Standpunkt

Zehn Jahre "Wir schaffen das": Zeit, einfach mal "Danke" zu sagen

Veröffentlicht am 03.09.2025 um 00:01 Uhr – Von Matthias Drobinski – Lesedauer: 

Bonn ‐ Zehn Jahre nach dem "Flüchtlingssommer": Was ist von Angela Merkels "Wir schaffen das" geblieben? Matthias Drobinski zieht Bilanz zwischen Integrationserfolgen, Rückschlägen und vergessenem Engagement, das ihn an den barmherzigen Samariter erinnert.

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Ist er wirklich erst zehn Jahre her, der Spätsommer 2015? Als am Münchner Hauptbahnhof die Regionalzüge voller Menschen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak ankamen und die Einheimischen am Gleis standen, mit Essen und warmer Kleidung? Als die "Bild"-Zeitung mit ihrer Aktion "Wir helfen" das Zentralorgan der Willkommenskultur war und Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren berühmten Satz "Wir schaffen das" sprach? Unendlich fern scheinen jene Wochen, als Städte und Gemeinden, die Kirchen und die Zivilgesellschaft zeigten, was sie leisten können, wenn ein gemeinsamer Geist sie trägt. Gekommen ist der Winter des "Bleibt uns vom Halse"-Denkens. Sein Wind weht kalt und kälter.

Es wäre besser gewesen, Angela Merkel hätte damals ihren Satz ergänzt: Wir schaffen das – aber es wird ein mühsamer Weg, lang, steinig und dornig. Denn die Versorgung und Integration so vieler Geflüchteter ist nun mal kein fortgesetztes Willkommensfest. Es kommen ja nicht nur die Gebildeten und Ausgebildeten, es kommen Analphabeten, Traumatisierte, religiöse Fundamentalisten, die Glückssucher und auch die Kriminellen.

Nach zehn Jahren lässt sich sagen: Wir haben es – einigermaßen – geschafft. Die Mehrzahl der damals Gekommenen arbeitet heute und hat sich leidlich integriert. Das wird oft vergessen, wenn wieder mal eine grausame Tat eines Geflüchteten durch die Medien geht. Vergessen werden leider auch die Menschen, die damals wie heute den Migranten und Geflüchteten Deutsch beibringen, sie begleiten zu Ämtern und Behörden, die mit ihnen auf Wohnungssuche gehen – und auch kochen, essen, lachen, bei allem Frust, den es gibt. Vor zehn Jahren waren sie Teil einer großen Sache, heute gilt ihr Engagement als schrulliges Privatvergnügen. Dabei sind sie die kleinen Prophetinnen und Propheten der Menschlichkeit, wird in ihnen der barmherzige Samariter des Lukasevangeliums lebendig, der sich ein Herz fasste und mit Verstand und Klugheit tat, was zu tun war.

Man sollte ihnen nach zehn Jahren einfach mal sagen: Danke.

Von Matthias Drobinski

Der Autor

Matthias Drobinski ist Chefredakteur der Zeitschrift "Publik-Forum".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.