Herrgottskinder – Die Elternkolumne

"Papa, warum gibt es hier in jedem Dorf eine Kirche?"

Veröffentlicht am 25.08.2025 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Im Urlaub war Steffen Zimmermann mit seiner Familie in ländlichen Bayern unterwegs. Dort staunten seine Großstadtkinder über die vielen Dorfkirchen und deren unterschiedliche Türme. Es began eine Art Schatzsuche, die nebenbei große Fragen aufwarf.

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

"Papa, warum gibt es hier in jedem Dorf eine Kirche?". Die Frage meiner kleinen Tochter war so unschuldig wie berechtigt. Es war Mitte August, wir waren gerade in Bayern unterwegs, im Sommerurlaub. Am Horizont die Alpen, links und rechts der Straße grüne Wiesen und idyllische Bauernhöfe – und dazwischen in großer Regelmäßigkeit Kirchtürme, die sich weithin sichtbar aus jedem kleinen Dorf erhoben.

In Berlin, wo wir leben, ist das anders. Dort gibt es zwar auch zahlreiche Kirchen, bis auf wenige Ausnahmen dominieren sie aber nicht das Stadtbild. Im Gegenteil: Im großstädtischen Häusermeer übersieht man sie eher. Das konnte uns in Bayern nicht passieren.

Bayerischer Zwiebelturm oder "normaler" Spitzturm?

Bei unseren Ausflugsfahrten dort machten meine Töchter bald einen Wettbewerb daraus, wer als erstes die nächste Kirche entdeckte. Immer wieder warteten sie zudem gespannt darauf, welche Form der Kirchturm haben würde: War es ein typisch bayerischer Zwiebelturm? Oder doch ein "normaler" Spitzturm? Für meine Kinder war das fast wie eine Schatzsuche, nur dass der Schatz nicht versteckt, sondern weithin sichtbar war.

Ich musste dabei schmunzeln. Was für mich als Erwachsener längst Gewohnheit ist – Kirchen als kulturelle Landmarken –, das sehen Kinder mit anderen Augen. Sie fragen nicht zuerst nach der Geschichte, nach Kunst oder Architektur. Sondern schlicht: "Warum?" Warum so viele Kirchen? Warum auch in winzigen Dörfern? Warum so ein "lustiger" Zwiebelturm?

Gott wohnt auch in unserer eher nüchternen Pfarrkirche

Da stand ich nun und versuchte, Antworten zu geben: Dass Glauben hier früher selbstverständlich und tief verwurzelt war. Dass Gemeinden ihr Bestes gegeben haben, um Gott ein würdiges Haus zu bauen. Und gleichzeitig dachte ich: Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, die perfekte historische Erklärung zu liefern. Vielleicht reicht es, dass meine Kinder merken: Hier gibt es Räume, die größer sind als wir selbst. Räume, die zum Staunen einladen.

Zurück in Berlin bleibt die Erinnerung. Wenn wir bald wieder in unsere eher nüchterne Pfarrkirche gehen, wird sie meinen Kindern vielleicht etwas weniger unscheinbar vorkommen. Vielleicht werden sie sogar fragen, warum unsere Kirche nicht so bunt und opulent ist wie viele Kirchen in Bayern. Dann werde ich ihnen sagen: Gott wohnt auch hier. Manchmal zeigt er sich eben prunkvoll mit Gold und Stuck – und manchmal ganz schlicht, zwischen Betonwänden und Großstadtverkehr.

Von Steffen Zimmermann