Gläubige besetzen Kathedrale – Liturgiestreit entflammt erneut
Der Liturgiestreit in der syro-malabarischen Kirche droht wieder aufzuflammen. Am Mittwoch haben 200 Gläubige die Marienkathedrale der Erzeparchie Ernakulam-Angamaly besetzt, wie mehrere indische Medien berichten. Die Protestierenden gehören den Angaben zufolge zu der Gruppe "One Church, one Qurbana", die sich für die von der Synode der katholischen Ostkirche beschlossene einheitliche Form der Qurbana, der Messfeier der syro-malabarischen Kirche, einsetzen. Die Kathedralen-Besetzer sehen den Kompromiss unzureichend umgesetzt, der die Situation befrieden sollte.
In der Kathedrale wurde erst am 2. Dezember zum ersten Mal wieder eine Messe gefeiert. Aufgrund des Liturgiestreits war eine Feier der Eucharistie seit November 2022 nicht mehr möglich. Die Kathedrale wurde im November 2022 durch die Polizei geschlossen, nachdem es zwischen Befürwortern und Gegnern der von der Synode der syro-malabarischen Kirche beschlossenen einheitlichen Form der Liturgie zu Zusammenstößen kam. Im Frühjahr 2024 erlaubte das zuständige staatliche Gericht die Öffnung der Kathedrale, allerdings ohne Feier der Eucharistie.
Gegenüber der Zeitung "New Indian Express" sagte ein Vertreter der Protestierenden, dass die Feier Anfang Dezember Anordnungen des Gerichts verletzt habe: "Daher haben Gläubige, die für die einheitliche Form der Heiligen Messe sind, die Kirche geöffnet und beschlossen, in Fasten und Gebet gemäß den offiziellen Bestimmungen der syro-malabarischen Kirche und des Vatikans auszuharren." Die Protestierenden haben die Türen abgeschlossen, vor der Kirche sind Polizeikräfte aufgezogen. "Wir waren in keiner Weise gewalttätig und beten friedlich", so der Vertreter.
Großerzbischof wird von Papst empfangen
Unterdessen teilte die syro-malabarische Kirche mit, dass ihr Großerzbischof, Mar Raphael Thattil, am kommenden Montag von Papst Leo XIV. im Vatikan empfangen werden wird. Details zu dem Gespräch sind nicht bekannt. In der Pressemitteilung weist die Kirche Gerüchte im Zusammenhang mit der Audienz zurück, ohne darauf weiter einzugehen. Medien hatten im Vorfeld spekuliert, dass die großerzbischöfliche Kirche zu einer Patriarchatskirche erhoben werden könnte. Eine patriarchale Kirche hat unter den katholischen Ostkirchen den höchsten Rang und die größte Unabhängigkeit, die tatsächlichen Unterschiede zur jetzigen Form einer großerzbischöflichen Kirche sind aber marginal.
Im August schien es zunächst, dass der jahrelange Streit um die Feier der Liturgie durch einen Kompromiss beigelegt sei. Der Kompromiss sieht vor, dass eine Feier der von Gegnern der Liturgiereform bevorzugten Form weiterhin möglich ist, solange an Sonn- und Feiertagen mindestens eine Messe in der von der Synode beschlossenen Form gefeiert wird. Hauptmerkmal der unterschiedlichen Formen ist die Zelebrationsrichtung: Während die Synoden-Form unter Rückgriff auf ältere Liturgien vorsieht, dass der Priester die Eucharistie ad orientem, also mit dem Rücken zum Volk zelebriert, wird die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil entstandene Form durchweg versus populum, also dem Volk zugewandt, gefeiert. Ein Großteil der katholischen Ostkirche hatte die von der Synode beschlossene Messform übernommen, doch vor allem im zentralen Großerzbistum Ernakulam- protestierten Kleriker und Laien dagegen.
Die syro-malabarische Kirche im Südwesten Indiens ist die größte der heutigen Kirchen und Gemeinschaften der Thomaschristen, die im 1. Jahrhundert durch den Apostel Thomas auf seinen Missionsreisen gegründet worden sein soll. Durch Verbindungen zur Assyrischen Kirche des Ostens feiert sie ihre Liturgie im ostsyrischen Ritus. Im Zuge der portugiesischen Kolonialisierung wurden die Thomaschristen zur Übernahme westlicher Formen und Hierarchien gezwungen und zerbrachen in mehrere Kirchen. (fxn)
