Felix Neumann über den Silvestereinsatz in Köln

Rechtsstaat oder Racial profiling?

Veröffentlicht am 03.01.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Felix Neumann über den Silvestereinsatz in Köln

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Nach dem zeitweiligen Versagen des staatlichen Gewaltmonopols zum Jahreswechsel 2015/2016 in Köln sollten dieses Mal nicht wieder Übergriffe und sexualisierte Gewalt im Schatten des Doms zugelassen werden. Das ist der Polizei weitgehend gelungen – mit einem massiven Aufgebot an Personal. Im vergangenen Jahr wurde die Debatte geführt, warum es so weit kommen konnte, warum der Rechtsstaat versagt hat. Dieses Jahr wird wieder über den Rechtsstaat diskutiert: War das Vorgehen der Polizei, verdächtige Gruppen zu isolieren, zu kontrollieren und gegebenenfalls des Platzes zu verweisen recht- und verhältnismäßig? Auch, wenn sich diese Gruppen durch Haut- und Haarfarbe, Herkunft und Sprache abgrenzen ließen?

Die Unterscheidung ist wichtig – gerade in einem Rechtsstaat. Rechtswidrig ist "Racial profiling" – wenn polizeiliches Handeln nicht auf das Verhalten oder konkrete Gefahrenlagen abzielt, sondern bestimmte Tätertypen konstruiert werden und die Zugehörigkeit dazu sanktioniert wird.

Ohne Frage hat sich die Kölner Polizei einen Bärendienst erwiesen, indem sie auf Twitter von "Nafris" gesprochen hat und damit einen Tätertyp statt einen Tatverdacht benannt hat – denn natürlich darf es in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht problematisch sein, eine bestimmte Herkunft, Hautfarbe oder auch Religion zu haben. Der schnelle schnoddrige Tweet befördert rassistische Vorurteile, die nun behördlich geadelt scheinen. Das hat auch der Polizeipräsident in der gebotenen Klarheit benannt. Auch in der schnellen, transparenten Behördenkommunikation muss sorgfältig abgewogen und rechtlich sauber formuliert werden.

Dem Rechtsstaat wird aber ein Bärendienst erwiesen, wenn angesichts des Versagens des vergangenen Jahres problematisiert wird, dass die Polizei ihre Arbeit macht: Nämlich bei Vorliegen eines konkreten Verdachts, in einer konkreten Gefährdungslage entsprechende präventive Maßnahmen zu ergreifen. Ohne Zweifel: Davon sind auch Unschuldige betroffen – so wie unschuldige Fußballfans und gewaltfreie Demonstranten oft von der Abwendung einer konkreten Gefährdungslage betroffen sind.

Die Freiheit der einen wird um der Freiheit aller willen temporär und präventiv eingeschränkt, nach sauberem Verfahren und sorgfältigem Ermessen – das ist gerade nicht das Versagen des Rechtsstaats, sondern der Rechtsstaat in Aktion.

Von Felix Neumann

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von katholisch.de wider.