Tauziehen um ein Heiligtum
Wer die Bedeutung des Abendmahlssaals verstehen will, muss in die Geschichte blicken. Für Christen ist es der Ort ihres Glaubens schlechthin, denn beim letzten Abendmahl hat Jesus dort mit seinen Worten die Eucharistie eingesetzt. Gleichzeitig gedenken Christen im Abendmahlssaal der Begegnung der Jünger mit dem Heiligen Geist - also dem Gründungsdatum der Kirche - sowie Mariä Himmelfahrt.
Historisch gesehen ist der Ort nicht der originale Schauplatz der Ereignisse. Das sei aber unerheblich, meint Bernd Mussinghoff, Repräsentant des Deutschen Vereins vom Heiligen Land in Jerusalem (siehe Stichwort).
Ein Ort, an dem man seinen Glauben festmachen kann
"Es geht nicht darum, ob der Ort historisch authentisch ist", sagt Mussinghoff. Es gehe vielmehr darum, einen Ort zu haben, an dem man den Glauben festmachen könne. "Es braucht eine irdische Verankerung." Mit eigenen Augen den Ort sehen, an dem Jesus das letzte Abendmahl gefeiert hat, die Wände mit den Händen berühren zu können - das mache die Erfahrungen der Millionen Pilger aus, die Jahr für Jahr Jerusalem besuchen, erläutert der Israelkenner.
Der Raum selbst stammt aus dem Mittelalter - seine Geschichte geht aber weit zurück. In den Evangelien gibt es keine genauen Angaben über den Ort, an dem Jesus das Pascha-Lamm essen wollte. Man nahm jedoch schon früh an, dass es mit dem "Obergemach" identisch war, in dem die Jünger später den Heiligen Geist empfingen.
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Im zweiten Jahrhundert nach Christus hat es nach Darstellung eines Pilgers eine "kleine christliche Kirche" am Ort des Pfingstereignisses gegeben. Im vierten Jahrhundert wurde darüber die große Basilika "Hagia Zion" errichtet, welche zerstört und von Kreuzfahrern wieder aufgebaut wurde. 1333 schließlich ging das Gebäude an die Franziskaner.
Im 16. Jahrhundert fiel das Heiligtum in osmanische Hände, die das Gebäude in eine dem "Propheten David" geweihte Moschee umwandelten. Spuren dieser Zeit sind bis heute zu erkennen: So gibt es nach wie vor arabische Schriftzeichen und ein Minarett zu sehen.
Seit 1948 ist der Zionsberg dem israelischen Religions- und Tourismusministerium unterstellt - ein Ergebnis des ersten jüdisch-arabischen Krieges. Aus diesem Grund ist es für Christen heute nur sehr eingeschränkt möglich, dort Gottesdienst zu feiern. Dabei sei es ihnen wichtig, an so einem Ort beten und Gottesdienst feiern zu können, meint Mussinghoff. Eine Umschreibung auf den Vatikan sei zwar die bestmöglichste Absicherung, erklärt er. "Aber ich habe eher den Eindruck, dass es auf einen Kompromiss hinausläuft." Dieser würde Christen ein Nutzungsrecht einräumen.
Doch auch bei dieser Lösung gibt es einige, die damit nicht einverstanden wären - Knackpunkt ist vor allem das Grab Davids. Zu den Kritikern gehört Rabbiner Abraham Goldstein, Leiter der Diaspora-Jeschiwa, einer Talmud-Hochschule in Jerusalem. In einem Interview spricht er sich für den Erhalt des Status quo aus. Nach jüdischem Religionsrecht sei es verboten, am Davidsgrab zu beten, wenn Christen im Raum darüber Messen feiern würden, erklärt er.
Unregelmäßige Gottesdienste wie der, den Papst Franziskus nun gefeiert hat, seien hingegen kein Problem. "Wenn das einmal vorkommt und wenn es nichts Offizielles ist, dann berührt uns das nicht", erläuterte Goldstein. "Wenn es aber offiziell wird, dann haben wir unter jüdischem Recht ein Problem". Vor Papst Franziskus hatte unter anderem auch schon Johannes Paul II. dort eine Messe gefeiert.
Niemand weiß, wann und ob es zu einer Einigung kommt
Bernd Mussinghoff befürchtet, dass an dieser Stelle die Trinität des christlichen Glaubens missverstanden wird: Es gebe unter einigen Juden die Auslegung, dass Christen drei Götter verehren würden. "Das wäre nach jüdischem Religionsrecht Götzendienst", erläutert Mussinghoff. Dabei verehrten Christen ebenso wie Juden nur den einen Gott, den Gott Israels – wenn auch in drei Gestalten: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Zudem gebe es Rabbiner, die kein Problem in der parallelen Nutzung sehen, ergänzt er.
Wann es zu einer Einigung kommt, weiß niemand. Die Regelung wird allein zwischen dem Staat Israel und dem Vatikan entschieden. Doch selbst wenn es zu einer Änderung kommen sollte - das Problem bliebe laut Rabbiner Goldstein bestehen: "Der Staat Israel ist kein religiöser Staat, auch wenn er sich jüdisch nennt", so Goldstein. Aber es gebe ein jüdisches Recht, das nicht geändert werden könne. Wie es mit weiteren Protesten aussieht, könne aber auch er nicht einschätzen. Nur: "Wir sind gegen diese Übergriffe. Nach jüdischem Recht sind sie verboten."