Kritik an Abschiebepolitik: Verhallt die Botschaft der US-Bischöfe?
Tom Homan zeigt sich unbeeindruckt von der "Spezial-Botschaft" der katholischen Bischöfe seines Landes. Das Vorgehen gegen nicht dokumentierte Einwanderer rette Leben, reagiert der Direktor der US-Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) und damit einer von Donald Trumps Architekten der Massendeportationen. Und fügt verächtlich hinzu, er sei "ein lebenslanger Katholik". Statt Erklärungen abzugeben, sollten die Bischöfe "ihre Zeit damit verbringen, die katholische Kirche zu reparieren".
So spricht einer, der Uneinigkeit hinter einer scheinbar geschlossenen Front wittert, die die US-Bischofskonferenz vergangenen Mittwoch für einen Moment gezeigt hatte. Doch Kritiker wie die Leitartikler des "National Catholic Reporter" fragen besorgt, ob den Worten auch Taten folgen, nachdem die stehenden Ovationen für die mit nur fünf Gegenstimmen beschlossene Erklärung verhallt sind.
Der Entwurf war deutlich harmloser
Die 618 Wörter hätten weitaus weniger Biss gehabt, als die erste Berichterstattung suggerierte. "Die Stellungnahme, auf die sie sich schließlich einigten, war nicht stark. Es war das Maximum, auf das sie sich angesichts der tiefen Spaltung unter ihnen einigen konnten", urteilt das Blatt. "Die Erklärung erwähnt weder ICE noch seine maskierten und schwer bewaffneten, nicht identifizierbaren Schläger, die Gemeinden auf eine Weise überfallen, die nicht nur gegen die grundlegenden Prinzipien einer zivilen, demokratischen Gesellschaft verstößt, sondern auch gegen die wesentliche menschliche Würde."
Dass mehr Klarheit in das Dokument kam, verdankt sich einer Intervention in letzter Minute. Kardinal Blase Cupich aus Chicago, von Papst Franziskus ernannt und seit Wochen Zeuge von Immigrationsrazzien in seiner Stadt, brachte im Plenum der Herbsttagung von Baltimore einen entscheidenden Zusatz ein: "Wir lehnen die wahllose Massenabschiebung von Menschen ab."
Trumps "Grenz-Zar" Tom Homan zeigte sich von der Kritik der Bischöfe unbeeindruckt.
Dieser am meisten zitierte Satz fehlte im ursprünglichen Entwurf. Erzbischof Thomas G. Wenski aus Miami dankte Cupich dafür, dass er damit "dem Dokument wirklich Gewicht verlieh". Die Bischöfe folgten dem ausdrücklichen Wunsch von Papst Leo XIV. Der erste US-amerikanische Papst hatte sich wiederholt für Migranten ausgesprochen. Als Bischof Mark J. Seitz aus El Paso ihm im Oktober etwa 100 Briefe von Einwanderern überreichte, machte Leo seinen Wunsch deutlich, seinem Beispiel zu folgen.
Die Massendeportationen treffen die katholische Kirche überproportional hart. Laut einer gemeinsamen Studie der Bischofskonferenz und der evangelikalen Organisation World Relief sind etwa 80 Prozent aller von Abschiebung bedrohten Menschen Christen. Jeder sechste Katholik in den USA ist entweder selbst von Abschiebung bedroht oder lebt mit jemandem zusammen, der es ist.
Über zwei Millionen Menschen ausgewiesen
Das Heimatschutzministerium gab Ende Oktober bekannt, in diesem Jahr 527.000 "illegale Ausländer" abgeschoben und weitere 1,6 Millionen zur freiwilligen Ausreise bewegt zu haben. 66.000 Einwanderer befanden sich in Bundesgewahrsam – ein Rekord.
Dass es keine schärfere Stellungnahme gab, wie sie sich liberale Bischöfe wie Oscar Cantú aus San José in Kalifornien gewünscht hatten, sondern eine Erklärung, deren "Ausgewogenheit" der neue Chef der Bischofskonferenz, Paul S. Coakley aus Oklahoma City, lobte, hat nach Ansicht von Beobachtern damit zu tun, dass die Konservativen noch immer den Ton in der Bischofskonferenz angeben.
Der neue Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, Paul S. Coakley, lobte die "Ausgewogenheit" der Stellungnahme.
Dafür spricht auch die Wahl Coakleys, der sich gegen Bischof Daniel Flores aus Brownsville in Texas durchsetzte. Trotzdem sehen Optimisten in der Stellungnahme einen Fortschritt, an den sich anknüpfen lasse. Solche "Spezial-Botschaften" sind selten – die letzte datiert von 2013, als sich die Bischöfe gegen die Verhütungsmittel-Regelung in Obamas Gesundheitsreform wandten.
Mehrere Bischöfe lasen die Erklärung laut vor und stellten sie auf YouTube ein. Viele Priester fühlten sich inspiriert, am Sonntag nach der Jahrestagung in ihren Gemeinden Position zu den Massendeportationen zu beziehen.
Der "National Catholic Reporter" stellt die Gretchenfrage: Wenn Leitartikler wissen wollen, ob die Bischöfe Gläubige mobilisieren, in katholischen Medien ein "Ende der barbarischen Behandlung" von Migranten fordern oder in den Kirchen über die Massendeportationen aufklären. "Das ist der Test."
