Papier der Schulkommission der Bischofskonferenz sorgte für Kritik

Schulleiter: Bin dankbar für DBK-Leitlinien zur Vielfalt an Schulen

Veröffentlicht am 18.11.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Mutlangen ‐ Das Dokument "Geschaffen, erlöst und geliebt" der Schulkommission der Deutschen Bischofskonferenz hat für Diskussionen und Kritik gesorgt. Als Schulleiter und Religionslehrer begrüßt Johannes Stollhof den Text – und formuliert im katholisch.de-Interview Wünsche für die Zukunft.

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"Geschaffen, erlöst und geliebt. Sichtbarkeit und Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten in der Schule" ist der Titel einer 48-seitigen Broschüre der Schulkommission der Deutschen Bischofskonferenz. Die Bischöfe rufen darin auf, die Vielfalt sexueller Orientierungen auch in Schulen anzuerkennen und sprechen von der Wichtigkeit eines offenen und wertschätzenden Umgangs damit. Das Dokument hat aber auch für vehemente Kritik gesorgt. Zuletzt distanzierten sich der Passauer Bischof Stefan Oster, der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer und der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki vom Inhalt des Papiers. Johannes Stollhof ist promovierter Theologe, Religionslehrer und Schulleiter am Franziskus Gymnasium in Mutlangen (Ostalbkreis). Im katholisch.de-Interview spricht er darüber, warum er nicht auf den Text verzichten will.

Frage: Herr Stollhof, wenn Sie einen Punkt aus dem Dokument der Bischöfe benennen müssten, der Ihnen besonders wichtig ist – welcher wäre das?

Stollhof: Die Formulierung, dass katholische Schulen "Zeichen und Werkzeug" der "Sichtbarkeit und Anerkennung" jedes Menschen sind, hat mich besonders angesprochen. Denn darin wird deutlich, wofür wir als katholische Schulen da sind und in welchem Horizont wir stehen. Und es gibt noch eine weitere Formulierung, in der ich das Selbstverständnis unserer Schule erkenne.

Frage: Und zwar?

Stollhof: Die Schule muss Kinder und Jugendliche bei den Fragen des Seins begleiten: Wer bin ich? Wer will ich sein? Wo ist mein Platz in der Gesellschaft?

Bischöfe bei einem Gottesdienst zur Vollversammlung
Bild: ©picture alliance/dpa | Oliver Berg (Symbolbild)

Der Text "Geschaffen, erlöst und geliebt" wurde als Broschüre der Schulkommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) veröffentlicht. Aber auch im Kreise der Bischöfe gibt es Kritik am Papier.

Frage: Sind die Leitlinien der Bischöfe für Sie in der Praxis denn hilfreich oder hätten Sie auch darauf verzichten können?

Stollhof: Nein, ich hätte nicht darauf verzichten wollen. Ich weiß, dass es ein Kampf war, dieses Papier zu verabschieden und es nicht bei allen Bischöfen Zustimmung gefunden hat. Deswegen bin ich allen dankbar, die sich dafür starkgemacht haben, und ich bin dankbar für diesen Text.

Frage: Warum?

Stollhof: Wie vermutlich viele Schulen stehen auch wir aktuell vor der Frage, wie wir queere oder transidente Kinder und Jugendliche begleiten können. Ich habe das ganz konkret im letzten Schuljahr in einem Fall erlebt. Als franziskanische katholische Schule stehen wir dabei in einer vielleicht noch größeren Spannung als öffentliche Schulen, weil von uns einerseits erwartet wird, dass wir das Lehramt hochhalten und wir gleichzeitig einen pädagogischen Anspruch haben, wie wir Kinder und Jugendliche begleiten wollen.

Frage: Inwiefern kann Ihnen da dieser Text helfen?

Stollhof: Wir haben vieles genau so gemacht, wie es das Papier jetzt festhält. Aber in so einem Fall tut es natürlich gut, wenn man sagen kann: Wir haben uns das nicht selbst ausgedacht, sondern das ist der aktuelle Stand für katholische Schulen. Wenn Sie so wollen, ist das das Autoritätsargument, das in manchen Debatten durchaus hilft – etwa, wenn mir vorgeworfen wird, wir würden die kirchliche Lehre nicht mehr vertreten und seien keine katholische Schule mehr. Da hätte ich schon gerne gesagt: Ich schicke Ihnen gerne ein bischöfliches Papier, mit dem können Sie sich auseinandersetzen.

„Wir müssen nicht jede lehramtliche Position über Bord werfen, aber wir müssen – gerade im Bildungskontext – in der Lage sein, Menschen zu begleiten.“

—  Zitat: Johannes Stollhof

Frage: Allerdings ist das Papier der Schulkommission innerhalb der Bischofskonferenz und auch innerhalb der Kirche insgesamt nicht unumstritten. Können Sie nachvollziehen, dass es Kritik an dem Text gibt?

Stollhof: Als Theologe weiß ich, woher diese Kritik kommt. Trotzdem bin ich froh, dass die Schulkommission sich für diesen Weg entschieden hat. Wir haben nun mal Kinder und Jugendliche, die in diesem Entscheidungssituationen stehen und wenn ich als katholische Schule den Anspruch habe, junge Menschen in ihrer Identitätsfindung und Persönlichkeitsentwicklung zu begleiten, dann komme ich nicht umhin das so zu tun, wie das hier formuliert wird. Ich bin froh, dass wir in der deutschen Theologie insgesamt gesehen eine liberalere Positionierung haben. Und ich hoffe, dass das reale Geschehen in unseren Schulen dazu führt, den ein oder anderen Bischof aus seiner Kritik herauszuholen und ihm zu zeigen, dass die Begleitung queerer Kinder und Jugendlicher unsere Aufgabe ist.

Frage: Vor welchen praktischen Herausforderungen auf diesem Gebiet stehen Sie denn als Schulleiter?

Stollhof: Da geht es beispielsweise um bauliche Maßnahmen, wie die Einrichtung von Toiletten, um die Frage der Teilnahme am Sportunterricht, um die Gruppenzugehörigkeit bei Klassenfahrten. Und es gibt auch katholische Schulen, die geschlechtergetrennt arbeiten. Dort stellen sich solche Fragen dann noch einmal verschärft. Für die Lehrerinnen und Lehrer geht es außerdem darum, diskriminierungsfreie Räume zu gestalten, damit auch über Unsicherheiten gesprochen werden kann, wenn aus einer Klassenkameradin nach einem Outing plötzlich ein Klassenkamerad geworden ist.

Frage: Welche Unterstützung würden Sie sich von kirchlicher Seite wünschen?

Stollhof: Ich verstehe viele lehramtliche Positionen und kann deren historische Entstehung nachvollziehen. Aus meiner Sicht ist es aber wichtig, dass wir die Lehre nicht an der Lebensrealität der Menschen vorbei entwickeln. Jesus ist zu den Ausgestoßenen am Rand der Gesellschaft gegangen, auch Papst Franziskus hat uns immer wieder aufgerufen, an die Peripherie zu gehen. Das ist auch der Ort, wo sich queere Menschen in unserer Gesellschaft immer noch befinden. Es fällt mir dann schwer, aufgrund einer veralteten Sexualmoral nicht an der Seite der Menschen stehen zu sollen. In diesem Menschen begegnet uns Gott – auch wenn das für manche vielleicht eine Zumutung ist. Wir müssen nicht jede lehramtliche Position über Bord werfen, aber wir müssen – gerade im Bildungskontext – in der Lage sein, Menschen zu begleiten.

Von Christoph Brüwer