Israel erklärt Jerusalemer Moscheewächter für illegal

Unheiliger Streit um den Tempelberg

Veröffentlicht am 25.09.2015 um 13:30 Uhr – Von Maher Abukhater und Sara Lemel (dpa) – Lesedauer: 
Heiliges Land

Jerusalem ‐ Hüter des Tempelbergs oder gefährliche Provokateure? Israel hat die palästinensischen "Murabitat" und "Murabitun" für illegal erklärt. Die Frauen und Männer wollen weiter über ihre Moscheen wachen - und vertreiben die Israelis.

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"Dies ist unser Heiligtum und wir haben das Recht, hier zu beten, wann immer wir wollen", sagt die 62-Jährige Kopftuchträgerin fast trotzig. "Nichts kann uns aufhalten." Ihre echten Namen wollen die Frauen nicht nennen - aus Furcht vor Sanktionen. Denn Israel hat die Murabitat und ihr männliches Gegenstück - die Murabitun - vor zwei Wochen zu illegalen Organisationen erklärt. Umm Bader wirft israelischen Polizisten vor, sie hätten sie mehrmals geschlagen, als sie trotzdem versuchte, auf die streng bewachte Anlage in Jerusalems Altstadt zu gelangen.

Der Staat Israel gewähre allen Besuchern Religionsfreiheit, betont Verteidigungsminister Mosche Jaalon. "Wir werden es gewalttätigen Provokateuren jedoch nicht erlauben, die Sicherheit von Gläubigen an einem so sensiblen und heiligen Ort wie dem Tempelberg zu gefährden."

Schauplatz gewaltsamer Konfrontationen

Der Tempelberg gleicht einem Pulverfass. Schon ein kleiner Funke kann hier einen politischen Großbrand auslösen. Zuletzt wurde die Stätte, die Muslimen und Juden heilig ist, wieder Schauplatz gewaltsamer Konfrontationen. Auf dem Plateau stehen der weithin sichtbare Felsendom mit der prächtigen goldenen Kuppel und die Al-Aksa-Moschee, zwei zentrale Heiligtümer der Muslime. Die Klagemauer am Fuß der Anhöhe ist ein Überrest des zweiten jüdischen Tempels und heute wichtigster Gebetsort der Juden. Verwaltet wird die weitläufige Anlage von Jordanien und der islamischen Wakf-Organisation.

Die Palästinenser fürchten jedoch, Israel wolle mehr Einfluss gewinnen auf dem Tempelberg, auf dem prinzipiell nur Muslime beten dürfen. Um jüdische Besucher am Beten zu hindern, kommen die "Murabitat" schon früh am Morgen auf den Tempelberg und bleiben zumeist bis zum Nachmittag. Wenn sie Besucher für jüdische Extremisten halten, rufen sie laut "Allahu Akbar" (Gott ist groß) oder laufen ihnen nach. Auf beiden Seiten ist immer wieder unverhohlene Aggression zu beobachten.

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Video: © katholisch.de

Pater Nikodemus Schnabel aus der Dormitio-Abtei über das faszinierende und gefährliche Leben in Jerusalem.

"Wenn Israelis die Moschee nur besichtigen wollen, wie andere Touristen, hat niemand ein Problem damit", sagt der palästinensische Journalismus-Student Safwan Amr, mit 21 einer der jüngsten der männlichen "Murabitun". Radikale Israelis forderten jedoch die Zerstörung der Moscheen und den Bau eines neuen jüdischen Tempels auf dem Areal. In dem Fall sei eine Explosion der Gewalt zu befürchten, warnt Amr.

Bei Protesten gegen jüdische Besuche des Tempelbergs ist es in der Altstadt und den Palästinensergebieten zuletzt wieder zu heftiger Gewalt gekommen - vor allem junge Palästinenser werfen mit Steinen und Brandflaschen. Israels Regierung hat die Polizei deshalb zu einem härteren Vorgehen angewiesen - Scharfschützen sollen sogar vermehrt auf die Randalierer schießen dürfen.

Neue Gewalt weckt Sorge vor einer Eskalation

Die Hälfte der Palästinenser glaubt laut einer Umfrage des Palästinensischen Zentrums für Politik und Meinungsforschung und der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah, Israel wolle die muslimischen Stätten auf dem Tempelberg zerstören und einen jüdischen Tempel an ihrer Stelle errichten. 57 Prozent der Befragten waren für einen neuen bewaffneten Aufstand. 

Die neue Gewalt hat weltweit Sorge vor einer weiteren Eskalation im Nahost-Konflikt geweckt. Israel beteuert zwar, es habe nicht die Absicht, den Status quo auf dem umstrittenen Heiligtum zu verändern. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas beschreibt die Situation jedoch als brandgefährlich und warnt vor Chaos sowie "dem Ausbruch eines neuen Palästinenseraufstands, den wir nicht wollen".

Von Maher Abukhater und Sara Lemel (dpa)