Kehrt um!
Es war kein Zufall, dass der Papst seine Pläne nicht allein am Jahrestag seiner Wahl, sondern ausgerechnet während einer Bußfeier im Petersdom verriet. Denn von hier aus konnte er den Bogen leicht zum Kerngedanken des Heiligen Jahres schlagen. Und der lautet: Buße tun. Damit die Kirche "ihre Mission, Zeuge der Barmherzigkeit zu sein, noch überzeugender erfüllen kann", brauche sie zuerst eine "spirituelle Umkehr", sagte Franziskus damals. Das machte er kürzlich auch den deutschen Bischöfen bei ihrem Ad-Limina-Besuch im Vatikan deutlich. In seiner Rede beklagte der Pontifex, dass "die Beichte vielfach verschwunden" sei und das Jubeljahr deshalb die Gelegenheit biete, "das Sakrament der Buße und der Versöhnung wieder neu zu entdecken".
Starttermin bewusst gewählt
Was für die Ankündigung des Heiligen Jahres gilt, trifft ebenso auf dessen Starttermin zu: Er ist kein Zufall. Am 8. Dezember vor genau 50 Jahren endete das Zweite Vatikanische Konzil, bei dem die Synodenväter grundlegende innerkirchliche Reformen angestoßen hatten. Oder, um es mit den Worten von Franziskus zu sagen: bei dem "Mauern eingerissen wurden, die die Kirche allzu lange in einer privilegierten Festung eingeschlossen hatten". Das Heilige Jahr sei deshalb auch eine "Einladung, das mit dem Konzil begonnene Werk fortzusetzen". So ganz hat es mit dem 8. Dezember nun aber nicht geklappt. Denn der Papst öffnete bereits bei seinem Besuch in Zentralafrika vor wenigen Tagen die Heilige Pforte der Kathedrale von Bangui. Seine Einladung gilt aber weiterhin.
Ob in Rom oder Bangui: Wie sieht nun die vom Papst geforderte Umkehr in der Praxis aus? Um das zu verstehen, muss man zunächst die Lehre der Kirche zur Sünde kennen: Wer etwas Unrechtes tut, der lädt nach katholischem Verständnis Schuld auf sich. Dabei unterscheidet die Kirche – je nach Schwere der Schuld – zwischen zeitlichen und ewigen Sündenstrafen. Während die ewigen durch das Bußsakrament, also die Beichte, getilgt werden, müssen die zeitlichen Sündenstrafen entweder im "Fegefeuer" oder aber in diesem Leben abgebüßt werden. Das gelingt zum Beispiel durch bestimmte Wallfahrten oder Gebete, für die die Kirche einen Ablass gewährt.
Im Heiligen Jahr steht nun der sogenannte Jubiläumsablass im Mittelpunkt. Gläubige erhalten ihn, wenn sie eine Heilige Pforte durchschreiten. Diese speziellen Türen waren ursprünglich nur in den vier römischen Papstbasiliken vorgesehen. Doch ist es in der mehr als 700 Jahre alten Geschichte des Jubeljahres belegt, dass der Ablass von Beginn an auch in allen anderen Bischofskirchen weltweit gewährt wurde. Der Papst weitet diese Tradition nun auch auf Wallfahrtskirchen aus. Außerdem dürfen Ortsbischöfe weitere Kirchen in ihren Bistümern bestimmten, in denen Gläubige den Ablass erhalten können.
Eingang zur Suppenküche als Heilige Pforte
Darüber hinaus habe der Papst die Frage des "Wo" erweitert, in dem er im Heiligen Jahr "spezifische Gruppen in den Blick nimmt", sagte Christoph Oly katholisch.de. Der Trierer Kirchenrechtler bezog sich damit auf ein Schreiben, das Franziskus Anfang September an den Organisator des Heiligen Jahres, Kurienerzbischof Rino Fisichella, gerichtet hatte. Darin verfügte der Pontifex unter anderem, dass Gefangene "in den Gefängniskapellen und jedes Mal, wenn sie durch die Tür ihrer Zelle gehen" einen Ablass erhalten könnten. Auch der Eingang einer Suppenküche am Bahnhof in Rom wird zur Heiligen Pforte.
Themenseite: Heiliges Jahr
Papst Franziskus hat am 13. März 2015 die Feier eines außerordentlichen Heiligen Jahres angekündigt. Dieses "Jubiläum der Barmherzigkeit" beginnt mit der Öffnung der Heiligen Pforte im Petersdom am 8. Dezember 2015, dem Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens, und endet am 20. November 2016 mit dem Christkönigssonntag. Diese Themenseite bündelt die katholisch.de-Berichterstattung zum Heiligen Jahr.In seinem Brief erinnerte Franziskus aber daran, dass das Durchschreiten einer Pforte allein nicht reicht. Der Moment müsse "vor allem mit dem Sakrament der Versöhnung und der Feier der heiligen Eucharistie einschließlich einer Reflexion über die Barmherzigkeit verbunden" sein. In der Konsequenz heißt das: Für einen vollkommenen Ablass braucht es die Heilige Pforte, die Beichte und die Teilnahme an der Eucharistie. Alte und Kranke sollen den Jubiläumsablass nach Wunsch des Papstes dagegen auch ohne das Durchschreiten einer Pforte erhalten, wenn sie nicht in der Lage seien zu pilgern.
Papst ernennt "Missionare der Barmherzigkeit"
Nicht die einzige Ausnahme, die das Kirchenoberhaupt für das Heilige Jahr definiert: So können alle Beichtväter Frauen, die eine Abtreibung vorgenommen haben, dauerhaft die Absolution erteilen. Im Normalfall braucht es dafür die Zustimmung des Ortsbischofs. Gläubige können darüber hinaus das Sakrament der Buße von Priestern der Piusbruderschaft gültig und erlaubt empfangen. Und schließlich ernannte der Papst "Missionare der Barmherzigkeit". Laut Franziskus sind das "Priester, denen ich die Vollmacht geben werde, auch von den Sünden loszusprechen, die normalerweise dem Apostolischen Stuhl vorbehalten sind".
Franziskus tut also alles dafür, um das "Evangelium der Barmherzigkeit allen Menschen zu bringen", wie er sagt. Dabei verwendet der Papst jedoch einen Begriff, der für die wenigsten Menschen heute noch greifbar ist. Die "Barmherzigkeit" beschreibt die liebende und bedingungslose Hingabe Gottes zu seinen Geschöpfen. Sie ist neben der Heiligkeit und der Gerechtigkeit Gottes sein zentrales Wesensmerkmal. "Gott verdammt den umkehrwilligen Menschen nicht, auch nicht, wenn er große Fehler begeht", sagt der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper über die Barmherzigkeit.
Da ist es wieder. Das Wort Umkehr. Gott kann dem Menschen in seiner Barmherzigkeit also jede Sünde verzeihen. Allerdings muss der Gläubige sich selbst bekehren und seine Sünden bereuen. Während des Heiligen Jahres wird es das überall auf der Welt möglich sein. Schätzungen des Vatikans zufolge werden aber dennoch mindestens 33 Millionen Menschen nach Rom pilgern. In Deutschland machen die einzelnen Diözesen zahlreiche zusätzliche Angebote: Neben Pilgerfahrten in die Ewige Stadt gibt es auch solche zu deutschen Wallfahrtsorten. Hinzu kommen spezielle Gottesdienste, geistliche Gespräche, Gebetsstunden oder Exerzitien, die sich mit der Barmherzigkeit beschäftigen.
Und weil sich alles um dieses Thema dreht, nennt der Papst sein Heiliges Jahr auch "Jubiläum der Barmherzigkeit". Der Ruf nach Barmherzigkeit sei aber "keine Strategie" seines Pontifikats, betonte er vor wenigen Tagen noch einmal. Nein, die heutige Welt bedürfe vielmehr dringend des Mitleids und Mitgefühls. "Wir haben uns an die schlechten und grausamen Nachrichten gewöhnt und an die Gräueltaten, die den Namen und das Leben Gottes beleidigen", sagte Franziskus. Dem will er ab Dienstag entgegenwirken.