"Ein Wink Gottes mit dem Zaunpfahl"

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Frage: Warum sind Sie katholisch geworden?
Jasmin Drechsler: Ausgangspunkt war ein in Aussicht gestellter unbefristeter Vertrag bei einem kirchlichen Arbeitgeber. Wäre der nicht gewesen, hätte ich darüber vielleicht nie nachgedacht. So wurde ich darauf gestoßen. Durch den obligatorischen Orientierungskurs habe ich tatsächlich den Zugang gefunden. Das war der richtige Auftakt und ich bin mir mittlerweile meiner Entscheidung absolut sicher: Es ist ein Weg, der mir gut tut und von dem ich überzeugt bin. Das Gute in die Welt zu tragen, sehe ich sowieso als die Verpflichtung eines jeden Menschen an. Das Christsein hat dies für mich noch einmal konkretisiert und besiegelt.
Frage: Ihr Arbeitgeber ist evangelisch, doch Sie sind katholisch geworden. Warum?
Jasmin Drechsler: Ich kenne evangelische Gottesdienste, weil die Kirche in meinem Heimatdorf evangelisch ist. Mir persönlich liegt der Stil nicht, wie geglaubt wird. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass man dort mehr auf Entertainment ausgerichtet ist. Im Sinne von Mitgliederwerbung und dergleichen kann ich das verstehen. Aber ich brauche Weihrauch, Demut, den Kniefall, das inständige Gebet. Ich glaube außerdem, dass Glaube etwas mit der Kirche als Institution zu tun hat.
Frage: Wie rechtfertigten Sie damals die Entscheidung, sich für Ihren Arbeitgeber taufen zu lassen?
Jasmin Drechsler: Ich habe sehr, sehr lange mit mir gerungen und mich gefragt, ob ich nicht zu berechnend handele. Das war wirklich schlimm. Ich überlegte, ob ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann, dass ich mich mit diesem Schritt quasi verkaufe. Es war schwierig, aber ich habe mich auf dieses Ringen eingelassen. Im Laufe der Monate wurde ich dann aber sicher, dass der christliche Glaube tatsächlich mein Weg ist. So konnte ich meine Entscheidung im Familien- und Freundeskreis rechtfertigen.
Frage: Ab wann wandelte sich Ihre Einstellung?
Jasmin Drechsler: Von Kurssitzung zu Kurssitzung. Ich habe gemerkt: Das passt ja zu mir. Das war mir vorher gar nicht klar. Der katholische Glaube war für mich eher ein europäisches Kulturgut. Er war einfach da, hatte aber nichts mit mir zu tun. Ich habe nie weiter darüber nachgedacht. Dieses Stellenangebot des evangelischen Trägers war für mich ein Wink Gottes mit dem Zaunpfahl: "Setz dich damit auseinander!" Und ich sah: Was sich hinter dem Christentum an Werten und Einstellungen verbirgt, das war schon immer Teil meines Lebens und meiner Überzeugung gewesen.
Frage: Was ist dieses speziell Christliche?
Jasmin Drechsler: Es ist das besondere Menschenbild. Im Christentum geht es um eine Grundhaltung, die geprägt ist von Wertschätzung und bedingungsloser Liebe. Um das Signal: Ich schätze dich als Person, egal wie du dich verhältst, egal ob dein Verhalten meinen Bedürfnissen entspricht oder nicht. Das ist auch das, was wir als Christen leben und in die Welt tragen müssen.
Frage: Ist das denn ein besonderes christliches Merkmal?
Jasmin Drechsler: Ja, das ist es. Die ganze Bibel baut darauf auf. In Jesus ist es dann konkret geworden: die Liebe zu den Menschen, die Bereitschaft zu verzeihen, der ständige Neuanfang. Sehen Sie sich die Fußwaschung an: Wir sollen für den anderen in die Knie gehen, unabhängig von Konventionen. Das ist spezifisch christlich. Selbst wenn Jesus mal laut wird, verzeiht er. Und: Er nimmt immer einen Perspektivwechsel ein. Er versetzt sich in die Lage der anderen und versucht, in seiner Gemeinschaft Verständnis für deren Beweggründe herzustellen.
Linktipp: Die Eingangspforte zu den Sakramenten
Sie ist das grundlegende Sakrament der Christen: die Taufe. Doch worum geht es bei der Taufe eigentlich? Steckt das Sakrament vielleicht in der Krise, so wie es aktuelle Zahlen vermuten lassen? Katholisch.de gibt Antworten.Frage: Welche Rolle hat der Glaube vorher in ihrem Leben gespielt?
Jasmin Drechsler: Das ist eine spannende Frage. Ich bin in den neuen Bundesländern aufgewachsen, wo Religion während der DDR-Zeit keine Rolle spielen durfte. Als Christ war man damals von vielen Dingen ausgeschlossen oder wurde zumindest schief angesehen. Deswegen gab es zu dieser Zeit eine große Austrittswelle. Auch meine katholische Mutter trat aus der Kirche aus – zugunsten der Karriere meines Vaters in der Nationalen Volksarmee. Er ist Atheist. So war der Glaube bei uns nie Thema. Der einzige Zugang zu Religion war meine katholische Uroma. Sie war sehr gläubig und lebte das in dem Umfang, in dem es ihr möglich war. Sie betete, hatte ihr Gesangbuch, ihre Bibel, ihre Heiligenbildchen. Allerdings war das für meine Auseinandersetzung mit dem Glauben nicht ausschlaggebend.
Frage: Viele Neugetaufte stoßen auf Unverständnis und Widerstand bei Familie, Freunden und Bekannten. Wie war es bei Ihnen?
Jasmin Drechsler: Fast ausschließlich Ablehnung! Es gab kaum jemanden, der mich in irgendeiner Form bestärkte. Nur mein Chef hat mir geholfen. Wir haben ausgiebig über meine Entscheidung gesprochen. Meine Arbeitskollegen sagten zwar: "Mach das, damit wir dich behalten dürfen!" Aber nicht: "Mach das, weil das richtig ist." Im Bekanntenkreis rieten die, die sowieso nicht religiös sind, mir ganz klar ab. Entsetzt war ich aber darüber, dass selbst einige Katholiken dasselbe sagten. Sie sind offensichtlich wenig überzeugt von ihrem Glauben.
Frage: Was würden Sie denn diesen Menschen empfehlen, die mit Zweifeln zu tun haben, oder die in einer Sinnkrise stecken?
Jasmin Drechsler: Ganz allgemein würde ich sagen: "Geh mal wieder in den Gottesdienst!" Der gibt Kraft, auch wenn in der Predigt manchmal vielleicht nicht gerade das Thema drankommt, das mich in meiner Lebensphase betrifft. Wir müssen irgendwie aber auch die erreichen, die sich nicht für Glauben und Kirche interessieren, weil ihnen in ihrem Leben scheinbar nichts fehlt. Ich persönlich mache mittlerweile privat und in meinem Umfeld sehr deutlich, was ich glaube. Das ist es auch, was ich meinen Studenten vermitteln möchte: das positive Menschenbild, die Wertschätzung des Anderen, die bedingungslose Liebe.

Großer Auszug bei der Feier der Erwachsenentaufe in St. Michael in München.
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Katholiken begleiten ihre Sakramente quasi von der Wiege bis ins Grab - oder von der Taufe bis zur Krankensalbung. Aber was ist ein Sakrament überhaupt? Und wie sind sie entstanden?Frage: Und wie hat ihre Familie auf Ihre Entscheidung, sich taufen zu lassen, reagiert?
Jasmin Drechsler: Bei meiner Familie war es am Anfang ähnlich schwierig: Meine Eltern reagierten mit Irritation und Ablehnung. Mein Vater kann mit dem Glauben bis heute nicht viel anfangen. Meine Mutter war ja ausgetreten und hatte sich nie wieder um dieses Thema gekümmert. Sie wurde schließlich aber sehr emotional und schenkte mir sogar ihren alten Rosenkranz. Meine katholische Oma war glücklich, befürchtete anfangs lediglich, ich würde den Schritt nur für meine Arbeitsstelle tun. Zur Taufe kam dann tatsächlich die ganze Familie. Mein Vater fotografierte sogar. Meine Schwester schenkte mir die Taufkerze. Für meine Oma aus Nordthüringen war es noch aus einem anderen Grund ein besonderes Ereignis: Meine Taufe in der Osternacht war ihr erster katholischer Gottesdienst seit über 30 Jahren.
Frage: Sie hatten wenig Unterstützung von außen. Was hat Ihnen Kraft gegeben, dabei zu bleiben?
Jasmin Drechsler: Die Auseinandersetzung hat mich im Grunde noch einmal bestärkt. Denn ich war gezwungen, mich mit dem Glauben tatsächlich intensiv zu beschäftigen – und am Ende stand meine Überzeugung, dass es das Richtige ist und zu mir passt.
Frage: Wie prägt Ihr Glaube heute Ihren Alltag und Ihr Berufsleben?
Jasmin Drechsler: Ich versuche, mich jeden Tag mit meiner Rolle als Christin auseinanderzusetzen und an meinem Verhalten zu arbeiten. In Situationen, wo ich mich ärgere oder wo ich Trauer empfinde, schaue ich mir die Metaebene an: "Was sagt das über mich aus?" Denn die Situation an sich ist vielleicht gar nicht so schlimm, aber mein Umgang damit könnte es sein. Das Andere ist das Beten. Dafür habe ich einen festen Ort mit einer Bibel, einem Kreuz und meiner Taufkerze. Ich bitte sowohl für die Menschen, die mir am Herzen liegen – zum Beispiel um Kraft und Hoffnung in ihrer speziellen Lebenssituation. Doch dann versuche ich auch, die Menschen in mein Gebet einzubeziehen, die es mir gerade schwermachen. In der Kommunikationswissenschaft sagt man: Um die, die du nicht leiden kannst, kümmere dich besonders. Das sollte im Gebet genauso gelten!