Felix Neumann über die Liturgie in der Kirche

Kardinal Sarah genau lesen

Veröffentlicht am 07.10.2016 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Felix Neumann über die Liturgie in der Kirche

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Kardinal Robert Sarah, Präfekt der Gottesdienstkongregation, ist sonst eher bekannt für markige Worte und dafür, dass er laut die Stimme erhebt – und jetzt heißt sein neues Buch ausgerechnet "Die Kraft der Stille". Natürlich spart er auch da nicht an kräftigen Bildern, der Teufel hat seinen prominenten Platz, und sein Blick auf die Welt ist pessimistisch: Geschäftig, durchtechnisiert, von Gott entfremdet ist sie für den Kardinal aus Guinea, Widerstand sei dagegen das Gebot der Stunde. Und für Sarah ist klar: Was die Kirche brauche, ist "keine Verwaltungsreform, das nächste Pastoralprogramm oder eine Strukturveränderung".

Es lohnt sich aber, genau zu lesen, was ihn umtreibt und sich nicht von kirchenpolitischer Gesäßgeographie abschrecken zu lassen. Sarah kritisiert eine Liturgie, die zu geschwätzig ist, zu sehr erklärt, zu rational und dabei doch zu gefühlig ist. "Wir laufen Gefahr, das heilige Geheimnis auf gute Gefühle zu reduzieren", sagt er im Interview mit dem französischen traditionalistischen Monatsmagazin La Nef.

Man muss nicht die Begeisterung Sarahs für die Zelebrationsrichtung gen Osten teilen, um die Kritik plausibel zu finden: Gottesdienste, in denen jeder Schritt erklärt wird, weil der feiernden Gemeinde gerade nicht zugetraut wird, aktiv und mündig mitzufeiern. Gottesdienste, die so wenig der Liturgie vertrauen, dass Zeichenhandlungen erfunden werden. Gottesdienste, die so wenig der Schrift vertrauen, dass gefühlige Kinderliteratur vom "Kleinen Prinzen" bis zum "Regenbogenfisch" zur Lesung geadelt wird.

All das findet mit den hehrsten Anliegen Eingang in die Gottesdienste: Verständlich, nahbar sollen Gottesdienste sein, einen Sitz im Leben haben. Die Gefahr dabei ist aber, dass das, was verständlich, nahbar und "schön" gemeint ist, doch nur banal und oberflächlich ist. Die Gefahr besteht, dass die Gottesdienstgemeinde um sich selbst und eine gefällige Ästhetik der bürgerlichen Mitte kreist – und dadurch einiges an missionarischer Kraft und geistlicher Tiefe aufgibt. Die erfolgreichen – im Sinne von "missionarisch-ansteckenden" – liturgischen Bewegungen der jüngeren Zeit, von Taizé bis Nightfever, besinnen sich auf Stille und eine Liturgie, die aus eigener Kraft wirkt.

Kardinal Sarah hat recht: Eine Erneuerung der Kirche – auch wenn man mehr von pastoralen Plänen und strukturellen Reformen hält als er – kommt nicht ohne das Mysterium und die Erhabenheit der Gottesbegegnung in der Liturgie und im Gebet aus.

Von Felix Neumann

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