Evangelisierung und Verkündigung beginnen im Alltag
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Evangelisieren ist die neue Mission. Mission sagt man nicht mehr so gerne. Evangelisation ist zwar semantisch direktiv bis übergreifend, weil es eine mechanische Komponente der Machbarkeit beinhaltet und damit ähnlich wirkt wie "Missionieren". Demgegenüber bedeutet "Mission" an sich erst einmal nur "Sendung" und ist näher an dem ureigenen Auftrag Jesu: "Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung!" (Mk 16,15) Der aber scheint schon um die ambivalente Reaktion auf die Verkündigung zu wissen, wenn er fortfährt: "Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden." (Mk 16,16) Es ist also sicher nicht egal, wie die Menschen auf die Verkündigung reagieren, aber es ist eben die Konsequenz, die sich aus einer freien Entscheidung ergibt.
In einem Beitrag für eine dem Frankfurter Religionsphilosophen Thomas Schmidt gewidmeten Festschrift kritisiert der Philosoph Jürgen Habermas die Art der kirchlichen Verkündigung der Gegenwart. Statt sich zunehmend von Jenseitsorientierung und göttlichen Erlösungsversprechen zu verabschieden, plädiert er für ein stärkeres Eintreten für den transzendenten Charakter des Christentums: "Die christliche Hoffnung richtet sich unter anderem auf die Auferstehung von den Toten und eine Erlösung von allen Übeln dieser Welt und ist ihrerseits abhängig vom Glauben an die Verheißung Gottes. Dieser Akt des Glaubens an das Eintreten des Verheißenen prägt auch den Modus des täglichen Lebens."
Letzteres ist der entscheidende Aspekt, der die Betonung des Jenseits und der Erlösungshoffnung gerade nicht zum Anästhetikum des Glaubens werden lässt. Echte Verkündigung beginnt – wie schon Paul VI. in der Enzyklika "Evangelii nuntiandi" (1975) lehrte – mit einem tatkräftigen Zeugnis ohne Worte, dem auf Nachfragen eine ausdrückliche Verkündigung folgt. Das würde auch den ewigen Stuhlkreis kirchlicher Selbstfindungsprozesse durchbrechen, wenn man einfach im Alltag in Tat und Wort das Evangelium verkündete. Es könnte tatsächlich passieren, dass der Sauerteig wieder wirkt. Hier und da soll so etwas tatsächlich jetzt schon geschehen. Ite missa est – geht, ihr seid gesendet!
Der Autor
Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.
