Paul Stagg Coakley leitet künftig die Bischofskonferenz

Konservativer Trump-Kritiker – Der neue Vorsitzende der US-Bischöfe

Veröffentlicht am 12.11.2025 um 12:00 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Bonn/Baltimore ‐ Trotz konservativer Positionen gilt er als Trump-Kritiker – Erzbischof Paul Coakley. Nun führt er die US-Bischofskonferenz. Unterstützer loben seine Führungsstärke, doch er bleibt umstritten – auch wegen seines Lobs für den exkommunizierten Erzbischof Viganò.

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Es war ein knappes Ergebnis: Nach drei Wahlgängen wählten die US-Bischöfe am Dienstag (Ortszeit) Paul Stagg Coakley (70) zum neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz (USCCB). Er folgt damit auf Erzbischof Timothy Broglio, der das Amt noch bis zum Abschluss der Herbstvollversammlung in Baltimore innehat und seit 2022 an der Spitze der Bischofskonferenz stand. Bewegt sei er von dem Vertrauen, das seine Mitbrüder in ihn setzten, schrieb der neue Vorsitzende unmittelbar nach der Wahl auf der Plattform "X". 

Coakley ist Erzbischof von Oklahoma, zudem – noch – Sekretär der Bischofskonferenz sowie Vorsitzender ihres Ausschusses für Prioritäten und Planungen. Zusätzlich zu seinen diözesanen Aufgaben ist er theologischer Berater des "Napa Institute”, einer konservativ ausgerichteten Organisation, die auf ihren jährlichen Sommerkonferenzen häufig eine Mischung aus Frömmigkeit und rechtsgerichteter Politik präsentiert. Das Institut bezeichnete Coakleys Wahl in einem Facebook-Beitrag als ein "kraftvolles Zeugnis seines Glaubens und seiner Führungsstärke”. Zudem werde er als Vorsitzender die Kirche in den USA stärken, wie er es bereits mit dem Institut getan hat.  

Kopf-an-Kopf-Rennen 

Gänzlich überraschend ist die Wahl Coakleys nicht. Als amtierender Sekretär der USCCB galt Coakley als einer der Favoriten für das Amt des Vorsitzenden – genauso wie sein "Kontrahent", Bischof Daniel Flores aus Brownsville (Texas). Beide lieferten sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Dennoch erreichte zunächst keiner der beiden die satzungsgemäß erforderliche Stimmenmehrheit. Nachdem auch der zweite Wahlgang keinen Gewinner hervorgebracht hatte, setzte sich Coakley schließlich im dritten Wahlgang mit 128 Stimmen durch. Flores erhielt 109 Stimmen und wurde aus der verbleibenden Liste von neun Kandidaten zum Vizepräsidenten gewählt. Sein Bistum liegt an der Grenze zu Mexiko, weshalb er bezüglich Einwanderungen mehrfach die Trump-Regierung kritisierte. Zudem war er zuständig für die Beiträge der USA zur Weltsynode. Unter den Kandidaten war auch Bischof Robert Barron aus Winona–Rochester, Gründer der einflussreichen katholischen Medienorganisation "Word on Fire". 

US-Beobachter sehen in der Wahl Coakleys an die Spitze der Bischofskonferenz einen Rechtsruck. Denn der 70-Jährige ist beileibe kein unbeschriebenes Blatt: 2018 gehörte er zu mehreren US-Bischöfen, die den inzwischen vom Vatikan exkommunizierten Erzbischof und ehemaligen Nuntius in den Vereinigten Staaten, Carlo Maria Viganò, unterstützten. Viganò hatte Papst Franziskus beschuldigt, sexuellen Missbrauch vertuscht zu haben, und zum Rücktritt aufgefordert. Schließlich näherte sich Viganò verschwörungstheoretischen und traditionalistischen Kreisen am Rand der katholischen Kirche an und kritisierte das Vorgehen des Papstes gegen die Anhänger der lateinischen Alten Messe und die Öffnungen gegenüber homosexuellen Paaren. Nachdem er Franziskus öffentlich vorgeworfen hatte, nicht der rechtmäßige Papst zu sein, eröffnete das vatikanische Glaubensdikasterium ein kirchenrechtliches Verfahren gegen Viganò und verkündete seine Exkommunikation. Coakley hat seine Erklärung, in der er Viganòs "persönliche Integrität" und seinen "tiefsten Respekt" für den ehemaligen Nuntius hervorhob, bis heute nicht zurückgenommen. In derselben Erklärung rief er zudem zu einer Untersuchung und "Reinigung" der Kirche auf. 

Kritik an sogenannter "Gender-Ideologie" 

Coakley gilt als Erzbischof aus konservativen Kreisen, der sich für die Bewahrung der traditionell-katholischen Sexual- und Familienlehre einsetzt. Dazu gehört auch die in den USA sogenannte "culture of life", insbesondere mit Blick auf Abtreibung und auf die aus konservativen Kreisen kritisierte "Gender-Ideologie". Sein Profil zeigt jedoch auch differenziertere Positionen: So sprach sich Coakley gegen die Todesstrafe in Oklahoma aus – mit der Begründung, sie trage zur Verrohung der Gesellschaft bei. Außerdem kritisierte er großangelegte Abschiebemaßnahmen in den USA. Im Februar dieses Jahres etwa betonte er, die Abschiebungen erzeugten "Angst und sogar Verzweiflung bei unseren Nachbarn mit Migrationshintergrund, bei Migranten und Flüchtlingen, die auf der Suche nach denselben Träumen gekommen sind, die viele unserer Vorfahren zu einer anderen Zeit hatten." 

Erzbischof Carlo Maria Viganò spricht auf dem "Walk for life" in San Francisco
Bild: ©picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Alex Washburn

2018 gehörte Coakley zu mehreren US-Bischöfen, die den inzwischen vom Vatikan exkommunizierten Erzbischof und ehemaligen Nuntius in den Vereinigten Staaten, Carlo Maria Viganò, unterstützten.

In derselben Erklärung sagte er zudem: "Illegale Einwanderung ist falsch, und es sollten erneute Anstrengungen unternommen werden, um die Grenzen unseres Landes zu schützen." Er äußerte Bedenken hinsichtlich Menschen- und Drogenhandels, betonte aber, die Mehrheit der Menschen, die illegal ins Land einreise, seien "angesehene Mitglieder unserer Gemeinden und Kirchen, keine gewalttätigen Kriminellen". 

Spagat im Kulturkampf 

Mit ihrer Kritik an Gender und Abtreibung sowie gleichzeitig an Abschiebungen und der Todesstrafe versucht die neue Spitze der Bischofskonferenz einen Spagat im US-Kulturkampf. 2023 äußerte Coakley in einem pastoralen Schreiben seine Besorgnis über die Zunahme von Geschlechtsdysphorie und die Verbreitung der "Gender-Ideologie" in der amerikanischen Gesellschaft. Er gab Eltern dazu Ratschläge, kritisierte jedoch Medikamente und Operationen, die zur Erleichterung einer Geschlechtsangleichung eingesetzt werden. Zur Transgender-Bewegung erklärte er in diesem Dokument, dass jede Generation ihren eigenen einzigartigen Herausforderungen gegenüberstehe, "in denen mächtige Kräfte aufsteigen, um die menschliche Person zu entstellen und ihre Beziehung zu Gott und dem Nächsten zu verzerren".  

Die Bewegung versuche "auf tragische Weise", den "Transgenderismus zu fördern und zu normalisieren", so der Erzbischof. "Die kulturell vorherrschende Transgender-Bewegung hat ein Verständnis von Natur und Zweck, das radikal im Widerspruch zum katholischen Verständnis der menschlichen Person steht", sagte er. "Kurz gesagt: Es handelt sich um ein Übel, das unsere Welt in dieser Zeit und an diesem Ort infiziert, und es muss vollständig zurückgewiesen werden, selbst wenn wir jene bedingungslos lieben, die in seinen Fängen gebunden sind", schrieb Coakley. Zugleich betonte er, man müsse zwischen dem Phänomen und den einzelnen davon betroffenen Personen unterscheiden. 

Missbrauchsbetroffene wütend 

Wie der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz mit sexuellem Missbrauch in der Kirche umgehen wird, bleibt abzuwarten. Das "Survivors Network of Those Abused by Priests” (SNAP), eine Interessenvertretung für Betroffene sexuellen Missbrauchs durch Kleriker, veröffentlichte nach Coakleys Wahl eine Stellungnahme. Darin wird ihm vorgeworfen, Fälle sexuellen Missbrauchs durch Kleriker in seiner Erzdiözese schlecht gehandhabt zu haben. Man sei nicht überrascht, dass die USCCB erneut jemanden gewählt habe, der Täter im Dienst belassen und Familien in die Irre geführt habe. "Betroffene sind wütend, dass die US-Bischöfe sich von einem Mann leiten lassen werden, der eine Vorgeschichte hat, strafrechtliche sexuelle Übergriffe zu verharmlosen und die Öffentlichkeit zu gefährden." 

Wie der Kirchenhistoriker und Professor für Ekklesiologie Massimo Faggioli gegenüber dem Portal "National Catholic Reporter" betonte, scheine die Wahl Coakleys zum Vorsitzenden zu bestätigen, dass eine "gewisse Kluft oder Distanz zwischen Rom und der USCCB besteht" – und dass diese nicht auf Papst Franziskus zurückzuführen sei. "All dies ist nicht nur Angelegenheit der amerikanischen Katholiken, sondern hat praktische und symbolische Folgen weit über die Zuständigkeit der USCCB hinaus", so Faggioli. Coakleys dreijährige Amtszeit an der Spitze der USCCB beginnt in einem Moment, in dem die Trump-Regierung ihre Einwanderungs- und Sozialpolitik vorantreibt – mit erheblichen Auswirkungen auf die Mitglieder der Kirche. Coakley kündigte einen besonnenen Führungsstil an, der die Kontinuität der Lehre wahren und zugleich den seelsorgerischen Bedürfnissen jener Gemeinden Rechnung tragen soll, die von neuen oder verschärften Maßnahmen besonders betroffen sind. Offen bleibt, wie sich in den kommenden drei Jahren das Verhältnis zwischen den US-amerikanischen Bischöfen und Papst Leo XIV. entwickeln wird.

Von Mario Trifunovic