"In Gottes Namen": Wider die Autokratie Erdogans
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Es war die perfekte Fensterrede, die Kardinal Joachim Meisner vorgeführt bekam. An der Spitze einer Bischofsdelegation bemühte sich der damalige Kölner Erzbischof 2008 im türkischen Tarsus darum, die Pauluskirche in der Geburtsstadt des Völkerapostels für Gottesdienste nutzen zu dürfen. Der Bürgermeister hinter einem mächtigen polierten Schreibtisch gab sich recht verbindlich, bis ein lokales Fernsehteam seine Kamera aufbaute. Da plötzlich wetterte der Politiker lautstark gegen die Mission durch evangelikale Gruppen, die unverschämterweise Bibeln unters Volk zu bringen suchten. Bedarf es noch der Erwähnung, dass aus der Öffnung der Pauluskirche nichts wurde?
Die beklemmende Szene ist aktueller denn je. Mit Brachialgewalt baut der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan das politische System seines Landes zur Autokratie um. Oppositionelle werden unter Terrorverdacht gestellt und landen hinter Gittern. Die Religion wird dabei zum Spielball höchst weltlicher Machtinteressen – wofür die Spitzeleien durch Imame der Türkisch-Islamischen Union Ditib auf deutschem Boden der beste Beweis sind.
Die Politik in Deutschland hat bislang kein Rezept gefunden, dem Treiben des türkischen Regimes und seiner ausländischen Vorposten Einhalt zu gebieten. Denn diese wissen jene Standards und Freiheitsrechte der offenen Gesellschaft vortrefflich auszunutzen, die den Menschen in der Türkei brutal verweigert werden.
Ein Fall für die Kirchen? Aber ja! Unsere Demokratie braucht gerade jetzt die Verteidigung durch starke zivilgesellschaftliche Akteure. Wenn Islamverbände als religiöse oder religiös verbrämte Organisationen das Fundament unserer Gesellschaft untergraben, sollte ihnen nicht nur der Rechtsstaat entgegentreten. Gefordert ist auch Protest "in Gottes Namen" – von denjenigen, denen wirklich an "Gott und der Welt" liegt. Schließlich ist es die plurale Gesellschaft, die gläubigen Menschen auf der Basis von Menschenwürde und Religionsfreiheit die beste Gewähr dafür bietet, nach ihrer Facon selig zu werden.