Pastoralreferentin Lisa Quarch übernimmt das Amt im Januar

Neue Geistliche Leiterin des BDKJ: Ich bin Theologin und Feministin

Veröffentlicht am 11.11.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ "Für mich ist das eine große Ehre", sagt Lisa Quarch über ihre Wahl zur neuen Geistlichen Leiterin des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). Im katholisch.de-Interview erklärt sie, warum die katholische Kirche ihre spirituelle Heimat ist und welche Themen ihr am Herzen liegen.

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Bei der außerplanmäßigen Hauptversammlung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) wurde Lisa Quarch am Wochenende zur neuen Geistlichen Leitung gewählt. Es ist der zweite Versuch, das Amt zu besetzen, nachdem sich bei der Hauptversammlung des Dachverbandes im Mai niemand zur Wahl gestellt hatte. Warum sie sich nun als einzige Kandidaten zur Wahl aufgestellt hat und was sie sich für ihr Amt vorgenommen hat, sagt die 29-jährige Pastoralreferentin Quarch im katholisch.de-Interview. 

Frage: Frau Quarch, Sie sind die erste Frau als Geistliche Leitung des BDKJ. Was bedeutet Ihnen das?

Quarch: Es hat mich total gefreut, dass das Amt überhaupt geöffnet wurde für Personen, die keine geweihten Priester sind. Für mich ist es eine große Ehre, dass ich dieses Amt ausfüllen darf und dass der BDKJ mir dieses große Vertrauen entgegengebracht hat. Und ich hoffe, dass nach mir viele weitere Frauen das Amt übernehmen werden.

Frage: Nach dem Rücktritt Ihres Vorgängers hat es etwas länger gedauert, bis das Amt nachbesetzt werden konnte, obwohl es sogar für Laiinnen und Laien geöffnet wurde. Woran liegt das?

Quarch: Ich kann mir da unterschiedliche Gründe vorstellen, auch wenn es mich durchaus auch überrascht hat. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass es daran liegt, dass das Amt einige Vorrausetzungen mitbringt: Man muss Theologie oder Religionspädagogik studiert haben und im pastoralen Dienst sein. Außerdem muss man viel unterwegs sein, hat viel Verantwortung und das Amt wird eng mit der jeweiligen Person verknüpft. Das ist kein Amt, das man nach einer 40-Stunden-Woche einfach ablegt. Das muss also schon zur Lebensphase passen.

Frage: Warum haben Sie denn selbst zunächst gezögert, bevor Sie kandidiert haben?

Quarch: Bei mir war es auch so, dass ich im Dezember schon einmal darüber nachgedacht habe, ob das Amt etwas für mich wäre. Damals habe ich mich dagegen entschieden, weil der Zeitpunkt für mich einfach nicht gepasst hat. Ich habe aktuell eine Projektstelle im Bistum Limburg für digitale Glaubenskommunikation, die zum Ende des Jahres ausläuft und die ich beenden wollte, bevor ich etwas Neues übernehme.

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Frage: Bevor Sie sich als Kandidatin zur Wahl stellen lassen konnten, musste die Deutsche Bischofskonferenz Ihrer Kandidatur zustimmen. So ein Vorhaben kann auch scheitern, wie der Fall Viola Kohlberger gezeigt hat. Hatten Sie Sorge, dass Ihre Kandidatur abgelehnt wird?

Quarch: Ich hatte nicht wirklich Sorge, dass das abgelehnt wird. Ich glaube, der Bischofskonferenz ist bewusst, dass der Umgang mit Viola Kohlberger nicht gut gelaufen ist und dass sie jetzt umsichtiger mit solchen Entscheidungen umgehen. Aber natürlich ist das immer erstmal eine Unsicherheit und deshalb war ich sehr froh, als die Nachricht kam, dass ich kandidieren darf.

Frage: Haben Sie denn Kritik an Ihrer Person wahrgenommen?

Quarch: In Bezug auf meine Kandidatur nicht. Ich habe natürlich nichts davon erfahren, wie dort vielleicht über mich diskutiert wurde oder ob das nur ein kleiner Tagesordnungspunkt war. Und auch insgesamt gab es zur Kandidatur selbst wenig Rückmeldungen außerhalb der Verbände. Das kam dann erst nach meiner Wahl – auch mit negativen Stimmen.

Frage: Welche Rückmeldungen haben Sie bekommen?

Quarch: Es gibt natürlich Personen, die sich schwer damit tun, dass es zum ersten Mal kein Priester ist, sondern eine junge Frau, die sich noch dazu als Feministin bezeichnet. Das ist für einige offenbar herausfordernd. Aber zum größten Teil waren es sehr positive Stimmen, die sich gefreut und gesagt haben: Das ist ein guter und wichtiger Schritt für den BDKJ als Dachverband.

Frage: Sie bezeichnen sich selbst als Feministin und Theologin. Inwiefern passt das überhaupt zusammen?

Quarch: Für mich ist das überhaupt kein Widerspruch. Ich habe in Sankt Georgen in Frankfurt am Main Theologie studiert und dort auch einen feministischen Blick auf die Theologie kennengelernt. Ich kann gar nicht anders, als das Christentum emanzipatorisch zu denken. Wenn ich in die Bibel schaue, auf die Beziehung Gottes mit dem Volk Israel, auf die Befreiung aus Ägypten bis hin zum Leben, Sterben und der Auferstehung von Jesus, dann sehe ich darin eine Geschichte der Befreiung. Es geht darum, dass Menschen freier werden und so sein können, wie sie von Gott geschaffen wurden.

„Die katholische Kirche ist meine spirituelle Heimat, meine Theologie ist eine katholische Theologie und das ist der Ort, an dem ich leben, glauben und arbeiten möchte.“

—  Zitat: Lisa Quarch

Frage: Vor rund drei Jahren haben Sie in einem Interview darüber gesprochen, dass Sie sich selbst mit dem Gedanken beschäftigt haben, aus der Kirche auszutreten. Wie kam es dazu?

Quarch: Im Laufe meines Studiums gab es immer wieder Momente, in denen ich mir die Zeit genommen habe, um mich zu fragen, ob die Kirche der richtige Ort ist, für den ich mich als Person mit allen Ressourcen einbringen möchte. In diesem Entscheidungsprozess habe ich aber immer wieder gemerkt, dass ein Austritt für mich keine Option ist. Die katholische Kirche ist meine spirituelle Heimat, meine Theologie ist eine katholische Theologie und das ist der Ort, an dem ich leben, glauben und arbeiten möchte.

Frage: Was würden Sie Jugendlichen mitgeben, die sich selbst mit dem Gedanken beschäftigen, aus der Kirche auszutreten?

Quarch: Ich würde ihnen mitgeben, dass sie sich trauen dürfen herauszufinden, was ihre eigene Spiritualität ist und welcher Ort dafür der richtige ist. Die katholische Tradition bietet eine große Vielfalt. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass Glaube nur aus Freiheit heraus geschehen kann. Wenn wir uns an einem Ort nicht frei fühlen, dann ist es für uns nicht der richtige Ort.

Frage: Welche Akzente wollen Sie grundsätzlich als Geistliche Leitung setzen?

Quarch: Ich habe das Amt zwar seit der Wahl inne, aber mit meiner vollen Arbeitszeit werde ich erst zum 1. Januar beginnen und dann gemeinsam mit den anderen Vorstandsmitgliedern schauen, welche Themen ich übernehmen kann. Ich würde aber sehr gerne den BDKJ auf Social Media noch präsenter machen. Ich habe eine große Leidenschaft für "TikTok", weil das ein unheimlich wichtiger Kulturraum für junge Menschen ist. Das erlebe ich in der Gemeinde, und auch Studien zeigen das. Ein weiteres wichtiges Thema ist für mich, dass die Strukturen von Kirche und auch des BDKJ sichere Räume sein sollen.

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Frage: Was bedeutet das konkret?

Quarch: Mit dem Ausdruck "Faith Spaces must be Safe Spaces" verbinden viele Leute ganz unterschiedliche Dinge. Für mich bedeutet das, Räume zu gestalten, die macht- und diskriminierungssensibel sind und sicher sind vor spiritueller Gewalt und sexuellen Übergriffen. Der BDKJ plant hierzu gerade eine groß angelegte Studie, auch zu den eigenen Strukturen. Da würde ich mich auch gerne einbringen.

Frage: Bietet der BDKJ denn schon jetzt einen sicheren Glaubensraum?

Quarch: In ganz vielen Punkten ist das schon so, dass es möglichst sichere Räume sind. Ich glaube, dass wir vollständig diskriminierungsfreie Räume in unserer Gesellschaft nicht erreichen können. Aber wir können versuchen, möglichst sensibel dafür zu sein. Da ist der BDKJ aus meiner Sicht schon auf einem guten Weg – auch wenn noch Arbeit zu tun ist.

Frage: Bislang waren Sie in den Sozialen Netzwerken auf verschiedenen Accounts sehr aktiv in der Glaubensverkündigung. Können und wollen Sie das auch weiter so machen, wenn Sie Ihr Amt antreten?

Quarch: Meine Stelle im Projekt "faithpwr" endet am 31. Dezember, sodass wir dort gerade nach jemand Neuem suchen. Auf meinen privaten Accounts würde ich aber gerne schon weitermachen, weil diese digitalen Kulturräume einfach Teil meines Alltags sind und Teil der Realität, in der wir leben. Wie das dann genau aussieht, muss ich noch gemeinsam mit dem Bundesvorstand herausfinden.

Von Christoph Brüwer