Bischofssynode zum Thema Jugend erprobt neue Wege

Effizienter, offener, freimütiger

Veröffentlicht am 08.10.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Bei der Jugendsynode ist vieles anders als in den Jahren zuvor. So gab es erstmals eine Vorsynode und die dabei formulierten Erwartungen der Jugend fanden Eingang in das Arbeitspapier der Bischöfe. Auch das Klima in der Synodenaula scheint anders zu sein als 2015 bei der Familiensynode.

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Manches ist anders bei dieser Bischofssynode, zu der seit Mittwoch 247 Bischöfe, 20 höhere Geistliche sowie 49 Laien im Vatikan unter dem – etwas sperrigen – Titel "Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung" zusammengetreten sind. Noch nie waren so viele junge Menschen (zwischen 18 und 29) in die Synodenaula geladen, nämlich 34 – auch wenn es bei diesem Thema einige mehr hätten sein können. Zudem haben sie nur den Rang von Beobachtern oder Zuhörern, auch wenn sie in den Versammlungen das Wort ergreifen können. Dafür aber war der Bischofsversammlung zum ersten Mal eine Vor-Synode vorgeschaltet, bei der im April 300 junge Katholiken ihre Erwartungen an die Synode formulierten. Und diese fanden zum beachtlichen Teil Eingang in das Arbeitspapier der Bischöfe.

Neu – und ein kirchenpolitischer Durchbruch – ist, dass zum ersten Mal zwei Bischöfe aus der Volksrepublik China an einer römischen Synode teilnehmen können und damit das Spektrum von Weltkirche erweitern. Ebenfalls neu sind das Statut und die Geschäftsordnung der Bischofssynode, die das Welttreffen noch effizienter machen sollen. Sie waren erst vor wenigen Tagen als  eine weitere Etappe im Rahmen der Kurienreform von Papst Franziskus veröffentlicht worden. Und etwas anders als bei den beiden letzten Bischofstreffen zur Familienpastoral scheint  auch das Klima in der Synodenaula zu sein. Während damals von Anfang an unterschiedliche Positionen hart aufeinanderprallen, geht es dem Vernehmen nach diesmal ruhiger zu – bislang.

Logistische Großaktion

Organisatorisch und logistisch ist die Synode wieder eine Großaktion. Die meisten Synodenbischöfe und auch die Experten und Beobachter wohnen für die knapp vier Wochen in den römischen Kollegien oder Gästehäusern ihrer Länder, manche in den großen Priesterhäusern der Stadt, wenige auch im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Während die deutschen Bischöfe von ihrer nahen Unterkunft den Vatikan bequem zu Fuß erreichen, kommen viele Synodale mit dem Auto. Die lateinamerikanischen Exzellenzen werden mit zwei vatikanischen Sammelbussen von ihrem vier Kilometer entfernten Kolleg abgeholt und zurückgebracht. Mancher Synodenvater entsteigt aber auch einem PKW mit Diplomaten-Kennzeichen. Denn mitunter ist der römische Kollegsleiter auch Consigliere seiner Vatikan-Botschaft.

Papst Franziskus hat sein Amt vor über fünf Jahren mit der Absicht angetreten, der Bischofssynode neuen Schwung zu geben. Sie sei ein wichtiges Element bischöflicher Kollegialität und kirchlicher Entwicklung, aber inzwischen etwas starr und zu statisch geworden, sagte er in seinem ersten Interview. Es sei an der Zeit, die Methode zu verändern.

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Und so erprobte er zusammen mit dem neuberufenen Synoden-Generalsekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri bei den beiden Familien-Synoden neue Elementen und Wege, wie diese Treffen effizienter, offener und mehr zu einem Dialogforum werden könnten. Schon die Vorbereitung wurde auf eine breitere Basis gestellt und deutlich aufgewertet. Die Befragung sollte obligatorisch nicht nur die Bischöfe sondern möglichst viele Stimmen aus vielen Bereichen der Kirche einbeziehen.

Zudem versucht Baldisseri – bislang nur mit mäßigem Erfolg – aus der unsortierten Aneinanderreihung vorbereiteter Statements eine lebendige Debatte zu machen. Schon Benedikt XVI. hatte zu diesem Zweck für die Synode täglich ein festes Zeitfenster für eine freie Aussprache eingeführt. Das wurde diesmal noch ausgeweitet. Als wohltuend empfanden es die Synodalen unterdessen, dass nach jeweils fünf Statements eine dreiminütige Reflexionspause eingefügt wird.

"Jetzt zählen keine Worte mehr, es zählen nur noch Taten"

Schon in den ersten Sitzungsrunden kamen die  "jugendlichen Beobachter" zu Wort, darunter auch der deutsche BDKJ-Vertreter Thomas Andonie. Und sie nahmen die Ermunterung des Papstes durchaus ernst, sich offen und freimütig zu äußern. Andonie thematisierte das große Thema der letzten Tage in Deutschland, die Katastrophe der sexualisierten Gewalt katholischer Priester gegen Kinder und Jugendliche. "Jetzt zählen keine Worte mehr, es zählen nur noch Taten", um die Glaubwürdigkeit der Kirche und das Vertrauen der Menschen – besonders der jungen Menschen – wiederzuerlangen, sagte er.

Schienen im Vorfeld die Missbrauchsskandale das Jugend-Thema komplett an den Rand zu drängen, so war in den ersten Synodenrunden das Themenspektrum breiter. Natürlich wurden das Thema der sexuellen Gewalt angesprochen, es ging aber auch um andere traumatische Erfahrungen von Jugendlichen. Etliche Synodale schilderten die Nöte junger Flüchtlinge, die in die Fänge von Menschenhändlern und in die Prostitution gerieten. Oder sie verwiesen auf die vielen Formen von Abhängigkeiten, von Alkohol und Drogen, auf Spiel- oder Internetsucht. Auf die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung von Strafgefangenen in die Gesellschaft und auf die Gefahr des Rückfalls.

Die Jugend sei Trägerin großer menschlicher und geistlicher Ressourcen

Aber die Synodalen sahen auch Optimismus. Es sei nötig, das positive Gesicht der Jungen und Mädchen zu sehen, sagte ein Redner. Die Jugend sei Trägerin großer menschlicher und geistlicher Ressourcen – wie Freundschaft, Solidarität, Freiwilligendienste. Jugendliche wollten, dass man sie ernst nimmt, dass man ihnen zuhört, sich Zeit für sie nimmt. Wichtig sei ein "Dienst des Zuhörens" meinte etwa Bruder Alois Löser von der Taize-Gemeinschaft, der als "Sondergast" vom Papst zur Synode geladen war. "Wenn die Kirche zuhört, wird sie zu dem, was sie ist: eine Gemeinschaft der Liebe".

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Um den Synodalen mehr Freimut und Offenheit zu ermöglichen, wurde freilich die Pressearbeit noch weiter reduziert. Während in früheren Jahren alle Statements publiziert wurden, zumindest in Kurzform, gibt es diesmal nur noch eine mündliche und anonymisierte Zusammenfassung von Aussagen. Sie werden bei einem Briefing vom neuen Präfekten des Medien-Dikasteriums, Francesco Ruffini, präsentiert. Allerdings stellen manche Synodalen, auch die Deutschen, ihre Interventionen online.

Noch nicht absehbar ist, welche Rolle diesmal "die Unterscheidung der sogenannten 'irregulären' Situationen" spielt, die die Familiensynode 2015 etwa mit Blick auf Geschiedene in einer neuen Verbindung so sehr beschäftigte. Wie die Rolle der Frau in der Kirche thematisiert wird, ob der Zölibat zu einem Thema wird und ob der Missbrauchsskandal nicht doch bereits diese Synode überschattet. Denn über diesen Skandal soll im kommenden Frühjahr ein eigener Kirchengipfel beraten, zu dem die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen nach Rom geladen sind.

Spontanes Feedback für bischöfliche Interventionen

Freilich blieben die Römischen Bischofssynoden nicht immer  streng bei ihrem vorgegebenen Thema. Die zweite Ordentliche Generalversammlung im Herbst 1971, mit sechs Wochen Dauer die bislang längste, stand unter dem Motto "Das ministeriale Priesteramt und die Gerechtigkeit der Welt". De facto ging es aber bald nur noch um den zweiten Teil. Am Ende stand ein 8-Punkte-Programm mit Empfehlungen zum Thema Gerechtigkeit.

Neu bei dieser Synode ist, dass die Bischöfe ein spontanes Feedback für ihre Interventionen bekommen. Zwar haben die  jungen Beobachter bei der Kirchenversammlung kein Stimmrecht. Aber in der Aula machen sie sich – in dem ehrwürdigen Rahmen der Synode bislang ungewohnt – durch Applaus für die Redebeiträge bemerkbar. Und der soll durchaus unterschiedlich ausfallen.

Von Johannes Schidelko

Themenseite: Jugendsynode

Was beschäftigt junge Menschen heute? Woran glauben sie? Und wie kann die Kirche sie bei einem gelingenden (Glaubens-)Leben unterstützen? Darüber diskutieren die Bischöfe bei ihrerer weltweiten Synode vom 3. bis 28. Oktober 2018 im Vatikan.