"Berlin hört auf sachliche Argumente"
Was hat sich verändert? Der gebürtige Rheinländer und Leiter des katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten spricht über den Umzug von Bonn an die Spree.
Frage: Prälat Jüsten, "Bonner Republik" und "Berliner Republik" sind zwei Schlagworte, die in den Medien immer wieder einmal auftauchen, zuletzt in der aktuellen Ausgabe der "Zeit" - was verbinden Sie mit diesen beiden Begriffen, wo gibt es Gegensätze, wo Kontinuitäten?
Jüsten: Wenn "Bonner Republik" das alte Westdeutschland vor der Wiedervereinigung bezeichnet, ist das Wort sicher sinnvoll. Aber zunächst einmal haben wir eine Bundesrepublik Deutschland. Ich glaube, die Zuschreibungen, die man unmittelbar nach dem Regierungsumzug gemacht hat, verflüchtigen sich.
Frage: Inwiefern unterscheidet sich Ihrer Einschätzung nach die Arbeit des katholischen Büros in Berlin zu den Zeiten in Bonn?
Jüsten: Entscheidend war und ist, dass man einen unkomplizierten menschlichen Kontakt zu den Politikerinnen und Politikern aufbaut und gehört wird, wenn man ein sachliches Argument vorzubringen hat. Das gelingt nach wie vor. Zu Bonner Zeiten wurde man schon allein gehört, weil man Kirche war. Heute muss die Kraft des Arguments zählen. Das finde ich aber gar nicht negativ. Das stärkt eigentlich die Kirche weil ihre Sendung viel mehr beachtet wird als nur ihr Werk.
Frage: Eine persönliches Wort zum Schluss: Worüber wundert sich der Rheinländer heute noch in Berlin?
Jüsten: Die berühmte Berliner Schnauze – das ist schon was anderes als der rheinische Humor. Im Rheinland macht man eher einen Witz über eine Situation, in Berlin kriegt der Betreffende selber eins auf die Mütze. Wenn man das zu nehmen weiß, kann man in dieser Stadt eigentlich wunderbar leben. Berlin ist eine großartige Stadt. Die Vielfalt, auch die religiöse, ist größer als man von außen mitunter meint. Von daher kann man als rheinischer Katholik im preußischen Berlin sehr gut klar kommen.