Klaus Mertes über rhetorische Kraftmeierei

Hört auf die Stimme der Vernunft!

Veröffentlicht am 09.10.2015 um 00:01 Uhr – Von Pater Klaus Mertes SJ – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Pater Klaus Mertes über rhetorische Kraftmeierei

  • Teilen:

HTML-Elemente (z.B. Videos) sind ausgeblendet. Zum Einblenden der Elemente aktivieren Sie hier die entsprechenden Cookies.

Flüchtlingskrise und Familiensynode beschäftigen die katholische Öffentlichkeit aus nachvollziehbaren Gründen stark. In solchen Zeiten werden manchmal Nachrichten verschluckt, die eigentlich größere Aufmerksamkeit verdient hätten. Kürzlich deckte ein ZDF-Magazin bei der Durchsicht von US-Haushaltsposten Pläne zur Stationierung neuer US-Atomwaffen in Büchel in der Eifel auf. Konkret geht es um die Stationierung von 20 nuklearen Bomben. Die russische Seite reagierte mit den Worten, man könne ja im Gegenzug Raketen vom Typ Iskander in der Enklave Kaliningrad zwischen Polen und Litauen stationieren.

Ich kann nicht bewerten, wie viel an den Plänen dran ist - und ob vielleicht allein schon die Aufdeckung der Pläne dafür gesorgt hat, dass sie in den Müll geworfen wurden. Die Nachricht zeigt aber, wie gespannt die Lage ist. 25 Jahre nach dem Fall der Mauer steht Europa wieder vor einer Konfrontation mit hohem gegenseitigem Bedrohungspotential.

Es ist immer leichter, zu eskalieren als zu deeskalieren. Schnell sind die rhetorischen Kraftmeier dabei, die Unterlassung von Eskalation als Schwäche auslegen - oder die meinen, dass die Gegenseite Deeskalation als Schwäche auslegen könnte und dadurch zu Eskalation ermutigt würde. In dieser Logik ist Eskalation unvermeidlich. Das ist genauso, wie wenn man sagt, dass freundliche Aufnahme von Flüchtlingen diese erst recht anzieht. In dieser Logik ist die Abschottung zwingend.

In aufgeregten Zeiten braucht die Politik einen kühlen Kopf und ein mutiges Herz. Vermeintliche Schwäche ist Stärke, weil sie sich nicht den aufgeregtesten Stimmen beugt, sondern der leisen Stimme der politischen Vernunft gehorcht. Und die hat eine klare Botschaft: Deeskalation hat Vorrang vor Eskalation.

Der Autor

Pater Klaus Mertes ist Direktor des katholischen Kolleg St. Blasien im Schwarzwald. 2010 brachte er in seiner früheren Funktion als Rektor des Canisius-Kollegs in Berlin die Aufdeckung des kirchlichen Missbrauchsskandals ins Rollen.

Diskutieren Sie mit!

Diskutieren Sie diesen Standpunkt auf unserem Facebook-Auftritt.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Pater Klaus Mertes SJ