Theologen sehen Gedenken an Charlie Kirk als Weckruf für Europa
Nach Einschätzung von Theologen begünstige der Tod von Charlie Kirk den christlichen Nationalismus in den USA, ähnlich einer religiösen Erweckung. Der Eichstätter Dogmatiker Benjamin Dahlke sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag, die Gedenkfeier am Sonntag sei eine politische Kundgebung gewesen: "Es ging nicht nur darum, die Lebensleistung von Charlie Kirk zu würdigen, sondern Trumps Bewegung 'Make America Great Again' zu stärken."
Charlie Kirks gewaltsamer Tod wurde bei der Gedenkfeier nicht nur als Mord, sondern als Opfer bezeichnet. "Damit kommt zur juristischen Dimension eine theologische hinzu. Ein Opfer ist ja etwas, das anderen Gutes bringen soll. Das erklärt, warum Kirk oft in die Nähe zu Jesus Christus oder zumindest den christlichen Märtyrern gerückt wird", erklärte Dahlke. Trump habe Kirk einen Christen und Patrioten genannt, dem es um Gott und sein Vaterland gegangen sei. Weiter sagte der Theologe: "Nach Auffassung des Präsidenten war der konservative Aktivist ein Verkünder amerikanischer Freiheit, ja ein Märtyrer für sie."
Der US-Theologe Massimo Faggioli sagte der KNA, der Wunsch eines "Bring God back to America" und die "Instrumentalisierung der Religion durch Menschen, die sich nicht für Gott interessieren (wie Trump)" seien in Amerika inzwischen untrennbar miteinander verbunden. Dabei würden konfessionelle und dogmatische Unterschiede ausgelöscht. "Die einzigen Unterschiede, die zählen, sind die der politischen Ideologie und des nationalen oder nationalistischen Credos." Für Faggioli "eine seltsame Art, das Christentum am Jahrestag des Credos von Nizäa im Jahr 325 zu feiern".
US-Katholizismus drohe "verschluckt" zu werden
Nach Dahlke zeigt sich dieser christlichen Nationalismus, indem religiöse Begriffe und Symbole dafür verwendet werden, um ein politisches Programm durchzusetzen: Die Vereinigten Staaten müssten sich dem Christentum zuwenden, um stark sein zu können. Konkret heiße das, Familie und Heimat hochzuhalten. "Religion und Politik werden ununterscheidbar vermengt", bilanziert der Theologe.
Für die Kirchen ist das laut Dahlke höchst ambivalent: "Wenn sie mitmachen, können sie aktuell etwas Einfluss auf den Kurs des Landes gewinnen. Sie laufen aber Gefahr, einen Teil ihrer Mitglieder zu irritieren und sogar die Säkularisierung weiter voranzutreiben." Faggioli präzisiert, der US-Katholizismus werde in dieser Gemengelage "verschluckt". Einige Bischöfe trügen dazu bei, dass es unmöglich werde, zwischen Katholizismus und nationalistischem "Christentum" zu unterscheiden. "Unter den US-Bischöfen ist ein stiller Kampf im Gange; wir werden sehen, was im November mit der Wahl des neuen Vorsitzenden der US-Bischofskonferenz geschieht", erklärte Faggioli.
Faggioli bezeichnete die Gedenkfeier als "eine Art religiöses Examen für die herrschenden Klassen in Europa" Sie zeige, dass es sich nicht um eine für Europäer harmlose Entwicklung halte. "Dies sollte ein Weckruf für die Europäer sein – für Politiker, Kirchenführer und Akademiker". Der Trumpismus sei eine Form des politischen Messianismus, dessen Bedeutung im säkularisierten Europa und für den globalen Katholizismus nur schwer zu begreifen sei. (KNA)
