"Amoris Laetitia": Kardinäle bitten Papst um Klärung
Um die Klärung offener Fragen rund um das päpstliche Schreiben "Amoris Laetitia" sollen vier Kardinäle Papst Franziskus in einem Brief gebeten haben, den mehrere Online-Medien am Montag im Wortlaut veröffentlichten. Die Kardinäle Walter Brandmüller, Raymond Burke, Carlo Caffarra und Joachim Meisner hätten fünf Fragen zu dem Nachsynodalen Schreiben des Kirchenoberhaupts formuliert. Diese beziehen sich auf das kontroverse achte Kapitel und insbesondere auf die Frage des Kommunionsempfangs für wiederverheiratete Geschiedene. Die Entscheidung des Papstes, bislang nicht auf den Brief vom September einzugehen, hätten die Kardinäle als Einladung aufgefasst, die Diskussion fortzusetzen und ihre Initiative öffentlich zu machen.
Man habe sich "aus tiefer pastoraler Sorge" an den Papst gewandt, schreiben die Autoren. Nach der Veröffentlichung von "Amoris Laetitia" habe es unter vielen Gläubigen "ernsthafte Orientierungslosigkeit und große Verwirrung" in Bezug auf wichtige Angelegenheiten für das Leben der Kirche gegeben. Auch unter den Bischöfen sei das betreffende achte Kapitel widersprüchlich interpretiert worden.
Paradigmenwechsel gegen die Lehre?
Tatsächlich war die betreffende Stelle von einigen, wie etwa Kardinal Walter Kasper, als Paradigmenwechsel aufgefasst worden. Dadurch sei in Einzelfällen Geschiedenen, die in einer neuen zivilen Ehe leben, den Empfang der Kommunion möglich. Andere wie Kardinal Brandmüller hatten dagegen argumentiert, dass diese Stelle sich durchaus mit der bisherigen Lehre übereinstimmend lesen lasse und keine Neuerung bedeute.
Die vier Kardinäle betonen nun in ihrem Brief, ihre Motivation käme aus der Sorge um das "wahre Wohl der Seelen, das höchste Gesetz der Kirche, und nicht daher, eine Form von Politik in der Kirche zu unterstützen". Sie hofften, dass niemand ihr Vorgehen nach dem "fortschrittlich/konservativ"-Muster interpretiere. Außerdem solle sie niemand ungerechtfertigt als "Gegner des Heiligen Vaters und Menschen ohne Barmherzigkeit" verurteilen.
Linktipp: Dürfen sie nun oder nicht?
Noch immer ringt die Kirche um die richtige Auslegung von "Amoris laetita". Befürworter und Gegner der Kommunion für Wiederverheiratete stehen sich unversöhnlich gegenüber. Doch einer hält sich bedeckt. (Artikel von Juli 2016)Das auf den 19. September datierte Schreiben "Klarheit suchen: Eine Bitte, die Knoten in 'Amoris Laetitia' zu lösen" an den Papst und den Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Gerhard Müller, ist in fünf sogenannten "Dubia", lateinisch für "Zweifel", formuliert. Dies seien formale Fragen an den Papst und die Glaubenskongregation, die auf die Klärung bestimmter Sachverhalte abzielten, die die Glaubenslehre oder Glaubenspraxis beträfen. "Das besondere an diesen Fragen ist, dass sie so formuliert sind, dass sie nur mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden können, ohne theologische Argumentation", heißt es in einer begleitenden Erklärung. Dies sei eine jahrhundertealte Praxis. Bischöfe nutzen sie, um eine aus ihrer Sicht unklare Rechtslage klären zu lassen.
Die erste der "Dubia" zielt darauf ab, ob es durch "Amoris Laetitia" erlaubt ist, eine Person zur Eucharistie zuzulassen, die zivil geschieden und wiederverheiratet ist, obwohl ihre kirchliche Ehe noch Bestand hat. Nach der kirchlichen Lehre ist jede außereheliche sexuelle Aktivität eine Sünde, die von den Sakramenten ausschließt. Wer trotz einer noch bestehenden kirchlichen Ehe eine zweite Zivilehe eingeht, müsse demnach sexuell enthaltsam leben.
Kardinäle sehen drei Möglichkeiten zur Änderung der kirchlichen Lehre
Sollte nun "Amoris Laetitia" die Kommunion für geschiedene Wiederverheiratete möglich machen, müsste laut den Kardinälen die kirchliche Lehre dahingehend geändert werden. Dazu sehen sie drei Möglichkeiten: Erstens, dass es Unverheirateten unter gewissen Umständen möglich sein soll, Sexualität auszuüben. Zweitens, dass eine Scheidung das eheliche Band auflöst und Wiederverheiratete legitim verheiratet sind. Oder drittens, dass geschiedene Wiederverheiratete in der Beichte die Absolution für ihr Leben in Sünde bekommen, ohne dass sie unbedingt ihr Leben ändern müssen. "Damit sind die Sakramente vom Leben losgelöst: Christliche Riten und Gottesverehrung sind auf einer gänzlich anderen Sphäre als das christliche moralische Leben", schreiben die Kardinäle.
Die vier weiteren "Dubia" gehen auf Fragen der Kirchenlehre in diesem Zusammenhang ein, etwa, ob die von Papst Johannes Paul II. (1978-2005) in "Veritatis Splendor" verkündete Lehre der absoluten moralischen Normen weiter gültig ist. Darin geht es um sogenannte intrinsisch schlechte Handlungen, die immer schlecht und daher ausnahmslos verboten sind - wie zum Beispiel "Du sollst nicht ehebrechen". Die Autoren fragen sich nun, wie diese sogenannten moralischen Absoluten nach "Amoris Laetitia" noch Bestand haben können. Das beträfe auch das Verhältnis zwischen persönlichem Gewissen und objektivem Recht. (jhe)