Kirchenhistoriker über Papst Franziskus, Reformen und die Rolle der Frau

Wolf: Konzil von Trient kein absoluter Maßstab

Veröffentlicht am 16.12.2015 um 11:00 Uhr – Lesedauer: 
Geschichte

Münster ‐ Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf begrüßt den Reformkurs von Papst Franziskus, fordert aber konkrete Festlegungen. Dabei betont er, dass das Argument "Es war schon immer so" in der Kirche in den seltensten Fällen richtig sei.

  • Teilen:

Wolf fürchtet zudem, dass das Kirchenoberhaupt sich "ein wenig selbst geschwächt" habe, indem Franziskus mehrfach über seine kurze Amtszeit und seinen nahen Tod spekuliert habe. "Ein Papst, der schon früh öffentlich über seinen möglichen Rücktritt nachdenkt, stärkt seine Autorität nicht gerade." Wolf, der Standardwerke zur Kirchengeschichte geschrieben hat, verwies darauf, dass Franziskus offenbar mehr Kompetenzen auf die Ebene der Bischofskonferenzen übertragen wolle und mehr auf Gewissensentscheidungen setze.

"Franziskus scheint das von der katholischen Kirche erfundene Prinzip der Subsidiarität endlich auch in der Kirche umsetzen zu wollen", sagte der Historiker. "Aber er darf das nicht nur in öffentlichen Äußerungen andeuten, sondern muss genau definieren, was er will." Nach Wolfs Einschätzung funktionieren Reformen in der Kirche nur, wenn der Papst auch die Kurie mitnimmt. Das geschehe aber nicht. "Dass er seinen Mitarbeitern in der Fastenzeit geistigen Alzheimer vorgeworfen hat, ist doch harter Tobak und nicht gerade motivierend", sagte der Historiker. "Eigentlich müsste er konsequent blockierende Kurienmitarbeiter entlassen. Auch davon sehe ich nichts."

Hubert Wolf im Porträt
Bild: ©KNA

Hubert Wolf ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster.

Aufgabe des Kirchenhistorikers ist es nach Darstellung von Wolf, zu zeigen, dass das Argument "Es war schon immer so" in der Kirche in den seltensten Fällen richtig ist. Die Kirche könne nicht gegen ihre Tradition reformiert werden und alles über den Haufen werfen. Aber: "Die Tradition der Kirche ist kein einzementiertes Rinnsal, sondern ein reißender Fluss mit vielen Neben- und Umwegen. Der Historiker kann die unterschiedlichen Optionen auf den Tisch legen."

Wolf nannte die Rolle der Frauen in der Kirche als Beispiel. "Vom 12. bis zum 19. Jahrhundert konnten Äbtissinnen in Frauenklöstern juristisch agieren wie ein Bischof." Sie hätten Pfarrer eingesetzt, die Erlaubnis für Eheschließungen gegeben und in der Messe gepredigt. Erst im 20. Jahrhundert seien aus dem Ritus der Äbtissinnenweihe peinlichst alle Elemente eliminiert worden, die auch nur entfernt an die Bischofsweihe erinnerten. "Für uns heute heißt es, dass die Frage nach dem Zugang von Frauen zu den Ämtern keineswegs so klar ist, wie in der Kirchenleitung gern getan wird. Es gäbe durchaus Alternativen", sagt Wolf.

Wolf: Tridentinum oft falsch gedeutet

Das Konzil von Trient (1547-1563) wird laut Wolf in der Diskussion zu Unrecht als absoluter Maßstab angeführt. "Die Traditionalisten tun immer so, als wären die tridentinische Messe, das tridentinische Bischofsideal und das tridentinische Priesterseminar das Maß der Dinge", so der Historiker. Wenn man aber genau hinschaue, seien alle diese Dinge Erfindungen des 19. Jahrhunderts, die man dem Konzil nachträglich untergeschoben habe. "Das Konzil war also viel offener, als es heute dargestellt wird." (bod/KNA)