Welche Re-Evangelisierung wir wirklich brauchen
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"Deutschland braucht eine Re-Christianisierung" meinen laut INSA 30 Prozent der Bevölkerung, weit mehr als die mit einer starken Kirchenbindung. Man mag erfreulich finden, dass auch Kirchenferne und Agnostiker mehr christlichen Glauben oder christliche Moral wünschen, und ich bin sicher: zu Recht. Eine "Gesellschaft ohne Gott" birgt Risiken.
Trotzdem hat die Umfrage mich alarmiert. Laut einer (nicht repräsentativen) Auszählung nach Parteineigung befürworten eine Re-Christianisierung nicht die Anhänger der C-Parteien (39 Prozent) am häufigsten, sondern solche der rechtsextremen AfD (49 Prozent), und links mehr im BSW (31 Prozent) als in SPD (24 Prozent), Grünen und Linken (je 16 Prozent). Der Begriff stimuliert wohl bei vielen identitäre Affekte gegen den Islam und die religiös-kulturelle Pluralisierung. Sie wird als Verlust vertrauter "Leitkultur" wahrgenommen. Mit christlichem Glauben hat "cultural defense" aber wenig zu tun. Eher mit "Schalke gegen Dortmund", also einer Gruppenidentifikation, samt Abgrenzung bis hin zur Aversion.
Manche Christen in Geschichte und Gegenwart führen sich ja auch auf wie Hooligans: laut, fanatisch, grob, selbstbezogen und feindselig gegen alles irgendwie Fremde. Oft sind es halbgebildete Menschen ohne Differenzierungsvermögen, die sich leicht aufhetzen lassen. Sie fallen auf Verdrehungen und Halbwahrheiten leichter herein und wählen ihre Meinungsführer nach Gesinnungstüchtigkeit und flottem Mundwerk aus. Nur so lässt sich der Milieu-Erfolg von Typen erklären, die Jesus als "Heuchler", "getünchte Gräber" und "Schlangenbrut" von sich gewiesen hätte. Papst Franziskus demaskiert sie in Evangelii Gaudium (93ff) als narzisstisch, selbstgerecht, autoritär, pseudo-fromm und verweltlicht. Diese Klientel passt zur AfD und dient ihr als christliches Feigenblatt vor der neuheidnischen Blöße.
Was wir wirklich brauchen, ist eine Re-Evangelisierung als Bekehrung der Herzen und geistige Neuaneignung, mit Folgen für den Lebenswandel und eine Kultur, der man christliche Inspiration anmerkt. Aus Glaube, Liebe und Hoffnung erwachsen Demut, Empathie und Gelassenheit. Wo Hybris, Egozentrik und Daueraufgeregtheit tönen, sucht man Re-Christianisierung vergeblich. Gegen den Christianismus ihrer falschen Propheten müssen sich die Kirchen sozialethisch, vor allem aber geistlich wappnen.
Der Autor
Andreas Püttmann ist Politikwissenschaftler und freier Publizist in Bonn.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.
