Bahnt dem Herrn einen Weg: Blumenteppiche zu Fronleichnam
"Es war wirklich nicht leicht zu akzeptieren", erinnert sich Andreas Steinhauser. Wochenlang hatte der Jugendliche zusammen mit vielen Gemeindemitgliedern Vorbereitungen getroffen. Stundenlang hatten sie die Blüten zu kunstvollen Bildern drapiert. "Und dann lief der Pfarrer da einfach drüber und das Motiv des Blumenteppichs verrutschte", sagt Steinhauser. Das habe schon etwas weh getan.
Heute ist Andreas Steinhauser Jugendseelsorger im niederbayerischen Landshut. Zusammen mit Jugendgruppen gestaltet er aber noch immer jedes Jahr einen Blumenteppich für die Fronleichnamsprozession. Seit seiner Jugend hat sich dabei allerdings einiges verändert: "Bei uns in Bayern haben die Menschen ihre Häuser früher mit roten Tüchern geschmückt, Birken aufgestellt oder die gelb-weißen Kirchenfahnen aufgehängt", erinnert er sich. Und Blumen lagen nicht nur vor den Stationsaltären. Der ganze Weg der Prozession war mit Grasschnitt und Blumen belegt, so dass der Priester mit der Monstranz nie den Boden betrat.
Die floralen Prachtstücke lagen allerdings vor den vier Altären, an denen die Fronleichnamsprozession Halt machte. Und mit denen sich auch der jugendliche Steinhauser so viel Mühe gab. Sie zeigten Szenen aus der Bibel oder Heilige und waren oft bekannten Gemälden nachempfunden. Dass Menschen zu Fronleichnam ihre Häuser festlich schmücken, wird heute immer seltener. In manchen Pfarreien gibt es sogar keine Blumenteppiche mehr. Dabei hat es sie in seiner Heimat gegeben, seit er sich erinnern kann, sagt Steinhauser.
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Wann diese Tradition entstand ist, lässt sich nicht genau sagen. Im Gegensatz zur Entstehung des Festes Fronleichnam selbst: Im Jahr 1209 soll die junge Augustinerin Juliana von Lüttich eine Vision gehabt haben, in der Christus ihr erklärte, dass im Kirchenkalender noch ein Fest zur Verehrung des Altarsakraments fehlt. Schon 1246 wurde das Fest in Lüttich begangen, seit dem 11. August 1264 ist es offizielles kirchliches Hochfest. Heute verbindet man mit Fronleichnam Prozessionen unter freiem Himmel, goldene Monstranzen und schwankende Baldachine. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil symbolisiert die Prozession die Kirche als wanderndes Gottesvolk.
Im Mittelalter wurden die Stationsaltäre von Kaufmannsgilden oder reichen Familien gestiftet – und mitunter prächtig verziert. Der Theologe Manfred Becker-Huberti vermutet, dass der Brauch, Blumen auf den Prozessionsweg zu streuen, im 15. Jahrhundert aus der Mittelmeerregion nach Deutschland importiert wurde. In der Zeit des Barock wurde das Arrangieren von Blüten zu Bildern dann insbesondere von den Orden gefördert. Nördlich der Alpen, wo aufgrund der kälteren Temperaturen deutlich weniger bunte Blumen wuchsen als im warmen Süden, war das Blumenteppichlegen ein Zeichen besonderer Verehrung für die Eucharistie. Die Fronleichnamsprozession in Landshut fiel früher besonders prächtig aus. Im Zuge der Aufklärung wurde sie deshalb verboten. Erst Ende des 19. Jahrhunderts, mit dem Wiedererwachen der Volksfrömmigkeit, legte man dort wieder Blumenteppiche.
In Landshut ist das Erstellen des Blumenteppichs schon immer das Refugium des Katholischen Frauenbundes oder der Landfrauen. Als Jugendseelsorger ist es Steinhauser aber auch wichtig, dass junge Menschen diese Tradition fortführen. "Blumenzupfen", das klingt im ersten Moment nicht so cool. Lassen sich die Jugendlichen denn überzeugen? "Man kann sie wirklich dafür begeistern. Die sind richtig stolz, wenn der Teppich fertig ist", sagt er.
Das Blumenteppichlegen sei eine kreative Möglichkeit für die Ministranten, Pfadfinder oder Kolpingjugendlichen, ihr Gruppengefühl zu stärken. Mit ganz einfachen Mitteln könnten sie so etwas für die Pfarrei tun. Da freut sich nicht nur der Pfarrer, sondern auch die Eltern und anderen Gemeindemitglieder. Häufig werde Jugendlichen ihr Gläubig-Sein abgesprochen, sagt Steinhauser. An Fronleichnam könnten sie so zeigen, dass sie katholisch sind.
Monatelange Vorbereitung
Die Vorbereitungen für einen Blütenteppich starten bereits zwei bis drei Monate vorher. Dann trifft sich die Gruppe und entscheidet sich für das diesjährige Motiv. Die "heiße Phase" beginnt vier Tage vor Fronleichnam. Es gibt Aufrufe im Pfarrbrief und in der Zeitung, in denen um Blumenspenden gebeten wird. Die Blüten, die die Gemeindemitglieder am Nachmittag vor Fronleichnam zur Sakristei bringen, müssen in Kellern oder Garagen kühl gelagert werden. "Man kann Blüten aber auch in die Gefriertruhe legen, damit sie länger halten", verrät Steinhauser. Das Team, das den Teppich legt, geht auch nochmal auf die Suche nach ganz bestimmten Blüten und Farben. "Weil die ja das Motiv kennen und genauer wissen, was noch gebraucht wird."
Am häufigsten werden Blüten in den Farben Blau, Rot, Weiß und Gelb benötigt. Dafür verwenden die Blumenteppichleger Rosen, Weißen Schneeball, Geranien und – falls sie noch blühen – Pfingstrosen. "Wenn der Blütenstand schon so weit fortgeschritten ist, wie in diesem Jahr, trete ich auch an Gärtnereien heran und bitte sie, uns Blüten zur Verfügung zu stellen." Und damit habe er meistens Erfolg, sagt Steinhauser. Wenn man nicht genügend Blüten findet, könne man aber auch Sägemehl einfärben. Ungefärbtes Sägemehl hat übrigens genau die richtige Farbe für Brot. Deshalb verwenden die Jugendlichen in Landshut neben den Blütenblättern dieses Jahr auch Holzspäne. Denn sie legen einen Teppich, der als Motive Brot und Trauben, sowie Kelch und Hostie zeigt.
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Den Teppich für Fronleichnam legt man entweder am Abend vorher oder frühmorgens am selben Tag. "Wenn man den Teppich vorher vorbereitet, kann man ihn auf einer großen Holzplatte anrichten. In der Früh wird er dann zur Station getragen", sagt Steinhauser. Die "Hardcore-Blumenleger", wie er sie nennt, machen das anders: Sie stehen an Fronleichnam um fünf Uhr morgens am Stationsaltar und legen den Blumenteppich. Meist ist er dann erst kurz vor der Prozession fertig, die um halb zehn losgeht.
Ein Kunstwerk für zwei Stunden
"Wir nehmen, was man so im Garten hat und auf den Wiesen findet. Manche räubern ihren Garten richtiggehend aus oder haben im Frühling extra Blumen für Fronleichnam gesät. Weil ihnen dieses Fest wichtig ist und sie ihren Beitrag dafür leisten wollen", sagt Steinhauser. Dafür erntet er aber auch Kritik, vor allem in den sozialen Netzwerken. Naturschützer beschweren sich, dass die Jugendlichen Blüten für ein Kunstwerk abreißen, das nur ein bis zwei Stunden zu sehen ist. Damit werde Bienen und anderen Insekten ihre Nahrungsquelle weggenommen. "Deshalb achten wir darauf, dass wir keine Blumen für den Teppich verwenden, die unter Naturschutz stehen und beschränken uns bei der Menge", sagt der Jugendseelsorger.
Die Tradition, Blumenteppiche zu legen, war früher weit verbreitet in Deutschland. Heute pflegt man sie nur noch in einigen Gemeinden, hauptsächlich in Bayern oder im Schwarzwald. Das hat mit dem Rückgang der Volksfrömmigkeit zu tun. Aber auch mit dem großen Aufwand, den die Blumenleger betreiben müssen. Die Prozession dauert etwa eine Stunde, danach hat die Blütenpracht ihren Zweck schon erfüllt. Deshalb freut sich Steinhauser, wenn die Teppiche länger liegen bleiben können. "Dann kann man auch in die Nachbardörfer gehen und 'ausspionieren', was für Motive die in diesem Jahr gelegt haben."
Während seines Theologiestudiums hat Steinhauser übrigens verstanden, warum der Pfarrer auf seine Blumenkunstwerke getreten ist: "Es gebührt dem Priester, da drüber zu laufen, weil er die Monstranz trägt." Gott selbst ist in der gewandelten Hostie gegenwärtig. Deshalb bereitete seine Gemeinde ihm den Weg (Mt 3,3). Damit sein "Fuß" den Boden nicht berühren musste, bedeckten sie die Strecke vollständig mit Grün und Blumen. Wenn Steinhauser heute mit Jugendlichen einen Blumenteppich legt, ist das auch eine Erinnerung an diese Form der Verehrung.
#Fronleichnam #Blumenteppich
Um sie dauerhaft bewundern zu können, werden viele Blumenteppiche fotografiert und auf Instagram gepostet. Wir haben ein paar schöne Motive für Sie zusammengestellt!
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