In der Heimat von Mutter Teresa
Nur wenige hundert Meter von hier, am Mutter-Teresa-Platz, wird Papst Franziskus am 21. September einen öffentlichen Gottesdienst feiern.
Rosenkranz in der Tasche war ein Todesurteil
Mutter Teresa und Skanderbeg sind zwei für Albanien wichtige historische Persönlichkeiten. Während Skanderbeg als Nationalheld gefeiert wird, der die Albaner in einem Aufstand im 15. Jahrhundert gegen das Osmanische Reich anführte und für 25 Jahre eine Unabhängigkeit herstellte, ist Mutter Teresa mittlerweile nicht nur für die Katholiken der Balkanrepublik ein Vorbild.
Denn noch bis 1990 war jegliche Religionsausübung in dem Land an der Adria verboten. Der kommunistische Diktator Enver Hoxha erklärte Albanien 1967 zum "ersten atheistischen Staat der Welt". Für ein Kreuzzeichen in der Öffentlichkeit gab es 25 Jahre Gefängnis, und auf einen Rosenkranz in der Tasche oder ein Kreuz im Haus stand die sofortige Erschießung.
Stärkung der Ortskirche
Der Besuch von Papst Franziskus soll die albanische Ortskirche stärken, die lange Zeit "unter den Konsequenzen vergangener Ideologien" leiden müssen, erklärte der Pontifex. Es ist mit Ausnahme der italienischen Besuche die erste innereuropäische Reise des Papstes. Der letzte Papstbesuch liegt schon etwas her: Papst Johannes Paul II. kam 1992 nach Tirana, die Visite wurde als Sieg der Religionsfreiheit und als Meilenstein auf dem Weg Albaniens aus der internationalen Isolation bezeichnet.
Doch nicht nur die Minderheit der orthodoxen und katholischen Kirchen und Klöster, sondern auch Moscheen wurden im Kommunismus zweckentfremdet oder gar zerstört. Dass ausgerechnet die Et'hem-Bey-Moschee am Skanderbeg-Platz die religionsfeindliche Zeit überdauert hat, grenzt aber nicht an ein Wunder: Sie wurde rechtzeitig unter Denkmalschutz gestellt. Heute sind ihr Minarett und der benachbarte Tur mit einer Uhr das Symbol Tiranas.
Die Hoxha-Zeit hat Mutter Teresa nur aus der Ferne, von Kalkutta aus, erlebt. In das kommunistische Albanien hatte sie ohnehin Einreiseverbot. Als sie 1910 im heutigen Mazedonien in einer albanischen Familie geboren wurde, bestand noch das Osmanische Reich.
Nationalfeiertag für Mutter Teresa
Kein Wunder, dass sich Mazedonien und Albanien neben Indien über das Erbe, aber auch um die Gebeine der 1997 verstorbenen Nobelpreisträgerin nicht einig sind. "Vom Blut her bin ich Albanerin, von der Staatsangehörigkeit her Inderin, nach dem Glauben Katholikin, und ich gehöre der ganzen Welt", soll sie einst gesagt haben.
In Tirana ist - wohl auch deswegen - der Flughafen nach ihr benannt, zudem gibt es ihr zu Ehren einen gesetzlichen Feiertag. Der "Dita e Nene Terezes", der Mutter-Teresa-Tag, am 19. Oktober erinnert an den Tag ihrer Seligsprechung im Jahr 2010. Ein Kuriosum und Zeugnis von zunehmender Toleranz in einem Land, wo sieben von zehn Einwohnern muslimisch sind.
600.000 Ein-Mann-Bunker
Tirana ist mit seinen 420.000 Einwohnern geprägt von einem mediterranen Flair, obwohl es bis zur Adria noch 40 Kilometer sind. Die nächste Küstenstadt ist Durres. Und obwohl heute nur jeder zehnte Albaner katholisch ist, gilt Durres als einer der ältesten Bischofssitze der Welt. Apostel Paulus soll das Christentum bis nach Illyrien verbreitet und in Dyrrachion, dem heutigen Durres, den ersten Bischof eingesetzt haben. Die vor zwölf Jahren geweihte Kathedrale des Erzbistums Tirana trägt daher den Namen des Apostels.
Antike Zeugnisse, vor allem Ruinen, lassen sich in Albanien an vielen Orten besichtigen. Auch in der Hauptstadt, in der Reste einer Festung von Kaiser Justinian I. als Mauern im Stadtzentrum zu sehen sind. Wenn Papst Franziskus über der Adria für den Tagesbesuch nach Albanien einfliegt, dürften ihm aus der Luft aber andere kurios-historische Stätten ins Auge stechen: Da Albaniens Beziehungen zu allen Nachbarländern - darunter sämtlichen Ostblockstaaten - in den 1970er Jahren angespannt waren, fürchtete Diktator Hoxha den Einmarsch fremder Truppen. Er ließ schätzungsweise 600.000 Ein-Mann-Bunker in ganz Albanien zur Landesverteidigung bauen. Noch heute verschandeln sie wie graue Pilze die sonst pittoreske Landschaft des Balkanstaates.
Von Markus Nowak (KNA)