Der Briefträger des Papstes
Was der heute 78-Jährige US-Präsident Barack Obama übergab, hatte politischen Zündstoff: ein Schreiben von Papst Franziskus, das Ortega ausdrücklich nur Obama persönlich in die Hände geben sollte. Einen ähnlichen Brief hatte der Kardinal in der Heimat bereits seinem Staatspräsidenten Raul Castro - ebenfalls persönlich - zukommen lassen.
Der Rest der Geschichte ist bekannt: Im Dezember gaben Obama und Castro in zwei zeitgleichen TV-Ansprachen die Aufnahme von Gesprächen bekannt. Das Eis zwischen den ideologischen Todfeinden war gebrochen. Sowohl Obama als auch Castro bedankten sich ausdrücklich für die Vermittlungstätigkeit des Papstes.
Überraschender Dialogbeginn
Die Episode vom prominenten "Briefträger des Papstes" unterstreicht den Stellenwert, den Ortega inzwischen in dieser historischen Zeit auf der kommunistisch regierten Karibikinsel genießt. Das war lange Zeit anders. Die katholische Kirche galt als Feindin der kubanischen Revolution; sie war vom gesellschaftlichen Leben praktisch ausgeschlossen und als Gesprächspartnerin nicht akzeptiert.
Themenseite Papstreisen
Als Oberhaupt der katholischen Kirche absolviert Papst Franziskus regelmäßig Reisen innerhalb Italiens und in andere Länder. Diese Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zu den Reisen des Heiligen Vaters.Das änderte sich, als sich Raul Castro und Kardinal Ortega 2011 völlig überraschend zum ersten öffentlichen Gespräch überhaupt trafen. Auch damals musste Ortega in die Rolle des Vermittlers schlüpfen. Hilfesuchend hatten sich die Familienangehörigen der seit Jahren inhaftierten kubanischen Dissidenten an Ortega gewandt. Ihm gelang es in schwierigen Verhandlungen, die Freilassung aller im "Schwarzen Frühling" 2003 weggesperrten pazifistischen Regimekritiker zu erreichen.
Allerdings zu einem hohen Preis: Viele von ihnen wurden nach Spanien ausgeflogen. Von dort aus haben sie kaum eine Möglichkeit, sich noch in den politischen Prozess auf der Insel einzuklinken. Schon damals gab es erste Kritik an Ortega: Er habe sich zu sehr auf die Regierungslinie eingelassen, hieß es aus dem Umfeld der zwar geretteten, aber auch frustrierten Dissidenten. Ein erster Vorgeschmack auf das, was noch folgen sollte.
Kluge Antwort auf Dissidenten
Ein Vermittler ist Ortega ist bis heute geblieben. Das macht ihn angreifbar. Denn wer vermittelt, muss zunächst mal versuchen, die unterschiedlichen Standpunkte zu verstehen und sie zu respektieren. Denn in der polarisierten Welt von totalitärer kommunistischer Herrschaft einerseits und Fundamentalopposition auf der anderen Seite ist es kaum möglich, ohne jeweils eine Seite misstrauisch werden zu lassen.
Vor ein paar Wochen eskalierte die Situation, als Ortega in einem Interview in Spanien beiläufig erwähnte, es gebe im Vergleich zur Situation vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. 2012 heute keine politischen Gefangenen mehr auf Kuba. Die Dissidenten reagierten entsetzt - und verwiesen auf neue Verhaftungswellen. Einige Exilkubaner in Miami sprachen Ortega sogar das Recht ab, weiter für die kubanische Kirche zu sprechen.
Die Wellen, die das Interview schlug, zeigten aber auch, welch hohen Stellenwert Ortega inzwischen in den US-kubanischen Beziehungen genießt. Seine Worte werden in Washington ebenso aufmerksam verfolgt wie im Vatikan oder in Havanna. Fast jeder US-Politiker, der in den vergangenen Wochen nach Havanna reiste, ließ sich auch von Ortega eine persönliche Einschätzung der Lage geben.
Auf die Angriffe reagierte der Kardinal klug. Er stellte seine Aussagen in den richtigen Kontext und nahm seine Kritiker in die Verantwortung: indem er sie um eine Liste mit den Namen von politischen Gefangenen bat, damit er sich für sie einsetzen könne. Denn um Maßnahmen ergreifen zu können, brauche er entsprechende Informationen. Inzwischen sind 3.522 Häftlinge begnadigt worden.