"Katalog der notwendigen Tugenden"
In Vorbereitung auf das Sakrament der Versöhnung hätten sich der Papst und seine Mitbrüder 2014 mit einigen Versuchungen und Krankheiten auseinandergesetzt, die "jeden Christen, jede Kurie, Gemeinschaft, Kongregation, Pfarrei und kirchliche Bewegung befallen können", so Franziskus. Es seien Krankheiten, die Vorbeugung, Überwachung, Pflege und in einigen Fällen leider schmerzhafte und langwierige Eingriffe erforderten. "Einige dieser Krankheiten sind im Laufe dieses Jahres aufgetreten; sie haben dem gesamten Leib nicht unerhebliche Schmerzen zugefügt und viele Menschen innerlich verletzt", sagte der Papst. Auch deshalb wolle er die notwendige Reform "mit Entschlossenheit, klarem Verstand und Tatkraft fortführen".
Die Krankheiten und sogar die Skandale könnten aber die Effizienz der Dienste nicht überdecken, "welche die Römische Kurie mühevoll mit Verantwortung, Engagement und Hingabe für den Papst und die ganze Kirche leistet, und das ist ein wirklicher Trost", sagte Franziskus. Überdies seien die Widerstände, die Mühen und das Fallen der Menschen und der Amtsträger auch Lektionen und Chancen zum Wachsen und niemals Anlass zur Entmutigung. Sie seien Gelegenheiten, sich "auf das Wesentliche zu besinnen".
Papst nennt 12 Tugenden für alle Mitarbeiter der Kirche
Um sich auf eben dieses Wesentliche besinnen zu können, legte Franziskus im Anschluss seinen "Katalog der notwendigen Tugenden" für diejenigen vor, "welche in der Kurie Dienst tun, und für alle, die ihre Weihe oder ihre Arbeit für die Kirche fruchtbar machen wollen". In seiner Aufzählung nennt er zwölf Eigenschaften, die sich an den Anfangsbuchstaben des Wortes "misericordia" (dt.: Barmherzigkeit) orientieren. Die reichen vom Missionsgeist über die Spiritualität und Menschlichkeit bis hin zu Ehrlichkeit und Unerschrockenheit. Franziskus forderte seine Mitarbeiter darüber hinaus zu Großherzigkeit, nüchternem Lebensstil und Rechtschaffenheit auf. Es sei nutzlos, heilige Pforten sämtlicher Bischofskirchen der Welt zu öffnen, "wenn die Tür unseres Herzens für die Liebe verschlossen" bleibe.
Dokumentation der Ansprache
Der Papst hat seine Weihnachtsansprache für die Kurie gehalten. Standen 2014 noch deren "Krankheiten" im Fokus, ging es nun um die Tugenden. Eines steht für Franziskus aber fest: Die Reform muss weitergehen. Lesen Sie seine Rede im Wortlaut.Offenbar mit Blick auf den jüngsten Skandal um die Veröffentlichung vertraulicher Dokumente aus dem Vatikan forderte Franziskus auch zur Achtung von Schweigepflicht und Vertraulichkeit auf. Derzeit müssen sich vor einem vatikanischen Gericht im sogenannten Vatileaks-2-Prozess fünf Beschuldigte wegen illegaler Verbreitung vertraulicher Unterlagen verantworten.
Barmherzigkeit sei kein flüchtiges Gefühl, "sondern sie ist die Synthese der Frohen Botschaft, die Wahl dessen, der die Gesinnung des 'Herzens Jesu' haben und ernstlich dem Herrn nachfolgen will", sagte das Kirchenoberhaupt zum Ende seiner Ansprache. Barmherzigkeit solle deshalb auch "unsere Schritte lenken, unsere Reformen inspirieren und unsere Entscheidungen erleuchten". Sie solle die Kirche lehren, "wann wir vorangehen und wann wir einen Schritt zurück tun müssen".
Papst bittet Angestellte um "Verzeihung für die Skandale"
Im Anschluss hat Franziskus beim traditionellen Weihnachtsempfang für die Bediensteten des Heiligen Stuhls um "Verzeihung für die Skandale" der jüngsten Zeit gebeten. Er rief dazu auf, für jene Menschen zu beten, die Verfehlungen begangen hätten, damit sie auf den rechten Weg zurückfinden.
Die Entschuldigung galt offensichtlich den Finanzskandalen und der neuerlichen "Vatileaks"-Affäre; näher ging Franziskus nicht darauf ein. Die Begegnung mit mehreren tausend Angestellten und deren Angehörigen fand in der vatikanischen Audienzhalle statt. Franziskus dankte allen Mitarbeitern, die oft im Stillen ihren Dienst leisteten, ihre Pflicht erfüllten und die Dinge so erledigten, wie es sich gehöre. Zudem rief er die Laien-Angestellten auf, sich ausreichend um ihre Familie zu kümmern und ihre Ehe zu pflegen. (bod/KNA)
21.12.2015, 13.50 Uhr: aktualisiert um den Weihnachtsempfang der Bediensteten