Alexander Görlach über die Wahlempfehlung der Kirchen

Die un-heilige Allianz der rechten Christen

Veröffentlicht am 15.05.2017 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Standpunkt

Berlin ‐ Alexander Görlach über die Wahlempfehlung der Kirchen

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Es sind wieder Wahlen, gerade gestern in Nordrhein-Westfalen, zuvor in Schleswig-Holstein. Wen soll man nur wählen? Die Kirche hat zwei Empfehlungen abzugeben: überhaupt wählen zu gehen und nicht rechts, nicht die AfD, zu wählen. Im rechtskatholischen Raum gärte es ein wenig: Wie kann die Kirche nur? Sie kann. Und sie muss. Dabei ist ja schon längst nicht mehr von einer Auf-Gedeih-und-Verderb-Symbiose von Una Sancta und Unionspartei die Rede. Was in den Kindheitstagen meiner Mutter auf dem Lande die selbstverständliche Wahlempfehlung war, ist heute, in einer pluralen Gesellschaft längst überholt: die Kirche flirtete mit den Grünen und selbstverständlich leiten in allen demokratischen Parteien Menschen ihr politisches Engagement aus ihrer christlichen Überzeugung ab.

Warum also die AfD explizit nicht empfehlen? Weil sie eine rechtsextreme Partei ist. Wie viel Zeit wurde in der Bundesrepublik auf die Aufarbeitung verwendet und Kritik an den Kirchen, dass sie sich nicht tatkräftiger gegen das Dritte Reich eingesetzt hätten. Die Ideologie und die Rhetorik der AfD rückt sie eindeutig in die Nähe dessen, was den Nationalsozialismus in seiner Anfangsperiode ausgezeichnet hat. Holzauge sei wachsam und wehre den Anfängen!

Auch wenn es aus AfD-Kehlen so schön klingt, dass man das Abendland bewahren will: die Rhetorik des Dritten Reiches lautete genauso. Das Abendland vor den vorrückenden Hunnen, den russischen Kommunisten zu schützen, war eine propagierte Begründung für den Russland-Feldzug. Heute sind die Hunnen, die unsere Zivilisation bedrohen, in dieser Denkweise die Muslime. Stephen Bannon, der Chefideologe von US-Präsident Trump, reiste mit genau dieser Botschaft vor einigen Jahren in den Vatikan. Bewegungen wie seine rechtsradikale in den USA seien angetreten, so Bannon in seiner dokumentierten Rede, um die Kirche, das Abendland, den Westen gegen die Islamisierung zu verteidigen. Der US-amerikanische Hardliner-Kardinal Burke, der Bannon eingeladen hatte, ist von Papst Franziskus quasi verbannt worden. Auch Rom ist heute eindeutig gegenüber der falschen rechten Ideologie.

Die rechten Christen möchten das nicht sehen und sind bereit, eine un-heilige Allianz einzugehen, mit denen, die sich für das Heilige nicht wirklich interessieren. Stattdessen schäumen sie und verweisen auf Linksradikale, gegen die sich die Kirche nicht in gleicher Weise wende. Hier drängt sich eine Analogie aus den USA auf: die Bewegung black lives matter klagt die Polizeigewalt gegen die afro-amerikanische Bevölkerung an. Es besteht beim Blick auf die Zahlen kein Zweifel daran, dass diese Gruppe häufiger Opfer von Polizeigewalt wird als andre Bevölkerungsteile. Weiße rechte Gruppen sagen dann "all lives matter". Das ist generell richtig, hilft aber in der Sache nicht weit. Linksradikale Gewalt ist kein Kavaliersdelikt und auch die links-faschistische Ideologie der DDR und ihre hässlichen Kinder sind mit dem Christentum nicht zu vereinbaren.

Gleichzeitig gilt es heute, gegen die akute Gefahr zu warnen, die von der AfD ausgeht. Das Abendland wurde nicht von den Nazis gerettet, ganz im Gegenteil. Die eifrigen rechten Nachfahren haben dazu ebenfalls keinen Auftrag. Die Kirche hat gut daran getan, das klar zu stellen und sich gegen die AfD zu positionieren.

Von Alexander Görlach

Der Autor

Alexander Görlach ist Visiting Scholar an der Harvard Universität in den USA. Der promovierte Linguist und Theologe forscht dort im Themenfeld Politik und Religion. Zuvor war Görlach der Herausgeber und Chefredakteur des von ihm gegründeten Debatten-Magazins "The European". Er ist Kolumnist der Wirtschaftswoche.

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