Vor 40 Jahren ging die Würzburger Synode zu Ende

Nicht nur reden - gemeinsam entscheiden

Veröffentlicht am 23.11.2015 um 00:01 Uhr – Von Christoph Renzikowski (KNA)  – Lesedauer: 
Blick in den Synodensaal in Würzburg 1974.
Bild: © KNA
Geschichte

Würzburg ‐ Vor 40 Jahren flogen in der Kirche die Fetzen. Nach fünf Jahren heftiger Debatten endete am 23. November 1975 die Synode der westdeutschen Bistümer in Würzburg. Es gab viele Veränderungen, die bis heute die Struktur und Seelsorge der Kirche prägen.

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Ende November jährt sich ein historisches Ereignis der deutschen Kirchengeschichte zum 40. Mal: das Ende der Synode der westdeutschen Bistümer in Würzburg. Manche ihrer 18 Beschlüsse und 6 Arbeitspapiere veränderten das kirchliche Leben in der Bundesrepublik grundlegend, etwa Jugendarbeit und Religionsunterricht. Und über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen stritten die Teilnehmer auch damals schon.

In mehreren Runden versammelten sich 300 Abgesandte aus allen westdeutschen Bistümern seit 1971 im Kiliansdom - Bischöfe und Laien, Ordensleute, Professoren und Studentinnen. Es blieb nicht beim unverbindlichen Meinungsaustausch. Es gab gemeinsame Beschlüsse. Wobei jede Stimme gleiches Gewicht besaß.

Aufbruchstimmung mit revolutionären Tönen

Zur Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) ließen sich die deutschen Bischöfe auf ein neues Verfahren ein, das stark von parlamentarischen Gepflogenheiten geprägt war. Wollten sie eine Abstimmung verhindern, mussten sie vorher ein Veto einlegen. Möglich gemacht hatte dies Papst Paul VI. Er genehmigte die Geschäftsordnung der Synode, obwohl dies vom damaligen Kirchenrecht abwich. Doch so viel Mitbestimmung von Nicht-Klerikern blieb eine Ausnahme, die bis heute bei katholischen Synoden nicht mehr praktiziert wurde.

Panorama von Würzburg mit dem Kiliansdom im Mittelpunkt.
Bild: ©mojolo/Fotolia.com

Panorama von Würzburg mit dem Kiliansdom im Mittelpunkt: In dem Gotteshaus versammelten sich die 300 Abgesandten.

Der Wind des Wandels wehte damals durch die Kirche. In die allgemeine Aufbruchstimmung mischten sich unter dem Eindruck der 68er auch revolutionäre Töne. In der Studentenschaft gab es Aktionskreise, die sich "Katholische Gesellschaft für Demokratie und Kirche" nannten oder "Kritischer Katholizismus", Vorläufer der "Kirche von unten" und von "Wir sind Kirche".

Heftige Diskussionen entzündeten sich an der 1968 erschienenen Enzyklika "Humanae Vitae". Paul VI. hatte sich darin unter anderem für ein Verbot künstlicher Verhütungsmittel ausgesprochen - gegen die vom damaligen Münchner Kardinal Julius Döpfner angeführte Mehrheit seiner Berater. Die deutschen Bischöfe reagierten mit der "Königsteiner Erklärung", die den Vorrang des Gewissens der Eltern bei der Familienplanung betont.

In dieser aufgeheizten Situation gelang es der Synode, trotz bisweilen harter Gegensätze ein Auseinanderdriften der Kirche in Deutschland zu verhindern. "Wir wurden zu einem Prozess gezwungen, dem wir einen neuen Stil des Miteinander-Redens und Miteinander-Umgehens zwischen Bischöfen, Priestern und Laien verdanken, und den möchten wir nicht mehr missen", resümierte Synodenpräsident Döpfner. "Wir haben gelernt, miteinander zu streiten, ohne uns zu zerstreiten."

Julius Döpfner steht an einem Pult und hält eine Rede.
Bild: ©KNA

Kardinal Julius Döpfner während der Würzburger Synode 1975.

Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken vereinbarten eine enge Zusammenarbeit. Die Mitverantwortung aller Getauften für die Kirche wurde betont. Die Pfarrgemeinden sollten ihr Versorgungsdenken aufgeben und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Ein neuer Seelsorgeberuf, der des Pastoralreferenten, wurde aus der Taufe gehoben, dazu das spezifisch deutsche System der Diözesanräte. Mancher Reformvorschlag wanderte aber auch in die Schublade.

Gibt Franziskus den Ortskirchen mehr Verantwortung?

Vor wenigen Wochen endete ebenfalls in Würzburg ein weiterer mehrjähriger Gesprächsprozess zwischen Bischöfen und Laien. Er war nach dem Missbrauchsskandal des Jahres 2010 angestoßen worden, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Das Resümee der meisten Teilnehmer ähnelte sehr stark dem von Döpfner 1975. Es gab Forderungen nach einer neuen deutschen Synode. Letztlich setzte sich aber die Ansicht durch, dass dafür jetzt nicht der rechte Zeitpunkt sei.

Das könnte sich aber auch wieder ändern. Papst Franziskus zeigt sich entschlossen, im Zuge seines Dezentralisierungskurses den Ortskirchen mehr Verantwortung zu geben. Möglicherweise wird er dies schon in seiner Botschaft zur Weltbischofssynode zu Ehe und Familie konkretisieren, die in Kürze erwartet wird. Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist heute wie damals übrigens der Münchner Erzbischof.

Von Christoph Renzikowski (KNA)

Stichwort: Würzburger Synode

Die Würzburger Synode (1971-1975) wollte die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) für Deutschland umsetzen. Angeregt vom Essener Katholikentag 1968 versammelten sich zum ersten Mal Vertreter aller Bistümer der damaligen Bundesrepublik zu gemeinsamen Beratungen und Entscheidungen. Im Mittelpunkt stand das vom Konzil wieder entdeckte biblische Bild der Kirche als "Volk Gottes", das die Fixierung auf Kleriker überwinden helfen sollte. Die herausragende Persönlichkeit der Synode war ihr Präsident, der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Münchner Kardinal Julius Döpfner. An den acht Vollversammlungen nahmen 312 Personen teil, darunter 140 Laien, die meisten Teilnehmer waren gewählt. Entgegen dem geltenden Kirchenrecht hatte der Papst die Beteiligung der Laien an verbindlichen Beschlüssen gestattet. Einziges Privileg der Bischöfe war, dass sie vor den Abstimmungen ein Veto einlegen konnten. Aufgrund ihres Einspruchs kam es etwa zu keinem Votum der Synode zur Priesterweihe bewährter Männer (viri probati) - ein Thema, das damals heiß diskutiert wurde und auch heute noch für Debatten sorgt. Bis zu ihrem Abschluss am 23. November 1975 verabschiedete die Synode 18 Dokumente zu fast allen Bereichen des kirchlichen Lebens. (KNA)