Ukrainische Nationalisten fordern Übergabe eines Gotteshauses

Streit um eine Kirche eskaliert

Veröffentlicht am 22.12.2015 um 11:45 Uhr – Lesedauer: 
Bild: © KNA
Ukraine

Kiew/Moskau ‐ In der Ukraine belagern Nationalisten eine orthodoxe Kirche und fordern deren Übergabe an das Kiewer Patriarchat. Dabei wurden Gläubige und ein Priester verletzt. Der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. und die russische Regierung protestierten.

  • Teilen:

Mit Stangen und Feuerwerkskörpern bewaffnete Mitglieder des nationalistischen "Rechten Sektors" hätten mehrere Gläubige und einen Priester verletzt, hieß es. Der örtliche Metropolit Bartholomaios nannte den Überfall einen "wahren Pogrom". Er appellierte an Staatspräsident Petro Poroschenko, die Gläubigen und Priester seiner Kirche gegen Übergriffe von Radikalen zu schützen. Auch der orthodoxe Moskauer Patriarch Kyrill I. und die russische Regierung protestierten. Das Kirchenoberhaupt sprach in Moskau von einem "Albtraum" für seine ukrainischen Glaubensbrüder und rief zum Gebet für sie auf.

Der Menschenrechtsbeauftragte des russischen Außenministeriums, Konstantin Dolgow, forderte eine "entschlossene Reaktion" der Vereinten Nationen, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates. In der Ukraine werde die Religionsfreiheit massiv verletzt.

Orthodoxe Kirchen des Moskauer und Kiewer Patriarchats verfeindet

In der Ukraine stehen sich die orthodoxen Kirchen des Moskauer und Kiewer Patriarchats seit Jahren feindselig gegenüber. Letztere wurde 1992 gegründet, wenige Monate nach der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine. Beide Kirchen unterscheidet vor allem ihre Haltung zum Nachbarland Russland. Das Kiewer Patriarchat betrachtet das Moskauer Patriarchat als verlängerten Arm von Russlands Staatspräsident Wladimir Putin, was dieses vehement zurückweist. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats genießt eine weitreichende Autonomie, gründet eigenständig Eparchien (Diözesen), wählt selbst ihre Bischöfe und ist finanziell unabhängig von Moskau.

Ein Berufungsgericht hatte Anfang Dezember bestätigt, dass die Kirche in Pitschja dem Moskauer Patriarchat gehört. Die ukrainischen Nationalisten werfen der Kirche vor, "unpatriotisch" zu sein. Ein Sprecher des Kiewer Patriarchats hatte vor zwei Wochen mitgeteilt, dass in diesem Jahr rund 50 ukrainische Pfarreien mit dem Moskauer Patriarchat gebrochen und sich der von Russland unabhängigen Kirche angeschlossen hätten. Die moskautreue ukrainische Kirche erklärte hingegen, ihr seien etwa 30 Kirchen gewaltsam geraubt worden.

Rund 70 Prozent der 45 Millionen Ukrainer bekennen sich zum orthodoxen Christentum. Umfragen zufolge gehören etwas mehr Bürger des Landes zum Kiewer als zum Moskauer Patriarchat. Die Konfessionen machen selbst keine genauen Angaben über ihre Mitgliederzahl. (KNA)