Gastbeitrag von Erzbischof Hans-Josef Becker zu Christi Himmelfahrt

"Ihr werdet meine Zeugen sein"

Veröffentlicht am 05.05.2016 um 00:01 Uhr – Von Hans-Josef Becker – Lesedauer: 
Christi Himmelfahrt

Paderborn ‐ Christi Himmelfahrt ist heute oft nur noch als Vatertag bekannt. Für den Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker ist dies eine traurige Entwicklung.

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"Männer, heut' ist euer Tag!" - Diese "frohe Botschaft" findet sich im aktuellen Werbeprospekt einer Supermarktkette. Und weiter kann man dort lesen: "Pünktlich zum Vatertag am 05.05.2016 gibt es für unsere Männer kein Halten mehr - sie nehmen sich eine Auszeit und ziehen mit Gleichgesinnten übers Land."

Allein dieser Blick in einen simplen Werbeprospekt zeigt: Aus dem Hochfest Christi Himmelfahrt ist in unserem Land der "Vatertag" geworden. Ein altes christliches Fest ist aus dem Bewusstsein des Normalbürgers verschwunden. Womöglich konnte man mit dem Inhalt nichts mehr anfangen und hat deshalb eine neue Begründung für einen arbeitsfreien Tag geschaffen? Doch trifft das nur für Christi Himmelfahrt zu? Wenn wir ehrlich sind, verhält es sich mit anderen Feiertagen ganz ähnlich - denken wir nur an Ostern und Pfingsten, Karfreitag und Fronleichnam. Ein freier Tag ist für viele willkommen, den Grund dafür kennen nur die wenigsten. Eine Ausnahme bildet da vielleicht das Weihnachtsfest - aber wie lange noch?

Man kann eine solche Entwicklung pessimistisch beklagen, man kann auch nach Schuldigen dafür suchen. Eine angemessene Reaktion auf diese Entwicklungen aus christlicher Sicht sieht jedoch - so meine ich - anders aus.

Linktipp: Viel mehr als nur Vatertag

Vielen Deutschen ist dieser Tag inzwischen vor allem als Vatertag bekannt. Männer ziehen von Kneipe zu Kneipe oder treffen sich zu Radtouren oder zum Kegeln. Dass dieser Tag aber seit den 30er Jahren in ganz Deutschland ein gesetzlicher Feiertag ist, liegt an einem christlichen Fest.

Diejenigen, für die Christi Himmelfahrt mehr als ein Tag des feucht-fröhlichen Miteinanders im Grünen ist, haben die Gelegenheit, in den Messfeiern eindrucksvolle Lesungen aus der Heiligen Schrift zu hören. Sie geben uns sozusagen die letzten Worte Jesu mit auf den Weg - jene Botschaft, die er kurz vor seiner Himmelfahrt zu seinen Jüngern gesprochen hat. Diese Worte könnten kaum aktueller sein: Sie reden nämlich vom Auftrag, den christlichen Glauben in einer glaubensfremden Umgebung zu verbreiten. Ganz konkret heißt das: Wer die Liebe Gottes an sich erfahren hat, darf diese Erfahrung nicht für sich behalten, sondern muss sie weitergeben, um auch anderen Menschen die Begegnung mit Gott zu ermöglichen.

Unsere Initiative ist gefragt: von der Hoffnung zu erzählen

"Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde" (Apg 1,8). Im Nachklang dieses Wortes aus der Apostelgeschichte, das auch als erste Lesung in den Christi-Himmelfahrts-Gottesdiensten vorgetragen wird, können wir uns fragen: Wie kann die von Jesus Christus geforderte Zeugenschaft in unserem Leben Wirklichkeit werden? Wie kann ich seinen Auftrag umsetzen? Ein allgemeines Rezept dazu gibt es wohl nicht. Höchstens erfahren wir - wiederum durch den Blick in die Bibel - wie Zeugenschaft gerade nicht gelingt: "Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?" (Apg 1,11) Wir dürfen nicht teilnahmslos dastehen und abwarten, bis sich von allein etwas tut. Unsere Initiative ist gefragt: von der Hoffnung, die uns erfüllt, zu erzählen. Und das sieht eben bei jedem Menschen anders aus.

Bild: ©KNA

Es ist uns zugesagt, dass der Herr uns dabei begleitet, wenn wir uns darum bemühen, die Frohe Botschaft in unseren Alltag zu übersetzen und anderen Menschen als Lebensgrundlage anzubieten, so der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker in seinem Gastbeitrag.

Ein paar aktuelle Beispiele aus ganz unterschiedlichen Kontexten - ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Ich denke an die vielen, die aus der Haltung der Nächstenliebe heraus einen Teil ihrer Freizeit opfern, um den in unser Land gekommenen Flüchtlingen ein besseres Leben zu bereiten. Ich denke an jene, die ihren Kindern oder Enkeln ganz bewusst die Grundbegriffe des Glaubens erzählen, erklären und vorleben, weil sie darin einen Schatz sehen, der sich weiterzugeben lohnt. Ich denke an Angehörige, die im Angesicht des Todes eines nahen Menschen bei aller Trauer Kraft schöpfen aus der Botschaft des leeren Grabes und dadurch auch Anderen Hoffnung geben.

Christi Himmelfahrt ist ein Fest, an dem es darum geht, den von Gott an uns gerichteten Auftrag immer wieder neu in unserem Leben umzusetzen. Der Herr selbst ist seit seiner Himmelfahrt nicht mehr in der Gestalt eines Menschen auf dieser Erde. Doch lässt er uns deshalb nicht allein: Seine Gegenwart dürfen wir auf andere Weise erfahren: in den Sakramenten, im Wort der Heiligen Schrift, in der zum Gebet versammelten Gemeinde - und in unserem Zeugnis in einer Gesellschaft, in der der christliche Glaube selten geworden ist.

Der Evangelist Matthäus schließt sein Evangelium mit wunderbaren Worten aus dem Mund Jesu: "Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28,20). Es ist uns zugesagt, dass der Herr uns dabei begleitet, wenn wir uns darum bemühen, die Frohe Botschaft in unseren Alltag zu übersetzen und anderen Menschen als Lebensgrundlage anzubieten. Und vielleicht zeigt sich schon bald eine konkrete Gelegenheit, diesem Auftrag nachzukommen. Dann beispielsweise, wenn man uns fragt: "Und - wie hast du gestern den Vatertag verbracht?"

Der Autor

Hans-Josef Becker (*1948) ist seit 2003 Erzbischof des Erzbistums Paderborn. Außerdem ist er Vorsitzender der Kommission "Erziehung und Schule" der Deutschen Bischofskonferenz sowie Mitglied der "Gemeinsamen Konferenz" der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Von Hans-Josef Becker