Kulturkampf oder Wettkampf?
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Ausgerechnet Rio! Ausgerechnet die Stadt, die den Minimalismus in der weiblichen Strandbekleidung geradezu erfunden hat, kam jetzt mit dem anderen Extrem in die Schlagzeilen. Beim olympischen Beachvolleyballspiel Deutschland gegen Ägypten traten nur die deutschen Frauen in knappen Zweiteilern an, ihre ägyptischen Gegnerinnen liefen dagegen in schwarz-grünen Ganzkörperanzügen auf. In einigen Medien geriet dieses Match entsprechend schnell zur Konfrontation "Bikini versus Burka".
Einmal abgesehen davon, dass die Bezeichnung "Burka" für den Sportdress der Ägypterinnen ungefähr so zutreffend ist wie die Gleichstellung von Islamismus und Islam, hier von einem Kulturkampf zu sprechen, wie es manche Beobachter taten, erscheint mir falsch. Diesen Kommentatoren ist aus dem Blick geraten, dass es selbst bei einem sportlich-kommerziellen Großereignis wie den Olympischen Spielen nicht darum gehen kann, religiöse, kulturelle oder politische Blöcke stellvertretend aufeinanderprallen zu lassen. Der CNN-Reporter Bill Weir erkannte in der Kleidungs-Kontroverse denn auch einen "olympischen Rorschach-Test". Er fragte seine Zuschauer: "Sehen Sie einen Zusammenstoß der Kulturen? Oder die einende Kraft des Sports?"
Die Begegnung von Sportlerinnen und Sportlern aus aller Welt birgt schließlich neben dem Zusammentreffen unterschiedlicher Werte immer auch die Chance, auf den Spielfeldern oder im olympischen Dorf Toleranz einzuüben und das eigene Weltbild zu überprüfen. Dabei gibt es gerade auch außerhalb der Wettkampfstätten einiges nachzuholen. Bei den Spielen von 2012 waren Olympia-Teilnehmerinnen von einem islamischen Geistlichen beispielsweise noch als "Prostituierte" beschimpft worden, und sogar bei der Präsentation seines Teams für Rio verschwieg das saudische olympische Komitee die Namen der Teilnehmerinnen: aus Gründen der Sittsamkeit, wie es hieß.
Auch auf der anderen Seite könnte sich manche Sichtweise verändern. So wäre es sicher nicht abwegig, wenn die offensichtliche Freude der ägyptischen Gewichtheberin Sara Ahmed über ihre Medaille einige christliche Hardliner auf die Idee brächte, dass die Nachbarn, die wir laut Bibel lieben sollen, eventuell auch Kopftücher tragen könnten. Von Bärten und Burkas ganz zu schweigen.