Der oberste Hirte bei seiner kleinen Herde

Nach großem Auftritt mit Erdogan: Papst Leo wendet sich Katholiken zu

Veröffentlicht am 28.11.2025 um 10:57 Uhr – Von Sabine Kleyboldt (KNA) – Lesedauer: 

Rom/Vatikanstadt ‐ Der Auftakt seiner ersten Reise als Papst lief für Leo XIV. nach Maß. Nach dem Staatsempfang durch Präsident Erdogan wendet er sich der winzigen katholischen Minderheit zu. Doch der Höhepunkt der Reise ist ökumenisch.

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Für Istanbuls Katholiken schienen am Donnerstag Ostern und Weihnachten auf einen Tag zu fallen. "Viva il Papa"-Rufe ertönten schon am Morgen in der Heilig-Geist-Kathedrale im Herzen der Stadt am Bosporus. Denn Leo XIV. besuchte am zweiten Tag seiner Türkei-Reise seine "kleine Herde": In der kompakten Kathedrale, über deren Portal der Türkei-Freund Papst Johannes XXIII. (1958–1963) milde herablächelt, feierte er einen Wortgottesdienst mit Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und anderen Gläubigen – samt Mutmach- und Gänsehautmomenten.

"Jubilate Deo" sang der Chor, als Leo die Kathedrale betrat; die Orgel und 800 Menschen jubelten mit. Denn die kleine Gemeinde der 33.000 Katholiken in der großen Türkei stehen eher selten im Fokus der Weltkirche.

In seiner Ansprache erinnerte der Papst sie daran, dass in ihrer Region vor über 2.000 Jahren das Christentum wurzelte. Die aus vielen Nationen stammende Gemeinde rief er auf, die Saat des Glaubens zu hegen, sich für Ökumene und interreligiösen Dialog, für Migranten und Geflüchtete einzusetzen. Vor allem aber sprach er der "kleinen Herde" Mut zu. Grund zur Hoffnung seien nicht zuletzt die vielen jungen Menschen, die sich mit ihren Sorgen und Anliegen an die Kirche wendeten, so der Papst an die Menschen in der mit gelben und weißen Blüten geschmückten, voll besetzten Kirche.

Ein sichtlich gerührter Papst

Mehr als einmal kämpfte er während der Lieder und Gebete, die auf Türkisch und in anderen Sprachen vorgetragen wurden, mit Tränen der Rührung. Zuvor hatte der Vorsitzende der Bischofskonferenz der Türkei, Erzbischof Martin Kmetec, den Pontifex begrüßt. Nach der knapp einstündigen Feier wollten ihn die Menschen kaum wieder gehen lassen. Er begrüßte Dutzende von ihnen einzeln.

Danach hatte Leo XIV. noch einen Besuchstermin in einem von Ordensfrauen geführten Seniorenheim, wo er wiederum mit großer Herzlichkeit empfangen wurde. Ein ums andere Mal rang er mit seiner Rührung, als er mit den alten Menschen und ihren Helferinnen in Ordenstracht sprach.

Bild: ©picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Turkish Presidency

Papst Leo XIV. und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Mit dem Besuchsauftakt kann das Oberhaupt der 1,4 Milliarden Katholiken weltweit zufrieden sein. Bei seinem hochoffiziellen Empfang in der Hauptstadt Ankara durch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag gab es nicht nur gegenseitiges Lob, sondern auch Mahnungen des Papstes zu mehr Pluralismus in der Türkei.

Zuvor brachten kleine Gesten wie Leos kurzer Gruß von Erdogans Ehrengarde auf Türkisch ("Merhaba asker!") dem Gast aus Rom sichtliches Wohlwollen des Hausherrn ein. Auch der Papst selbst zeigte in dem Moment ein erleichtertes Lächeln. Denn Türkisch zählt eigentlich nicht zum Sprachen-Kanon des polyglotten Papstes.

Am Freitagnachmittag stand dann der Hauptanlass für Leos Türkei-Reise an: das Gedenken an 1.700 Jahre Konzil von Nizäa, wo im Jahr 325 das bis heute gültige Glaubensbekenntnis und damit die Grundlagen der christlichen Theologie formuliert wurden. Ein Meilenstein im Leben der Kirche und der ganzen Menschheit, wie Leo XIV. bei seiner Ansprache in der Heilig-Geist-Kathedrale ausführte.

Symbolträchtiges ökumenisches Treffen

Mit Spannung wurde erwartet, wie sich das ökumenische Gebetstreffen in der Nähe der archäologischen Ausgrabungen der antiken Basilika St. Neophyt in Iznik, dem antiken Nizäa, gestalten würde. Dort wollte er gemeinsam mit dem Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, Bartholomaios I., an das bahnbrechende Ereignis vor 1.700 Jahren erinnern.

Dies, so werden Papst und Patriarch nicht müde zu betonen, habe Strahlkraft bis heute. Auch deshalb werden Vertreter anderer christlicher Konfessionen wie Altkatholiken, Anglikaner, Lutheraner und anderer Kirchen dort erwartet. Am Samstag, dem dritten Tag seiner Visite, steht dann ein interreligiöser Höhepunkt auf dem päpstlichen Reiseplan: ein Besuch der "Blauen Moschee", Istanbuls größtem muslimischem Gotteshaus.

Von Sabine Kleyboldt (KNA)