Woelki warnt vor "Schwarzer-Peter-Spiel"
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat zu mehr Mitmenschlichkeit und Solidarität mit Ausgegrenzten und Flüchtlingen aufgerufen. "Keine Gesellschaft kann sich menschlich nennen, wenn sie das Schicksal ihrer Armen aus dem Blick verliert oder die Schuld dafür bei anderen Armen sucht", sagte der Erzbischof laut vorab verbreiteten Predigttext am Mittwoch in Fulda bei einem Gottesdienst während der Herbstvollversammlung der Bischöfe. "Wenn wir an die Würde des von Gott geschenkten Lebens glauben, ist es notwendig, für einander Sorge zu tragen."
Der Kardinal warnte vor einer Entsolidarisierung der Gesellschaft und einem "Schwarzer-Peter-Spiel". "Entsolidarisierung hat immer da ein leichtes Spiel, wo Menschen enttäuscht sind, wo sie sich zu kurz gekommen vorkommen, wo sie sich um Chancen gebracht fühlen", sagte Woelki. "Wir erleben in unserem Land zurzeit, was passiert, wenn Menschen an dieser Stelle politisch umworben werden. Populismus schürt Entsolidarisierung und braucht Sündenböcke. Menschen in ihrer Bedürftigkeit - so unterschiedlich diese sein mag - werden auf grausame Weise gegeneinander ausgespielt."
Woelki: Uns interessiert nicht, wer für unseren Lebensstandard aufkommt
Woelki beklagte zugleich einen Konsum auf Kosten der Menschen in den Entwicklungsländern. Die Verbraucher fragten oft nicht, "wer die Kleider gefärbt und genäht hat, die wir am Leibe tragen". Sie fragten nicht, woher die Rohstoffe in den Smartphones stammten und wo sie wieder entsorgt würden oder "wer Durst leiden muss, während wir Mineralwasser multinationaler Konzerne in Plastikflaschen kaufen". Solidarität bedeute, etwas von seiner Zeit, seiner Aufmerksamkeit, seinem Gewinn, seinem Erfolg, seinem Talent, seinem Lachen und seiner Zärtlichkeit mit einem anderen zu teilen - ohne Berechnung und ohne Hintergedanken; einfach deswegen, weil es ihn gibt, sagte Woelki.
Linktipp: Schelte für Scheuer
Kardinal Reinhard Marx ist besorgt um das politische Klima in Deutschland. Zu Beginn der DBK-Vollversammlung machte er seinem Ärger über die Äußerungen eines CSU-Spitzenpolitikers deutlich Luft.Mit Blick auf die teils populistische geführte Debatte der vergangenen Wochen rief der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, zu einer gemäßigten Tonlage in der Flüchtlingspolitik auf. In Einzelfragen sei Streit durchaus erlaubt, sagte er am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. "Man darf den Armen, den Flüchtlingen - auch emotional, auch von der Tonlage her – aber nicht den Rücken zukehren." Da müsse man immer wieder mahnen – "und das tue ich".
Marx mahnt "rote Linien" in der Politik an
Er wolle nicht ständig über die Zitate von Generalsekretären reden, sagte der Erzbischof von München und Freising mit Blick auf die umstrittenen Äußerungen von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer über Asylbewerber. Viel wichtiger sei es, die anstehenden Probleme zu lösen. "Viele Hunderttausende sind im letzten Jahr gekommen. Viele werden hierbleiben", so der Geistliche. Und es sei etwas Großartiges, dass viele Christen sich in der Flüchtlingsarbeit engagierten. Zwar gebe es stets unterschiedliche politische Meinungen. Aber es gebe "klare rote Linien", auf die man sich einlassen müsse. "Da kann man nicht einfach sagen, das ist völlig egal, wie ich mich dazu verhalte."
Jeder Flüchtling müsse menschenwürdig behandelt werden und ein faires Verfahren erhalten, forderte Marx. Niemand dürfe in Krieg oder Verfolgung zurückgeschickt werden. Zudem müsse politisch und finanziell sehr viel mehr gegen die Fluchtursachen unternommen werden. Auch das sei die Aufgabe von Christen. "Wir müssen alles dafür tun, damit Menschen nicht zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken."
Marx an Unionspartein: Das Evangelium ist der Maßstab für das "C"
Die CDU/CSU machte der Kardinal auf den "großen, großen Anspruch" aufmerksam, den das für "christlich" stehende C im Parteinamen bedeute. "Das Christliche wird nicht von uns bestimmt", sagte er. Vielmehr seien das Evangelium und die Person Jesus von Nazareth verpflichtend. Er halte es für "durchaus möglich", diese Maßstäbe bei Alltagsentscheidungen in der Politik zu beachten. (kim/KNA)