Tausende Roma und Sinti pilgern zu Papst Franziskus

"Entsprecht nicht dem Klischee"

Veröffentlicht am 26.10.2015 um 18:09 Uhr – Von Christoph Schmidt (KNA) – Lesedauer: 
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Vor 50 Jahren begab sich Papst Paul VI. unter die "Zigeuner" und versprach die Hilfe der Kirche. Zum Jubiläum kamen jetzt Tausende Sinti und Roma in den Vatikan. Papst Franziskus gab ihnen auch mahnende Worte mit auf den Weg.

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Die Zeit des Rassismus, der Vorurteile und der Diskriminierungen gegen Sinti und Roma müsse vorbei sein, forderte er und erntete dafür in der Audienzhalle viel Beifall. Die beiden Volksgruppen dürften nicht ausgegrenzt werden, seien aber besonders stark von Arbeitslosigkeit betroffen. Viele litten unter Armut, Drogenelend und besonders die Mädchen und Frauen unter dem Unrecht des Menschenhandels.

Allerdings nahm Franziskus, der im Februar ein Romalager am Rand der italienischen Hauptstadt besucht hatte, die Zuhörer in Sachen Klischees auch ins Gebet: "Gebt den Medien und der öffentlichen Meinung keinen Anlass, schlecht über euch zu reden." Wichtig sei, dass Eltern ihre Kinder in die Schule schickten; den geringen Bildungsstand vieler Sinti und Roma bezeichnete der Papst als das Haupthindernis auf dem Weg in den Arbeitsmarkt.

Lange keine leichte Beziehung

Kirche und "Zigeuner" - das war lange keine leichte Beziehung. Der freie, unkonventionelle Lebensstil des fahrenden Volks erregte Misstrauen beim Klerus. Die Reisenden ließen ihre Kinder zwar taufen und schickten sie zur Erstkommunion, doch andere Sakramente wie Firmung, Buße oder kirchliche Ehe sparten sich viele.

Gegen ihre Diskriminierung unternahm die Kirche oft wenig, auch in der Zeit des Holocaust, als die Nazis schätzungsweise eine halbe Million Sinti und Roma ermordeten. Papst Johannes Paul II. bat sie deshalb im Jahr 2000 um Vergebung für die Sünden, die Katholiken an ihnen begangen hätten, und meinte damit wohl auch die Unterlassungssünden.

Bild: ©KNA

Der selige Papst Paul VI. schlug vor 50 Jahren ein neues Kapitel im Verhältnis des Vatikan zu sogenannten Zigeunern auf.

Schon 30 Jahre zuvor hatte Paul VI. mit dem Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs sozusagen ein Vatikan-Ministerium für die Sinti und Roma geschaffen. Regelmäßig organisiert die Behörde Weltkongresse über die pastorale Arbeit mit Sinti und Roma.

Die früheren Vorbehalte vonseiten der Kirche verhinderten nicht, dass unter ihnen eine tiefe Frömmigkeit sehr verbreitet ist. Viele Besucher in der Audienzhalle hatten Heiligenbilder, Marienfiguren und Rosenkränze im Gepäck, um sie vom Papst segnen zu lassen. Franziskus erinnerte auch an den Seligen Ceferino Gimenez Malla (1861-1936), einen Rom und Franziskanerpater, der im spanischen Bürgerkrieg von den Kommunisten erschossen wurde

Viele ihrer Volksgenossen strebten in die katholischen Orden oder wollten Priester werden, stellte Franziskus fest. Er rief seine Gäste auf, überzeugte Christen zu sein und die Menschen am Rand nicht im Stich zu lassen.

Nur noch wenige "fahrende Zigeuner"

Mira aus der Nähe von Toulouse weiß, was der Papst damit meinen könnte. "Es ist doch so, dass es auch bei uns Roma ganz große Einkommensunterschiede gibt. Es gibt Multimillionäre und Müllkippenbewohner. Aber für viele Reiche zählt nur die eigene Familie." Sie selbst ist sesshaft aufgewachsen; "fahrende Zigeuner", die das ganze Jahr unterwegs sind, kennt die 45-Jährige nur noch wenige. "Wir wollen einfach nur in die Gesellschaft integriert sein wie jeder andere und unser Auskommen haben."

Ihr Mann Jacques ist froh, dass er Franziskus aus nächster Nähe mit dem Handy fotografieren konnte. Das Bild will er an die Wand hängen. Auch die Rede des Papstes hat ihn beeindruckt. "Es war gut, dass er sagte 'Ihr habt die Zukunft selbst in der Hand' und 'Ohne Schule geht es nicht'." Die Probleme vieler Roma und Sinti lägen nicht nur bei den Mehrheitsgesellschaften. Trotzdem machten die es ihnen in ganz Europa schwer. Dagegen predigte vor 50 Jahren auch Paul VI. an und forderte "Respekt vor ihrem eigentlichen Lebensrhythmus, den man nicht über Gebühr belasten darf".

Von Christoph Schmidt (KNA)