Kirche ist immer missionarisch – auch heute

"Geht zu allen Völkern": Was das Evangelium zur Mission sagt

Veröffentlicht am 04.10.2025 um 12:07 Uhr – Von Josef Bordat – Lesedauer: 

Bonn ‐ Im Oktober begeht die katholische Kirche traditionell den Monat der Weltmission. Dabei ist in der Kirche eigentlich immer Missionsmonat. Auch in den Evangelien wird man an zahlreichen Stellen mit dem Missionsbegriff konfrontiert – und erfährt konkrete Regeln.

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Oktober – Missionsmonat. Das Hilfswerk missio steht mit seinen vielfältigen Projekten im Mittelpunkt. Doch eigentlich ist in der Katholischen Kirche immer Missionsmonat, das ganze Jahr hindurch. Denn die Kirche ist ihrem Selbstverständnis nach missionarisch. Sie ist eine apostolische Kirche, die zurückgeht auf den engsten Kreis der Jünger Jesu, die von Jesus selbst den Auftrag zur Mission erhielten und auch hinsichtlich der Regeln und Bedingungen von Mission angewiesen wurden. Wer sich mit den Evangelien auseinandersetzt und dabei besonders auf die Perikopen der drei Lesejahre schaut, wird an vielen Stellen mit dem Missionsbegriff konfrontiert.

1. Missionsauftrag

Da ist zunächst einmal der Auftrag zur Mission. Jesus beauftragt die Jünger, Jesus beauftragt uns. Bekannt ist die von Matthäus tradierte Stelle, in der beschrieben wird, wie Jesus nach seiner Auferstehung den elf Jüngern – Judas Iskariot hatte sich erhängt – auf einem Berg in Galiläa erscheint und sie mit der Mission beauftragt: "Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe" (Mt 28,19-20).

Der Aufruf zur großen Völkermission enthält zweimal "lehren" und einmal "taufen“, denn μαθητεύσατε (Mt 28,19), hier übersetzt mit "macht zu Jüngern", kann auch einfach "lehrt" bedeuten, so wie dann διδάσκοντες (Mt 28,20) auch. Die Taufe geschieht "auf den Namen" (εἰς τὸ ὄνομα, Mt 28,19) des dreifaltigen Gottes. Dabei wird mit ὄνομα (Name) derjenige bezeichnet, nach dessen Befehl die Taufe geschieht, auf den beide in der Taufe sehen, der Täufer und der Täufling.

Diesen Großauftrag konnten die Jünger damals und kann die Kirche heute nur dann ausführen, wenn sie sich der bleibenden Gegenwart Gottes durch Jesus Christus und durch den Heiligen Geist bewusst sind, eine Gegenwart, die der Herr allen Christen – den ersten und auch uns heute – anschließend und zugleich abschließend zuspricht: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20), also: bis zur συντέλεια ("Vollendung", Mt 28,20). Dieses ermutigende Wort steht über dem Eingangsportal des Berliner Doms.

Ein Taufbecken in einer Kirche, im Hintergrund die Gemeinde
Bild: ©adobestock/MØREfoto (Symbolbild)

Der Aufruf zur großen Völkermission enthält bereits das Wort "taufen".

2. Missionsregeln

Der Mensch ist ein ens sociale, ein Gemeinschaftswesen. Daher schickt Jesus seine Jünger zu zweit aus in die Mission, nicht allein (vgl. Mk 6,7-13). Für diese Mission gibt es Regeln: Bedürfnislosigkeit, zum Ausdruck gebracht durch materiellen Minimalismus (vgl. Mk 6,8 und Mk 6,9; hier fällt das "Darunterbinden von Sandalen" – ὑποδεδεμένους σανδάλια, Mk 6,9, besonders auf: nur "Jesuslatschen" sind erlaubt) sowie das Akzeptieren der örtlichen Gegebenheiten (vgl. Mk 6,10).

Der Missionar muss soweit von seiner Mission überzeugt sein, dass er keine materielle Rückversicherung aufrecht erhält, für den Fall, dass seine Mission scheitert – "kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd" (Mk 6,8). Unter diesen Bedingungen gehen die Zwölf in sechs Zweiergruppe los (Mk 6,12) – und haben beträchtlichen Erfolg (vgl. Mk 6,13), unter anderem beim "Herauswerfen" (ἐξέβαλλον, Mk 6,13) von Dämonen.

Der Missionar lässt sich ganz auf die Mission ein und bildet mit dem Missionierten eine Schicksalsgemeinschaft, die schon den wesentlichen Inhalt des zu Missionierenden, das Evangelium Jesu Christi nämlich, im Prozess der Mission antizipiert: die Liebe untereinander und die Offenheit dem Fremden gegenüber. Die Art, wie die Missionare empfangen werden, gibt umgekehrt bereits Aufschluss über die Missionschancen: Menschen, die gar nicht erst "hören wollen" (Mk 6,11), lassen sich auch nicht von der besten aller Botschaften überzeugen.

"Missionierung hat einen negativen Beigeschmack"

Bei vielen Menschen verursacht das Wort "Mission" noch immer Unwohlsein. Katholisch.de hat mit dem Jesuiten Markus Luber über den historischen Begriff und das Missionsverständnis der Kirche gesprochen.

3. Missionsbedingung

Dann ist da die unhintergehbare Bedingung der Mission. Der anspruchsvolle Missionsauftrag Jesu ist klar und eindeutig. Er ist im Imperativ formuliert. Man könnte geneigt sein, darin eine kompromisslose Härte hineinzulesen. Dass die Mission jedoch nicht mit Zwang einhergehen darf, macht Christus in Mk 6,11 und auch an anderer Stelle deutlich, in seiner "Anweisung für die Mission" (vgl. Mt 10,5-15), die den Auftrag an eine doppelte Bedingung knüpft: die Friedlichkeit der Glaubensweitergabe (vgl. Mt 10,12-13) und die Freiwilligkeit der Glaubensannahme (vgl. Mt 10,14). Jesus fordert eine Mission in Liebe und durch Überzeugung, die ihre Abbruchbedingung im freien Willen des zu Missionierenden findet, denn: Mission geschieht in Liebe und Freiheit ist ein wesentlicher Ausdruck von Liebe. Also: Jesus fordert zwar Mission, doch eine Mission, die ihre Grenze in der Toleranz gegenüber den Andersgläubigen findet.

Die Annahme des christlichen Glaubens kann somit nur freiwillig erfolgen, erzwungen werden kann allenfalls die formale Mitgliedschaft in der Glaubensgemeinschaft, also: in der Kirche, durch eine "Zwangstaufe". Da diese wertlos ist, soweit und solange die innere Haltung zum Glauben fehlt, hat die Kirche ihre Vornahme verboten. Die Argumente dafür waren biblischer, theologischer und naturrechtlicher Provenienz. Es galt der Grundsatz "Ad fidem nullus est cogendus", der auch in das um 1130 zusammengestellte Decretum Gratiani Eingang fand (II, 23, 5, 33) – "Zum Glauben ist niemand zu zwingen".

Die Bronzestatue zeigt einen Mann mit Vollbart, die Kaiserkrone auf dem Kopf, Zepter in der rechten, den Reichsapfel in der linken Hand. Im Hintergrund weht die EU-Fahne.
Bild: ©KNA

Als Karl der Große die Sachsen unterwarf, erließ er Vorschriften zur Todesstrafe für alle, die sich nicht taufen lassen wollten. Sein Hoftheologe widersprach ihm.

4. Missionsgeschichte

Dennoch kamen Zwangstaufen vor. Fälschlicherweise werden sie heute der Kirche zur Last gelegt, obwohl sie keine religiöse, sondern eine politische Funktion hatten und nur dort aufgetreten sind, wo die Kirche als Teil der politischen Macht wirkte. Als das noch nicht der Fall war – in den ersten drei Jahrhunderten der Kirchengeschichte – gab es keine Zwangstaufen und keine Schwertmission. Die Menschen entschieden sich freiwillig und oft unter Einsatz ihres Lebens für die Nachfolge Christi. Im Kern ihrer Begründung ist die Kirche dementsprechend nicht durch Gewalt vorbelastet.

Nach der Konstantinischen Wende, als das Christentum Staatsreligion des sich auflösenden Römischen Reiches wurde, wandte es in dieser Funktion Zwangsmittel an, um Heiden zu christianisieren. Das heißt: In dem Maße, indem die Kirche eine staatstragende Rolle übernahm (und Kirchenvertreter als weltliche Herrscher fungierten), wurden Zwangstaufen als Mittel der Politik durchgeführt.

Grundsätzlich wurden Formen intoleranter Mission, die von weltlichen Herrschern angeordnet wurden, von Vertretern der Kirche kritisch gesehen. Zwei bedeutende Beispiele dafür sind die Zwangstaufen, die Karl der Große unter den Sachsen vollziehen ließ (9. Jahrhundert), und die Mission in Lateinamerika im Auftrag der spanischen Krone (16. Jahrhundert). In beiden Fällen waren es weltliche Herrscher, die Mission als Mittel der Machtpolitik einsetzten. Die Kritik an diesem Ansinnen kam aus Kirchenkreisen, von Hofpredigern und Ordensleuten, die mit biblischen, theologischen und rechtlichen Argumenten opponierten.

Als Karl der Große um 800 die Sachsen unterworfen hatte, erließ er in der Capitulatio de partibus Saxoniae Vorschriften zur Todesstrafe für alle, die sich nicht taufen lassen wollten. Der theologischen Rechtmäßigkeit der Alternative "Taufe oder Tod" hat sein Hoftheologe Alkuin entschieden widersprochen. Als die "Reyes Católicos" mit päpstlichem Mandat Amerika eroberten und die autochthone Bevölkerung von den Conquistadores im Rahmen einer gewaltsamen Kolonialisation "nebenbei" christianisiert wurde – Mission war die Bedingung, die der Papst für die Übertragung der Gebiete an Spanien gestellt hatte (in der Bulle Inter cetera von 1493) –, führte dies bei einigen Missionaren zu Widerspruch, für den vor allem der Dominikaner Bartolomé de Las Casas steht.

Bild: ©picture alliance/dpa/Osservatore Romano/Handout (Archivbild)

Im Reich Gottes sind alle willkommen. Der verstorbene Papst Franziskus brachte das auf den Punkt: "Todos, todos, todos."

5. Mission heute

Der Missionsauftrag gilt auch uns Christinnen und Christen heute. Wir brauchen dabei gar nicht weit zu reisen, hin zu den ἔθνη ("Völkern", Mt 28,19). Der Nachbar, die Arbeitskollegin, der Mitschüler, die Kommilitonin – wer zu ihnen nicht verschämt sagt, man habe "Sonntag Vormittag schon was vor", sondern freimütig bekennt, dass man dann zum Gottesdienst geht, der hat zwar noch keine Jüngerin und keinen Jünger Jesu "gemacht", aber einen ersten Schritt getan.

Mission beginnt hier und jetzt. Sie ist nicht immer einfach, aber immer sinnvoll. Und wenn uns die Mission viel Kraft kostet, weil der Gegenwind zu stark weht, dürfen wir uns an die Zusicherung Jesu erinnern, mit der das Matthäusevangelium schließt: "Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20).

Man könnte es schließlich noch weiter zuspitzen. Die Gefahr, mit unserer Rede von Gott und vom Glauben bei den Menschen anzuecken, sollte uns nicht hemmen, sondern ganz im Gegenteil: Die Situation der Verfolgung – von der bei uns in Deutschland trotz Häme, Spott und Naserümpfen nicht die Rede sein kann – stellt eine besondere Chance zur Mission dar, zur Mission in Wort und Tat.

Jesus weist auf diese besondere Gelegenheit hin. In Synagoge und Gerichtssaal sollen die Anhängerinnen und Anhänger Zeugnis (μαρτύριον, Lk 21,13) für ihren Glauben ablegen. Gerade in der Gefahr der Verfolgungssituation gilt der Missionsauftrag, mehr noch: dort ist seine Ausführung mit besonderem Erfolg gesegnet, ein Gedanke, den Tertullian später in das Wort fasste "Sanguis martyrum semen est christianorum" ("Das Blut der Märtyrer ist der Christen Same", Apologeticum, 50, 13).

Zynischer Zweckoptimismus? Zwingende Kausalität? Weder noch. Der Zusammenhang ist komplexer als es das berühmte Diktum bei oberflächlicher Betrachtung zu verstehen gibt. Es gibt keine direkte Kausalität zwischen Verfolgung und Verbreitung, aber es gibt Bedingungen, die beides gleichzeitig beförderten und immer noch befördern. Die wichtigste ist das Christentum selbst, als entgrenzende Religion mit einem neuen Gottesbild und einem neuen Verständnis vom Reich Gottes, in dem alle willkommen sind – Frauen und Männer, Juden und Heiden, Sklaven und Freie, Reiche und Arme. Und das galt damals wie heute. Der im April verstorbene Papst Franziskus hat es auf den Punkt gebracht: "Todos, todos, todos" – alle!

Von Josef Bordat

Zum Autor

Der Autor beschäftigt sich in seinem neuen Buch "Das ABC der Guten Nachricht. Anmerkungen zu den Sonntagsevangelien" mit den Perikopen der drei Lesejahre.