Pfarrer Alexander Bergel über das Sonntagsevangelium

Kein Streichelgott

Veröffentlicht am 15.11.2025 um 10:08 Uhr – Lesedauer: 
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Osnabrück ‐ Ist es Gott, der von den vertrautesten Menschen entfremdet und zerstört? Begegnen wir so einem Gottesbild im Sonntagsevangelium? Pfarrer Alexander Bergel sucht nach Antworten und findet in den Worten Jesu einen tiefen Einblick in das, was christliches Leben ausmacht.

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Nein, er ist wirklich kein Streichelgott. Wohl eher ein Gott, der niederreißt und spaltet und mich den vertrautesten Menschen entfremdet. Oder? Es ist kein Streichelgott, auf den da am Ende des Kirchenjahres hingewiesen wird. Die Theologie spricht vom "Mysterium fascinosum et tremendum". Gott ist ein Geheimnis, das fasziniert, das aber auch erzittern lässt. Und in der Tat: Er lässt die Welt erzittern, wenn von Kriegs- und Krisenzeiten die Rede ist, wie gerade gehört. Aber tut Gott dies, um uns in tiefste Depression zu stürzen? Tut er all das überhaupt? Nein. Im Gegenteil. Keine Drohung soll es sein. Vielmehr eine Herausforderung. Die Bibel beschreibt das Leben in all seiner Gebrochenheit: Beziehungen, Reiche, Gesellschaften fallen auseinander. Krieg überall – bis in die engste Umgebung hinein. Es geschieht einfach. Tag für Tag. Ist das also Gottes Plan für diese Welt? 

Im Schöpfungsbericht heißt es: "Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Und siehe, es war sehr gut" (Gen 1,31). Nur – was ist davon geblieben? Paulus bringt es auf diesen Nenner: "Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber nicht nur das, sondern auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, auch wir seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne [und Töchter] offenbar werden" (Röm 8,22–23).

Die Kunst des christlichen Lebens besteht wohl darin, in allem, was ist, Gott zu suchen. Und gleichermaßen – trotz allem, was ist – nicht an Gott zu verzweifeln. Das ist ganz schön wenig. Zugegeben. Zum Glück aber gibt es diese Verheißung Gottes, wie sie uns der Prophet Maleachi überliefert: "Für euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen und ihre Flügel bringen Heilung" (Mal 3,20). Kein Streichelgott also, aber einer der heilt! Hoffentlich.

Lesung aus dem Evangelium nach Lukas (Lk 21,5–19)

In jener Zeit, als einige darüber sprachen, dass der Tempel mit schön bearbeiteten Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei, sagte Jesus: Es werden Tage kommen, an denen von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleibt, der nicht niedergerissen wird.

Sie fragten ihn: Meister, wann wird das geschehen und was ist das Zeichen, dass dies geschehen soll? Er antwortete: Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten
und sagen: Ich bin es! und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach!

Wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch nicht erschrecken! Denn das muss als Erstes geschehen;
aber das Ende kommt noch nicht sofort. Dann sagte er zu ihnen: Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen.

Aber bevor das alles geschieht, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und den Gefängnissen ausliefern, vor Könige und Statthalter bringen um meines Namens willen. Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. Nehmt euch also zu Herzen, nicht schon im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen; denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können.

Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden. Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.

Der Autor

Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.

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