Pfarrer Alexander Bergel über das Sonntagsevangelium

Wach bleiben

Veröffentlicht am 09.08.2025 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Osnabrück ‐ Auf Jesus in der Kirche warten? Für immer mehr Menschen scheint das keine Option mehr; sie treten aus. Und nun? Nach dem Sonntagsevangelium ist Pfarrer Alexander Bergel überzeugt: Jesus klopft schon lange an unsere Türen – nur anders als gedacht!

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Nur nicht einschlafen. Leichter gesagt als getan. Denn wer unendlich müde ist, dem fallen die Augen einfach zu. Und trotzdem: Manchmal muss man einfach durchhalten. Wenn die Kinder krank sind. Wenn man den Stoff für die Prüfung immer noch nicht so richtig draufhat. Wenn der Übernachtungsgast auf sich warten lässt. Wer mit Jesus zu tun hat, der muss auch warten können. Er ist zwar kein Übernachtungsgast, aber einer, dessen Ankunft sich auf unbestimmte Zeit verzögert. Ein ewiger Advent sozusagen. Na ja, und da man die Ewigkeit schlecht Tag für Tag aushalten kann, richtet man sich halt ein. Und denkt: Irgendwann wird er schon kommen. Ich bin ja da!

Interessanterweise werden immer im Sommer (vielleicht, damit man es nicht so mitbekommt) die Kirchenaustrittszahlen veröffentlicht. Hunderttausende Menschen haben im letzten Jahr den Kirchen den Rücken gekehrt. Gründe dafür gibt es viele: innere Entfremdung, Frustration, Enttäuschung, Verletzungen. Ich glaube nicht, dass die Lösung darin besteht, spektakuläre Aktionen zu starten und Minigolf-Anlagen oder Kletterwände in Kirchen zu bauen. Die Wände hoch gehen viele schon von selbst. Nur was ist zu tun? Irgendwas muss man doch machen!

Ja und nein. Wer geht, weil er mit dem Gottesglauben nichts (mehr) anfangen kann, für den ist es nur konsequent. Aber was ist mit denen, die eigentlich gerne in der Gemeinschaft der Getauften bleiben würden, es nur nicht mehr aushalten? Sollen wir denen sagen: Stell dich nicht so an? Wir diskutieren viel über Reformen, denken nach über neue Wege – und manches davon wird ja auch schon spürbar, bekommt Hand und Fuß. Weil Menschen mitmachen. Kreativ bleiben oder es immer mehr werden. Und sich mit Herz und Hand engagieren. Aber bei denen, die müde geworden sind, die sich abkehren und keine Perspektiven mehr sehen, bei denen, die schlimmes Leid im Raum der Kirchen erlebt haben, bleibt das Gefühl: Da wird nur an der Oberfläche gekratzt. Die Frauenfrage wird ein bisschen kosmetisch behandelt, Macht wird ein bisschen anders verteilt. Aber wirkliche Antworten auf meine Fragen – die bekomme ich nicht.

Und nun? Was sollen wir machen? Vielleicht noch genauer hinschauen. Und hinhören. Denn vielleicht klopft Jesus schon sehr lange an unsere Türen – nur anders als gedacht! Vielleicht sind die Klopfgeräusche eher das, was man hört, wenn Leute mit quietschenden Reifen das Weite suchen. Oder die Tür leise hinter sich zu ziehen. Vielleicht klopft Jesus an unsere Tür auch durch das, was sich in unserer Nachbarschaft abspielt, in dem Haus gegenüber, wo wir die leise Ahnung haben, dass da einer dringend Hilfe bräuchte. Vielleicht klopft Jesus überhaupt bevorzugt durch das an unsere Tür, was sich oft genug außerhalb der Kirchen abspielt: im Engagement für Gerechtigkeit oder Klimaschutz beispielsweise oder im Kampf gegen Fremdenhass und Antisemitismus.

Ich glaube, er klopft schon lange. Immer wieder. Und zwar durch die Realität – durch das, was wir Tag für Tag erleben. Wer in die Schriften der Bibel schaut, begegnet immer wieder dieser einen Erfahrung: Gott hat angeklopft. Er hat sich gezeigt. Und er hat gewirkt. Er hat zusammen mit Menschen die Welt verändert. Zusammen mit Menschen, die auf ihn gewartet haben. Die die Zeichen richtig gedeutet haben. Die wach waren. Und bereit für neue Wege: Abraham und Sarah auf dem Weg ins Verheißene Land, Mose und Mirjam auf dem Weg heraus aus der Sklaverei. Wachsam waren sie. Und sie haben erkannt, was zu tun ist, damit die Welt nicht den Bach runtergeht. Wird man das über uns wohl auch mal sagen?

Lesung aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 12,32–48)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben. Verkauft euren Besitz und gebt Almosen! Macht euch Geldbeutel, die nicht alt werden! Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, im Himmel, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst! Denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz.

Eure Hüften sollen gegürtet sein und eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, der von einer Hochzeit zurückkehrt, damit sie ihm sogleich öffnen, wenn er kommt und anklopft! Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! Amen, ich sage euch: Er wird sich gürten, sie am Tisch Platz nehmen lassen und sie der Reihe nach bedienen. Und kommt er erst in der zweiten oder dritten Nachtwache und findet sie wach – selig sind sie.

Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, in welcher Stunde der Dieb kommt, so würde er verhindern, dass man in sein Haus einbricht. Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.

Da sagte Petrus: Herr, sagst du dieses Gleichnis nur zu uns oder auch zu allen? Der Herr antwortete: Wer ist denn der treue und kluge Verwalter, den der Herr über sein Gesinde einsetzen wird, damit er ihnen zur rechten Zeit die Tagesration gibt?

Selig der Knecht, den der Herr damit beschäftigt findet, wenn er kommt! Wahrhaftig, ich sage euch: Er wird ihn über sein ganzes Vermögen einsetzen. Wenn aber der Knecht in seinem Herzen sagt: Mein Herr verspätet sich zu kommen! und anfängt, die Knechte und Mägde zu schlagen, auch zu essen und zu trinken und sich zu berauschen, dann wird der Herr jenes Knechtes an einem Tag kommen, an dem er es nicht erwartet, und zu einer Stunde, die er nicht kennt; und der Herr wird ihn in Stücke hauen und ihm seinen Platz unter den Ungläubigen zuweisen. Der Knecht, der den Willen seines Herrn kennt, sich aber nicht darum kümmert und nicht danach handelt, der wird viele Schläge bekommen. Wer aber, ohne den Willen des Herrn zu kennen, etwas tut, was Schläge verdient, der wird wenig Schläge bekommen.

Wem viel gegeben wurde, von dem wird viel zurückgefordert werden, und wem man viel anvertraut hat, von dem wird man umso mehr verlangen.

Der Autor

Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.

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