Joachim Valentin über das Verhältnis des Islam zu europäischen Verfassungen

Gleiche Standards für alle Religionen

Veröffentlicht am 29.07.2016 um 00:01 Uhr – Von Joachim Valentin – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Joachim Valentin über das Verhältnis des Islam zu europäischen Verfassungen

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Die Kette von Anschlägen in Deutschland, Frankreich und anderswo reißt nicht ab. Nach einem Putschversuch und dem darauf folgenden Staatsterror schlingert die Türkei am Rande der Destabilisierung und droht ihre inneren Verwerfungen zu unseren Mitbürgern türkischer Herkunft zu exportieren. Überall scheint es "der Islam" zu sein, der mit brutaler Gewalt auf den geregelten Alltag westeuropäischer Demokratien, also in deren Herz, durchgreift.

Nicht nur Katholiken schmerzt in besonderer Weise die jüngste kaltherzige Hinrichtung eines im Dialog engagierten ehrwürdigen Priesters in Saint-Etienne-du-Rouvray durch IS-Kämpfer. Unsere erste Reaktion ist Abscheu und Hass und sie gilt zu Recht den Tätern. Sie und ihre Taten nicht mehr in Bildern zu zeigen, wie dies gerade Le Monde entschieden hat, ist eine kluge Reaktion auf den kalkulierten Krieg der Bilder des IS.

Doch wir tun auch gut daran, den vom IS gewünschten Krieg "Muslime gegen (säkularisierte) Christen" noch auf andere Weise zu verweigern. Jede Aufforderung nun mit zweierlei Maß zu messen und "den Muslimen" oder "den Flüchtlingen" endlich mit archaischer Direktheit zu zeigen, "was eine Harke ist", läuft nicht nur ins Leere, sondern spielt dem Terrorstaat direkt in die Hände. Wie die RAF und anderer Linksterror kalkuliert man dort nämlich die Entsicherung "menschengemachter" Demokratien bewusst ein. Wo Lynchjustiz, Aussetzung der positiven Religionsfreiheit für Muslime und ein Ende der Hilfe für Flüchtlinge gefordert wird, findet letztlich eine heimliche Angleichung an die Fratze des "Feindes" statt.

Doch auch für die in Europa lebenden Muslime ist nun endgültig der status confessionis gekommen. Aber nicht eine weitere Distanzierung von oft nicht einmal religiös motivierten Einzeltaten ist zu fordern, sondern ein aus dem Islam begründetes offensives Bekenntnis zu den Inhalten der europäischen Verfassungen ohne Wenn und Aber. Wir wollen endlich hören, dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau, freie Wahlen und die Absage an herkünftigen Nationalismus Sache des Islam selber ist. Das kann wie im Fall des staatlich finanzierten türkischen Moscheeverbandes DiTiB schmerzliche Einschnitte bedeuten. Denn hier würde Erdogan im Falle der zu fordernden Selbständigkeit sofort den Geldhahn zudrehen.

Das Risiko muss man jedoch eingehen und durch eine seriöse Moscheesteuer nach deutschem Religionsverfassungsrecht abfedern. In der Türkei oder anderswo ausgebildete Imame und Funktionäre fallen ohnehin hinter die für die christlichen Kirchen erreichten Standards zurück. Hier geht schon seit hundert Jahren nichts ohne ein staatlich anerkanntes "Diplom" in Theologie. Ein solches wird aber bisher von muslimischen Gemeinden auch zum Leidwesen muslimischer Theologen wie Rauf Ceylan nicht anerkannt. Das darf nicht so bleiben, will man künftig sicherstellen, dass weder djihadistische noch türkisch-nationalistische Predigten unter dem Deckmantel der positiven Religionsfreiheit in deutschen Moscheen erschallen.

Der Autor

Joachim Valentin ist Direktor des katholischen Kultur- und Begegnungszentrums "Haus am Dom" in Frankfurt am Main und stellvertretender Vorsitzender des Frankfurter Rates der Religionen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.
Von Joachim Valentin