"Rom ist und bleibt ein Hotspot der Pilgerei"

Trauer und Neuanfang: Eine Zwischenbilanz des Heiligen Jahres 2025

Veröffentlicht am 24.08.2025 um 00:01 Uhr – Von Sabine Kleyboldt (KNA) – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Das gab es erst einmal in der 725-jährigen Geschichte der Heiligen Jahre: Ein Papst starb mittendrin. Würde das Pilgerevent nach Franziskus' Schwäche und Tod zu neuer Dynamik finden – auch durch den Nachfolger Leo XIV.?

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Die Erleichterung der Organisatoren war fast mit Händen zu greifen: Das Weltjugendtreffen in Rom hatte die Million geknackt. Bei der Gebetsnacht und der Messe mit Papst Leo XIV. Anfang August mussten die Jugendlichen aus 150 Ländern auf dem 96-Hektar-Gelände am Stadtrand von Rom eng zusammenrücken. Damit durfte der Vatikan die größte Veranstaltung des Heiligen Jahres als Erfolg verbuchen.

Dabei hatte gerade der Beginn des "Giubileo" keineswegs nur Anlass zum Jubeln gegeben. Zugpferd und Gallionsfigur des Festjahrs, das regulär nur viermal pro Jahrhundert stattfindet, war ein sichtlich durch Alter und Krankheit angeschlagener Papst Franziskus. Als der 88-Jährige am 24. Dezember 2024 die Heilige Pforte in den Petersdom im Rollstuhl passieren musste, kam unweigerlich Skepsis auf.

Schwierig für Organisatoren und Besucher

Zunehmend häufiger ließ der gehbehinderte und schwer lungenkranke Franziskus bei Heilig-Jahr-Veranstaltungen Reden von Mitarbeitern verlesen oder ganz ausfallen. Gleiches galt für die eigens anberaumten Sonderaudienzen. Als Franziskus ab dem 14. Februar wochenlang in der Klinik lag, entstand ein schwieriges Vakuum – für Organisatoren wie für erwartungsfrohe Besucher des Heiligen Jahres.

"Viele waren enttäuscht, weil sie bei ihrer lange geplanten Reise nicht den Papst angetroffen haben", erzählt Michael Max, Rektor der deutschsprachigen Gemeinde Santa Maria dell'Anima nahe der Piazza Navona. "Manche freuten sich vielleicht seit Jahren auf Rom und den Papst, und dann ist er im Krankenhaus." Einige Veranstaltungen, die der Vatikan in der eigens entwickelten Pilger-App mitunter ein Jahr im Voraus beworben hatte, mussten ohne den populären Pontifex auskommen.

Bild: ©KNA/Alessandra Benedetti/Vatican Pool

Papst Franziskus vor der geöffneten Heiligen Pforte des Petersdoms im Vatikan am 24. Dezember 2024, zum Auftakt des "Heiligen Jahres" 2025.

Und dann trat der befürchtete GAU ein: Am Ostermontag starb Franziskus. Wie stark würde die Trauer das Jubeljahr überschatten? Dabei kennen Historiker einen Präzedenzfall: Innozenz XII., geboren 1615 und ab 1691 Papst, starb am 27. September des Heiligen Jahres 1700 in Rom. Über damalige Pilgerzahlen ist indes nichts überliefert. Erzbischof Rino Fisichella, Heilig-Jahr-Beauftragter des Papstes, hatte schon im vergangenen Sommer für dieses Jahr mindestens 30 Millionen Besucher prophezeit. Mancher hielt das für sehr kühn. Doch schon im Juni, das Festjahr war noch nicht einmal zur Hälfte vorbei und das Weltjugendtreffen stand noch bevor, sprach Fisichella von bereits mehr als 15 Millionen Pilgern.

Dazu dürfte in nicht unerheblichem Maß der neue Papst beigetragen haben. Leo XIV., gebürtiger US-Amerikaner mit peruanischem Pass und Wurzeln auf mindestens drei Kontinenten, sorgt seit seiner Wahl am 8. Mai dank spannender Vita und geradezu jugendlichem Auftreten für frische Zugkraft. Sogar von einem regelrechten "Leo-Effekt" spricht Irmgard Jehle, Geschäftsführerin des Bayerischen Pilgerbüros, das für die sieben bayerischen Diözesen sowie weitere Bistümer und Gruppen Romreisen organisiert: "Franziskus war in Deutschland nie so ein Magnet wie Benedikt XVI. oder Johannes Paul II." Daher seien die Buchungen eher schleppend angelaufen.

Nach Leos Wahl habe es anfangs auch Skepsis gegenüber einem US-Amerikaner auf dem Stuhl Petri gegeben. "Aber inzwischen sehen die Menschen, dass er Weltbürger ist und etwas zu sagen hat." Viele Reisegruppen, die keine Papst-Audienz wollten, buchten die jetzt noch schnell hinzu. "Das wird sich auch 2026 fortsetzen", ist Jehle überzeugt.

Leo XIV.
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Die Wahl des neuen Papstes Leo XIV. am 8. Mai düfte dem Heiligen Jahr gutgetan haben.

Auch der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, sieht es positiv: "Seinen besonderen Reiz bekommt das Heilige Jahr natürlich auch mit einem neuen Papst, den viele sehen wollen." Der Zuspruch zu den Leo-Audienzen sei ungebrochen, überhaupt: "Wir nehmen wahr, dass das Heilige Jahr eine erfreuliche Popularität besitzt." Nicht nur, dass die Themen-Website der Bischofskonferenz intensiv geklickt werde – es kommen sogar Dankesbriefe für das besondere Pilgerjahr an. "Manche schreiben auch, dass sie durch Zufall in Rom waren und sich dann auf das Heilige Jahr eingelassen haben." Kopps Fazit: "Wenn es solche gesetzten Zeiten wie die Heiligen Jahre nicht gäbe, müsste man sie erfinden."

Die dafür unerlässliche Organisation habe der Vatikan gut im Griff, lobt Anima-Rektor Max. "Aber manchmal braucht es doch die schnelle unkomplizierte Hilfe in der eigenen Sprache und ein gutes Netzwerk in Rom." Die "Anima" arbeite sehr gut mit dem Pilgerbüro nahe der Engelsbrücke zusammen, das auch Anlaufstelle für die deutschsprachigen Bistümer ist.

Deutsche Diözesen zufrieden

Eine Stichprobe bei deutschen Diözesen ergab: Dort, wo Zahlen vorliegen, ist man durchaus zufrieden mit der Resonanz aufs Heilige Jahr. "Die Bistumswallfahrt ist restlos ausgebucht mit 2.248 Anmeldungen", heißt es aus der Diözese Münster über das Event im Herbst. Weitere gut 800 Pilgerinnen und Pilger reisen selbstorganisiert oder nur zum Abschlussgottesdienst nach Rom.

Das Erzbistum Bamberg berichtet stolz: "Erzbischof Herwig Gössl hat ein Hirtenwort zum Auftakt verfasst, das Jahr in einem feierlichen Ritus eröffnet, den Neujahrsempfang und alle Predigten zu den diözesanen Festen unter dem Aspekt der Hoffnung gestaltet sowie eine Diözesanwallfahrt mit über 200 Teilnehmenden nach Rom begleitet." Außerdem seien weitere Wallfahrten von Radpilgern, Ordensleuten oder Pfarreien organisiert, und die eigens eingerichtete Website verzeichnet monatlich rund 2.000 Aufrufe.

Die Erzdiözese Berlin stellt entsprechend dem Motto des Heiligen Jahres "Pilger der Hoffnung" jeden Monat sogenannte Hoffnungsorte und besondere Initiativen in den verschiedenen Bistumsregionen vor. Ebenso gibt es besonders gestaltete Pilgerstempel, nach Art des Pilgerns auf dem Jakobsweg. Dennoch das eher ernüchternde Fazit: "Nach unserer Wahrnehmung ist das Interesse – abgesehen von den Pilger- und Stempelangeboten, die vielfältig sind – eher gering, jedenfalls was die öffentliche Sichtbarkeit in Kirchen betrifft."

Papst Paul VI. im Portrait
Bild: ©epd/akg-images GmbH

Keine Heiligen Jahre mehr? Das hatte Papst Paul VI. (1963-1978) in Erwägung gezogen.

Also weg mit den Heiligen Jahren? Das hatte sogar Papst Paul VI. (1963-1978) einst ernsthaft erwogen. Er zweifelte daran, dass die Tradition des Ablasses noch zeitgemäß sei. Hier hat Anima-Rektor Max eine besondere Beobachtung gemacht: "Zu uns kommen im Moment viele Leute zum Beichten. Die sagen, das gehört doch zum Ablass dazu, genau wie der Gang durch die Heilige Pforte", berichtet Max. "Das wird ja mitunter belächelt, aber offenbar nehmen Menschen das Heilige Jahr zum Anlass, wieder mal Gewissenserforschung zu treiben."

Paul VI. hatte sich schließlich doch für das "Giubileo" entschieden – ein Glücksfall auch für Kultur und Wirtschaft in Rom, wie sich 2025 wieder zeigt. Nach anfänglichen Klagen wegen ausbleibender Buchungen sind Hotel- und Gaststättenbetriebe zufrieden. Der Tourismussektor in der Ewigen Stadt ernährt über 100.000 Menschen. Das bisherige Rekordjahr 2024 brachte 51,4 Millionen Übernachtungen durch 22,2 Millionen Touristen – und für Rom Einnahmen in Höhe von 13,3 Milliarden Euro. Nach jüngsten Prognosen dürfte zwar die Zahl der Übernachtungen im laufenden Jubiläumsjahr noch getoppt werden. Doch die Einnahmen drohen niedriger auszufallen: Der klassische Heilig-Jahr-Tourist ist darauf bedacht, möglichst günstig zu wohnen.

Denn Rom ist inzwischen ein teures Pflaster: "Es gibt kaum mehr bezahlbare Quartiere, Mittelklassehotels, kirchliche Häuser oder Pilgerherbergen von Orden haben entweder aufgegeben oder die Preise stark angezogen", berichtet Irmgard Jehle vom Bayerischen Pilgerbüro. Auch der Bustransfer in die römische Innenstadt, den die Stadt zum Jubeljahr auf 453 Euro verdreifacht hat, schlägt empfindlich zu Buche. Eine Flugreise nach Rom von fünf bis sechs Tagen ebenso wie eine siebentägige Bustour kostet laut Jehle zwischen 1.200 und 1.500 Euro. "Aber die Reise lohnt sich", ist die Tourismusexpertin überzeugt. Gerade zum Heiligen Jahr habe sich Rom mit viel Geld und Einsatz herausgeputzt, viele Sehenswürdigkeiten restauriert und Verkehrsflüsse etwas geschmeidiger gemacht. Die neue Piazza Pia nahe der Engelsburg etwa, wo Pilger ihren Gang zur Heiligen Pforte starten, sei ein großer Gewinn.

2026 steht weiteres Jubiläum an

Hier werden sich bis zur Schließung der Heiligen Pforte am 6. Januar 2026 noch viele Pilger und Touristen tummeln. Zudem stehen einige der großen Heilig-Jahr-Sonderveranstaltungen noch bevor, betont DBK-Sprecher Kopp. Etwa das "Giubileo" der Synodenteams im Oktober, das seitens der Deutschen Bischofskonferenz vom Mainzer Bischof Peter Kohlgraf angeführt werde.

Und nach dem Heiligen Jahr ist vor dem Festjahr: "2026 begehen wir den 800. Todestag des Heiligen Franziskus", gibt Anima-Rektor Michael Max zu bedenken. "Da werden viele nach Assisi fahren – und einen Abstecher nach Rom machen. Rom ist und bleibt ein Hotspot der Pilgerei."

Von Sabine Kleyboldt (KNA)