Lobpreis oder Anbetung geht es dagegen nicht um die Erhörung eines Anliegens, sondern um die gleichsam "zwecklose" Ehrerbietung Gottes. Für das im Alte Testament sind etwa die Psalmen zu nennen. Da heißt es zum Beispiel: "Preise den HERRN, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen!" (Ps 103,1). In der Messfeier dienen vor allem Gloria – "Ehre sei Gott in der Höhe" – und das Sanctus – "Heilig ist der Herr Gott Zebaoth" – dem Lob und der Verherrlichung Gottes. Im Magnificat, das Teil der Vesper ist, preist Maria die Größe des Herrn. Und natürlich gibt es auch privat formulierte Gebete der Ehrerbietung Gottes. "Im direkten Gebet zu Gott können die Gläubigen den Vater oder den Sohn adressieren; das Gebet zum Heiligen Geist ist eher selten", erläutert Helmut Hoping. Bestimmte gottesdienstliche Gesten, wie das Hinknien oder Niederwerfen auf den Boden sind ebenfalls Zeichen der Anbetung Gottes und nicht Teil der Heiligenverehrung.

Maria ist besonders nah an Gott

Ein gewisser Sonderfall ist Maria. Auch sie ist zwar nicht wie der dreieine Gott, ihm nach christlicher Auffassung als Gottesgebärerin aber so nahe wie niemand sonst. Deswegen kommt ihr eine besondere Verehrung zu, die die Verehrung der anderen Heiligen überragt. Man spricht hier von "Hyperdulia", abgeleitet vom griechischen "dulia" für Verehrung. Entsprechend emotional und bisweilen geradezu glühend wird Maria verehrt. Das nahm in der Kirchengeschichte teilweise problematische Züge an. "Für Außenstehende konnte der Eindruck entstehen, als würde mit Maria eine Art göttlicher Königin angesprochen. Doch die Marienverehrung hat zum Ziel, die Gläubigen zu Christus zu führen, der uns erlöst hat", sagt Helmut Hoping. Bestrebungen, Maria dogmatisch zur "Miterlöserin" zu erhöhen, die Anteil an der Erlösungstat Jesu an den Menschen hatte, haben sich nicht durchgesetzt. Was die Erlösung betreffe, so gelte das "sola Christus", so Hoping: Durch Christus allein sind wir gerettet.

Mit Blick auf die Gegenwart plädiert Thomas Marschler dafür, sich neben Fürbitte und Bittgebet wieder stärker auf die zwecklose Ehrerbietung und das Lob Gottes besinnen – wie in Eucharistischen Anbetung praktiziert. "Gebet wird heutzutage sehr funktionalistisch gedacht, mit der Frage: Was habe ich denn davon?", erklärt er. Dabei solle es ursprünglich um etwas anderes gehen: die achtungsvolle, demütige Anerkennung des Schöpfers durch seine Geschöpfe, die Unterordnung des Menschen unter Gott. "Und das ist doch eigentlich die erhabenste Form des Gebets". 

Von Gabriele Höfling