Tag 22: Auf dem Heimweg
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Was bleibt? Bei einer Abendrunde sagte ein Freund: In vierzig Jahren werden wir sagen - damals hat's angefangen, das war der Beginn von etwas Neuem und Großem. Meint er es ernst? Über die Weinflaschen hinweg bin ich mir nicht ganz sicher. Nun, das Urteil wird die Geschichte sprechen, und auf seine Weise Gott selbst.
Was bleibt für mich nach diesen drei Wochen im Ausnahmezustand? Neue Bekanntschaften: Kardinal Wuerl von Washington, mit hohem Kragen und stets makellosem Haupthaar, der mit viel Erfahrung und Takt unserer Kleingruppe immer wieder kluge Impulse gegeben hat. Pfarrer Scarabattoli, der mit seiner lebhaften Gutmütigkeit die ganze Synode geerdet hat und jedes Mal strahlte, wenn er den "Frate", den Klosterbruder sah. Bischof Thornton, ein Anglikaner, der als Gast auch die langweiligsten Sitzungen geduldig ertrug, wobei ihm der englische Schalk aus den Augen blitzte. Er freut sich auf meinen Besuch in Cornwall, hat er gesagt, und scheint es wirklich zu meinen. Der hünenhafte Kardinal Schönborn, der mehr als einmal angespannte Situationen mit Wiener Charme zum guten Ende geführt hat, so dass man ihn wohl zu einem Hauptverantwortlichen fürs Gelingen der Synode machen muss. Und so weiter.
Packende Szenen und Sätze, die im Hals stecken bleiben
In Erinnerung bleiben auch packende Szenen. Als der Papst am Morgen des zweiten Tag das Wort ergriff und etwas nuschelnd sagte: "Ich will ein paar Dinge klarstellen", da ging der Synodenaufstand vom Vorabend zu Ende, ehe man ein Paternoster sagen konnte. Manchmal war es unabsichtlich lustig: "Europa ist am Ende. Also gut!" als Kommentar zu einem Technikfehler. Manche Sätze blieben einem auch im Hals stecken: Die Nazi-Vergleiche Kardinal Sarahs, oder das Wort vom Rauch Satans in der Aula.
Der Synodenblog
Abtpräses Jeremias Schröder OSB von St. Ottilien hat an der Familiensynode im Vatikan teilgenommen. Für katholisch.de hat er in den drei Wochen der Synode regelmäßig direkt aus der Synodenaula berichtet.Das stärkste Bild der ganzen Synode brachte ein lateinamerikanischer Bischof, der von einer Erstkommunion in seiner Diözese erzählte. Ein Junge, der sich all das, was man über die Eucharistie in der Kommunionvorbereitung lernt, wirklich zu Herzen genommen hatte, empfing die heilige Hostie und brach sie auf dem Weg zurück ins Kirchenschiff in drei Teile, um auch seinen Eltern davon zu geben, die in der Bank geblieben waren, weil sie nicht zur Kommunion gehen durften.
Immer wieder präsent war das Drama im Nahen Osten. "Islamischer Staat", Bürgerkrieg, Flüchtlingselend, tödliche Bedrohung der alten Christenheit. Unter uns saßen etliche Kandidaten fürs Martyrium. Bei den Pressekonferenzen hat das leider niemanden interessiert.
Spürbare Spannung zwischen globalisierter Weltkirche und regionaler Verschiedenheit
Es war nicht immer ganz friedlich, und der Papst sagte am letzten Tag der Synode, dass der gewünschte Freimut manchmal auch in nicht ganz wohlmeinender Weise gebraucht worden sei. Im Nachgang haben jetzt schon die Deutungsversuche begonnen. Kardinal Pell erklärt, dass die Synode gewollt habe, dass alles so bleibt, wie es bisher war. Dass das nicht ganz stimmt, konnte man auch daran erkennen, dass es gegen einige Absätze doch spürbaren Widerstand gab, bis fast zu einem Drittel der Synodalen. Haben die gegen Abschnitte gestimmt, die alles belassen wollten wie bisher? Wohl kaum. Die abschließende Deutung liegt glücklicherweise beim Papst, der sehr genau weiß, was für ein Papier er da bekommen hat. "Freie Hand für den Heiligen Vater", war das dazu oft gehörte Wort.
Bei der Synode ging es ja nicht nur um Ehe und Familie. "Die Zukunft der Kirche wird hier verhandelt", sagte einer. Ging es um Kirche und Modernität? Das war meine erste Vermutung. Aber inzwischen glaube ich, dass das große Überthema der Synode eigentlich die Spannung zwischen globalisierter Weltkirche und regionaler Verschiedenheit ist. Der Papst hat in seiner Schlussansprache deutlich darauf hingewiesen: "Was für den Bischof von einem Kontinent normal ist, wirkt auf den von einem anderen seltsam, vielleicht sogar skandalös. Was an einem Ort eine Menschenrechtsverletzung ist, ist anderswo offensichtliches und unantastbares Gebot. Gewissensfreiheit für die einen ist für andere nur Unordnung. Die Kulturen sind wirklich sehr verschieden voneinander, und jedes allgemeine Prinzip muss inkulturiert werden, damit es angewendet werden kann."
Themenseite: Familiensynode
Vom 4. bis 25. Oktober 2015 trat die XIV. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode unter dem Thema "Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute" zusammen. Die Themenseite bündelt die Berichterstattung von katholisch.de zur Synode.Diese Inkulturation machte er dann wieder zum Thema: Unsere Werte und unsere Prinzipien müssen tief in die jeweilige Kultur hineingetragen werden und dort Gestalt annehmen. Dann ertragen wir auch die Verschiedenheit und müssen nicht mehr "wie der ältere Bruder" aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn voller Neid oder Misstrauen auf die anderen blicken.
Das Wort "Kirche" hat einen reicheren Klang bekommen
Ich denke an unsere weltweite Klosterfamilie. Unsere Klöster leben sehr unterschiedlich. Da, wo der Wesenskern des Mönchtums angekommen ist, gibt es tiefe Einheit, obwohl sich die äußeren Formen sehr unterscheiden. Aber da, wo ein entscheidender Wert - zum Beispiel persönliche Besitzlosigkeit - nur als Lippenbekenntnis formuliert wird und nicht wirklich in die Tiefe der Lebenswirklichkeit dringt, da zerbricht die Einheit, selbst wenn als Lippenbekenntnis genau das nachgebetet wird, was man anderswo gerne hören möchte.
Der Blick aus dem Flugzeugfenster aufs Voralpenland ist so atemberaubend schön, dass ich die Zeitung weglege und nur noch schaue und dankbar staune.
Nach drei Wochen in Rom schieben sich die hiesigen Themen und Aufgaben langsam wieder über das Synodenerlebnis. Der Papst hat gesagt "das Wort Familie wird für uns in Zukunft einen anderen Klang haben". Für mich hat in diesen drei Wochen auch das Wort "Kirche" einen reicheren Klang angenommen. Neue Unter- und Oberstimmen sind dazugekommen, Befremdendes und Bereicherndes. Ich bin wieder daheim, aber doch etwas verwandelt, vielleicht sogar ansatzweise "bekehrt", in der vollmundigen Sprache der Synode.
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Heute geht dieser Blog zu Ende. Als katholisch.de mich gefragt hat, ob ich dazu bereit wäre, da wusste ich noch nicht, was daraus wird. Gefreut haben mich das positive Echo aus der Redaktion und die vielen Zuschriften von Freunden, Bekannten und Fremden, die ich in diesen 20 Tagen bekommen habe. Für all das sage ich ein herzliches Vergelt's Gott. Für mich selbst war der aus dieser Selbstverpflichtung erwachsende sanfte Druck eine gute Hilfe: ich musste der Synode wacher und aufmerksamer folgen, zugleich mit dem Innenblick des Teilnehmers und dem Außenblick des Betrachters. Das macht nicht schizophren, eher im Gegenteil: es bewahrt vor Tunnelblick und Nabelschau.