Kirchenrechts-Experten: "Dieser Fall ist eine Sondersituation"

Allein im Kloster – Kapuzinerin streitet um ihr Privatvermögen

Veröffentlicht am 02.09.2025 um 00:01 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Appenzell ‐ Drei Jahre dauert der Konflikt einer Schweizer Ordensfrau um ihr Privatvermögen. Vor Kurzem gab es dazu ein Urteil. Doch der Konflikt ist damit nicht beendet. Katholisch.de hat mit Experten für das Kirchenrecht gesprochen – der Fall scheint eindeutig, besonders aufgrund eines Aspekts.

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Sie ist 81 Jahre alt, Ordensfrau, wohnt allein in einem Kloster und verfügt über ein Privatvermögen von rund 56.000 Schweizer Franken, umgerechnet etwa 58.000 Euro. Doch dieses Vermögen darf die Schweizer Kapuzinerin Scolastica Schwizer nicht selbst verwalten. Das Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden bestätigte jüngst ein Urteil des Bezirksgerichts vom vergangenen Herbst und verpflichtete die Nonne, ihre monatliche Altersrente von 1.225 Franken an den Trägerverein Kloster Maria Rosengarten Wonnenstein abzuführen. "Es ist zwar Ihr Vermögen, aber es bleibt so lange zurückgestellt, wie Sie im Kloster leben", erklärte der Richter damals. Auch über die Anlage des Vermögens hat die Ordensfrau keine Entscheidungsbefugnis. "Sie können jedoch jederzeit das Kloster verlassen – dann erhalten Sie Ihr Vermögen zurück." 

Doch ist es tatsächlich eine Option, das Kloster zu verlassen, nur um an das eigene Vermögen zu gelangen? Ordensfrau Franziska Mitterer, Kirchenrechtlerin und Ausbildungsleiterin bei den Heilig-Kreuz-Schwestern in München, verweist auf die sogenannte Communitas. Nach den Bestimmungen des Kirchenrechts muss eine Ordensgemeinschaft mindestens fünf Mitglieder umfassen, um fortbestehen zu können. "Kirchenrechtlich bildet die Ordensfrau allein eigentlich keine Gemeinschaft mehr”, erklärt Mitterer. "Zum Klosterleben gehört die Gemeinschaft. Und die ist hier nicht mehr gegeben – was nicht moralisch zu verstehen ist, sondern schlicht zu den Grundlagen des Ordenslebens gehört", so die Ordensfrau, die 2022 für ihre Dissertation im Kirchen- und Staatskirchenrecht von der Universität Luzern ausgezeichnet wurde. 

Konflikt dauert mehrere Jahre 

Wenn eine Gemeinschaft nicht mehr lebensfähig ist und nur eine Person übrigbleibt, müsse diese prüfen, ob sie sich einer anderen Gemeinschaft anschließen könne. "Das wäre naheliegend – also, dass sie an einen anderen Ort wechselt, aber innerhalb derselben Spiritualität. Es gibt auch in der Schweiz weitere Kapuzinerklarissen." Zudem hätten Ordensgemeinschaften die Verantwortung, rechtzeitig Regelungen zu treffen, wenn sie kleiner und älter werden. "Dieser Fall ist eine Sondersituation und nicht der Regelfall", betont die Kirchenrechtlerin. 

Der Konflikt zwischen Schwester Schwizer und dem Trägerverein des Klosters dauert bereits seit Jahren an. Die Nonne ist die letzte Bewohnerin des Klosters, das sie nicht verlassen will, da sie außerhalb keine gesicherte Lebensperspektive sieht. Um sich versorgen zu können, wollte sie auf ihr Privatvermögen zurückgreifen, das sie 1964 bei ihrem Eintritt in die Gemeinschaft eingebracht hatte. Dieses ging zunächst in die Verwaltung des Klosters über, bis 2014 der Verein die Verantwortung übernahm und damit auch die Vermögensverwaltung der Ordensfrauen. Heute wird der Verein mehrheitlich von Mitgliedern einer Studentenverbindung geführt. Nach ihren Plänen soll aus dem Kloster ein Zentrum für Wohnen, Gewerbe und Spiritualität werden. 

Privatvermögen und Einkommen im Ordensleben 

Wie ist allgemein geregelt, was mit Privatvermögen, Erbschaften oder Schenkungen geschieht, wenn man in eine Ordensgemeinschaft eintritt? Entscheidend ist die Art des Ordens, erklärt Mitterer. "In monastischen Orden werden die Mitglieder vermögensunfähig. Das heißt, ihr gesamtes Vermögen geht in das Ordensvermögen über. In anderen Gemeinschaften bleibt Privatbesitz möglich, allerdings ohne Verfügungsgewalt." Am Beispiel ihrer eigenen Gemeinschaft sagt die Heilig-Kreuz-Schwester: "Alles, was ich bei meinem Eintritt mitgebracht habe, ist nach wie vor mein Privatbesitz. Mein Gelübde der Armut verpflichtet mich jedoch, nicht darüber zu verfügen. Sollte ich die Gemeinschaft verlassen, würde ich es zurückerhalten. Aufstocken darf ich dieses Vermögen aber nicht." 

Ordensfrau und Justizia
Bild: ©Canva - Montage: katholisch.de

"Es ist zwar Ihr Vermögen, aber es bleibt so lange zurückgestellt, wie Sie im Kloster leben", erklärte der Richter Schwester Scholastica Schwizer vergangenen Herbst.

Im konkreten Fall sei zu berücksichtigen, dass Schwester Schwizer einem kontemplativen Orden angehört. Sie konnte daher nichts hinzuverdienen. Grundsätzlich gilt: Was Ordensangehörige durch Arbeit erwirtschaften, geht an die Gemeinschaft – aus diesem gemeinsamen Topf werden alle Bedürfnisse gedeckt. Diese Praxis bestätigt auch der Franziskaner und Kirchenrechtler Rafael Rieger von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. 

"Der Vatikan kann da auch nichts machen" 

Schwierig wird es, wenn kirchenrechtliche und zivilrechtliche Regelungen ineinandergreifen: "Der Vatikan kann da auch nichts machen", so Rieger. Bereits 2022 hatte die Nonne in Rom Beschwerde eingelegt. Das zuständige vatikanische Dikasterium für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens und der damalige Sankt Gallener Bischof Markus Büchel forderten sie lediglich auf, sich einer neuen Gemeinschaft anzuschließen. Schwester Schwizer entschied sich jedoch dagegen und lebt weiterhin allein im Kloster.  

Für ihren Anwalt ist es besonders heikel, dass ein Frauenkloster von einem mehrheitlich männlich besetzten Trägerverein verwaltet wird. "Die Schwester muss dulden, dass ihr Vermögen von fremden Männern verwaltet wird, die Ziele verfolgen, mit denen sie sich nicht identifizieren kann", sagte er gegenüber Schweizer Medien. Laut Recherchen gehören dem Verein jedoch nicht nur Vertreter der Studentenverbindung AV Bodania an, sondern auch Schwestern der Föderation St. Klara der Schweizer Kapuzinerinnen. Diese verwalten aktuell das Vermögen der 81-jährigen Ordensfrau. 

Fall bleibt offen

Rieger und Mitterer warnen aber davor, den Fall allein unter dem Geschlechter-Aspekt zu betrachten. Das Problem liege nicht in einer Bevormundung durch Männer, sondern in der komplexen Schnittstelle zwischen kirchlichem Recht und staatlichem Zivilrecht, so ihre Einschätzung. "Solange eine Gemeinschaft aktiv ist und besteht, verwalten die Ordensangehörigen selbst ihr Vermögen. Da gibt es bei Frauengemeinschaften keine Männer und keine Studentenverbindungen oder ähnliches, die für die Verwaltung zuständig sind." 

Der Trägerverein hingegen begrüßte die Entscheidung des Gerichts. Man sei überzeugt, dass der Konflikt nicht juristisch gelöst werden könne, und biete Schwester Schwizer weiterhin ein persönliches Gespräch an. Wie der Fall ausgeht, bleibt vorerst offen – die 81-Jährige zumindest zeigte sich "enttäuscht" wegen des Urteils. Ihr Anwalt will eine Beschwerde beim Bundesgericht prüfen.  

Von Mario Trifunovic