In Biberach feiern evangelische und katholische Christen gemeinsam

Eine Kirche, zwei Konfessionen

Veröffentlicht am 26.09.2015 um 00:01 Uhr – Von Oliver Buchholz – Lesedauer: 
Ökumene

Bonn ‐ Simultankirchen sind ein Kuriosum deutscher Geschichte: Weltliche Herrscher verfügten, dass diese Kirchen von verschiedenen Konfessionen genutzt werden. In vielen davon, wie in Biberach, gibt es dadurch eine blühende ökumenische Zusammenarbeit.

  • Teilen:

In der am längsten simultan genutzten Kirche Deutschlands, der Stadtpfarrkirche St. Marien und St. Martin in Biberach an der Riß, ist das anders: Seit mehr als 450 Jahren finden in dem oberschwäbischen Gotteshaus katholische Messen, evangelische Gottesdienste und auch gemeinsame Feiern statt.

Die Kirche wurde Mitte des 14. Jahrhunderts als gotische, dreischiffige Basilika erbaut. Sie wurde bereits damals als eigenständige Kirche im Besitz der Reichsstadt Biberach errichtet. Der Verwaltungsrat der Stadt konnte somit auch über religiöse Angelegenheiten der Kirche bestimmen. Bis heute ist die "Gemeinschaftliche Kirchenpflege Biberach" für die Kirche verantwortlich. Im Zuge der Reformation wurde die Kirche 1531 Opfer eines Bildersturms und die katholische Messe wurde verboten. Erst 17 Jahre später konnte die kleine katholische Gemeinde wieder ihre Gottesdienste feiern. Der Westfälische Frieden von 1648 bestätigte die Gleichstellung der beiden Konfessionen und somit auch die simultane Nutzung von Kirchen.

barockes Deckengemälde
Bild: ©Patrick Poendl/Fotolia.com

Das barocke Deckengemälde der Stadtpfarrkirche St. Martin Biberach wurde gemalt, als die Kirche schon simultan genutzt wurde. Es stellt ausschließlich biblische Szenen dar.

Seitdem wird die Stadtpfarrkirche Biberach von beiden Konfessionen genutzt, wobei der Chor und einige Seitenkapellen bis heute der katholischen Gemeinde vorbehalten sind, andere Seitenkapellen der evangelischen. Bei den Motiven der Deckengemälde, die bei der Barockisierung im 18. Jahrhundert entstanden, wurde darauf geachtet, dass sie mit katholischer und evangelischer Lehre konform sind. Im katholischen Chor hat man darauf wenig Rücksicht genommen: Dort hat man auch eine Tiara ins Bildprogramm aufgenommen.

Ökumenischer Pastoralrat koordiniert

"In unserer Kirche sind beide Konfessionen zu Hause", erzählt der katholische Pfarrer Kaspar Baumgärtner, "obwohl es klar katholische Dinge, wie zum Beispiel den Tabernakel, und auch klar evangelische in der Kirche gibt, fühlen wir uns hier beide sehr wohl!" Auch der Altar wird von beiden genutzt, was auch für Simultankirchen nicht selbstverständlich ist. Auf ihm liegt meistens, evangelischer Tradition gemäß, eine aufgeschlagene Bibel.

Natürlich sind mit einer simultan genutzten Kirche aber Aufgaben verbunden, die viele Kirchen nicht kennen: So müssen oft Absprachen getroffen oder Veranstaltungen und Ressourcen koordiniert werden. Zum Beispiel gibt es pro Konfession je zwei Reinigungskräfte, die jeweils nur die entsprechenden Teile der Kirche reinigen und auch separate Küster, die in eigenen Sakristeien arbeiten. Die Koordination übernimmt ein ökumenischer Pastoralrat, der monatlich tagt. Er plant auch gemeinsame Veranstaltungen, Gottesdienste und Pilgerfahrten.

Linktipp: Das Gitter bleibt

Selten verursacht die Sanierung einer Pfarrkirche so viel Aufmerksamkeit. Rund 30 Menschen, Bausachverständige, Denkmalpfleger, Restauratoren, Geistliche und Journalisten drängen sich in einem kleinen Sitzungsraum des altehrwürdigen Bautzener Domstiftes. In der Mitte sitzen Maria Heinke-Probst und Veit Scapan. Sie sind die Hausherren des simultan genutzten Bautzener Domes.

Die Gottesdienstzeiten sind klar aufgeteilt: Die katholische Gemeinde feiert morgens um 8 Uhr, die evangelische um 9.30 Uhr Gottesdienst. "Eine katholische Messe gibt es auch um 11 Uhr, obwohl das eigentlich in die evangelische Zeit fällt. Aber wir haben uns darüber geeinigt", erklärt Baumgärtner. Bei Hochzeiten, Beerdigungen und Taufen sprächen sich die Büros ab. Man würde gerne noch enger zusammenarbeiten, zum Beispiel durch eine gemeinsame Datenverwaltung. "Das geht aber aus Datenschutzgründen leider nicht", bedauert Baumgärtner.

Kirche steht nie leer

Derzeit wird die Kirche saniert. "Auch dieses Projekt gehen wir natürlich gemeinsam an", verrät der Geistliche. Die Spendenakquise übernimmt ein Verein, in dem sich Gläubige beider Konfessionen engagieren.

Auch wenn die simultane Nutzung damals von der Stadtverwaltung im Zuge der Reformation vorgeschrieben wurde: Heute sind beide Konfessionen froh über die Situation: "Ich wünsche mir keine eigene Kirche mehr. Wie viele andere Kirchen stehen heutzutage leer! Unsere wird immer genutzt. Das tut gut", erklärt Pfarrer Baumgärtner entschieden.

Von Oliver Buchholz