Hatte Jesus die Blutgruppe AB?
Ein kleines Gedankenspiel: Sie nehmen nichtsahnend an einer Messe teil und bemerken, wie plötzlich eine rote Flüssigkeit aus der gerade gewandelten Hostie tropft. Oder alternativ verwandeln sich die eucharistischen Gestalten von Brot und Wein vor Ihren Augen auch optisch in Fleisch und Blut. Unmöglich? In der Geschichte soll es diese und ähnliche Vorkommnisse immer wieder gegeben haben. Man spricht dabei von einem "eucharistischen Wunder", zuweilen auch Hostien- beziehungsweise Blutwunder. Manche dieser Ereignisse konnten später aufgeklärt werden – so kann eine Rotfärbung etwa durch Schimmelpilzbefall eintreten –, andere jedoch bleiben bis heute auch für Forscher ein Rätsel.
Eucharistisches Wunder von Lanciano
Als erstes eucharistisches Wunder der Kirchengeschichte gilt das im italienischen Lanciano. Es soll sich im achten Jahrhundert abgespielt haben: Ein Mönch hatte Zweifel an der wirklichen Gegenwart Christi unter den eucharistischen Gestalten. Als er eines Tages die Messe zelebrierte, verwandelten sich während der Wandlung Brot und Wein plötzlich in menschliches Fleisch und Blut. Das Ereignis ist schriftlich erstmals in einem Dokument aus dem 17. Jahrhundert festgehalten. Jedoch wurden die entsprechenden Reliquien in der kleinen Abruzzenstadt schon viele Jahrhunderte früher verehrt.
Zu wissenschaftlichen Untersuchungen des Materials kam es zu Beginn der 1970er- und der 1980er-Jahre durch zwei italienische Forscher. Diese kamen zu dem Schluss, dass es sich bei den Fleischresten um menschliches Herzgewebe handle, das kleine Arterien, Venen und Nervenfasern enthalte. Eine Expertenkommission bestätigte später die Ergebnisse und gab an, dass sich das Phänomen nicht wissenschaftlich erklären lasse. Als Blutgruppe wurde damals AB festgestellt – welche sehr selten vorkommt. Lediglich etwa 4 Prozent der Bevölkerung weisen sie auf.
Blutwunder von Bolsena
Im mittelitalienischen Bolsena ereignete sich einige Jahrhunderte später eine ähnliche Geschichte. Hier war es ein böhmischer Priester, der an der Transsubstantiation zweifelte. Auf einer Pilgerreise nach Rom im Jahr 1263 machte er Halt in Bolsena und feierte dort die Messe in der Kirche Santa Cristina. Beim Brechen des Brotes tropfte plötzlich Blut aus der Hostie. Papst Urban IV. erkannte das Ereignis als echtes Wunder an und nahm es als Anlass, ein Jahr später das Fronleichnamsfest für die gesamte Kirche einzuführen.
Bis heute wird im Dom von Orvieto das Korporale mit dem Blut aufbewahrt. Auch sollen rote Flecken auf dem Altarstein der Kirche Santa Cristina von dem Blutwunder zeugen. Mitte der 1990er-Jahre untersuchten Wissenschaftler Proben der Überreste und kamen zu dem Ergebnis, dass es sich im Fall Bolsena tatsächlich um menschliches Blut handle. Die Blutgruppe? AB.
Hostienwunder von Liegnitz
Man muss nicht immer weit in die Geschichte zurückgehen, um auf ein eucharistisches Wunder zu treffen. Erst im Dezember 2013 spielte sich im niederschlesischen Liegnitz Unerklärliches ab. Während der Kommunionspendung fiel dort eine konsekrierte Hostie zu Boden. Diese wurde in einen Kelch mit Wasser gegeben, damit sie sich auflösen und später liturgisch korrekt entsorgt werden konnte. Die Hostie löste sich jedoch auch nach Tagen nicht auf. Stattdessen bildeten sich rote Flecken auf ihrer Oberfläche.
Der damalige Liegnitzer Bischof, Stefan Cichy, ließ den Fall daraufhin untersuchen. Rechtsmediziner der Universitäten Warschau und Stettin stellten fest, dass es sich bei den blutähnlichen Flecken "höchstwahrscheinlich um Gewebe des Herzmuskels" handle. Zusätzlich seien Veränderungen an dem Muskelgewebe festgestellt worden, die für gewöhnlich in einem Todeskampf auftreten würden. Seit 2016 ist die Hostie als Reliquie in der Liegnitzer Pfarrkirche St. Jacek zur Verehrung ausgestellt.
Hostienwunder von Buenos Aires
20 Jahre zuvor, im August 1996, soll sich ein eucharistisches Wunder in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires ereignet haben. In der Kirche Santa Maria y Caballito Almagro fand eine Frau eine alte Hostie in einem Kerzenständer. Wie in Liegnitz gab der Priester auch sie in ein liturgisches Gefäß mit Wasser, damit sie sich auflösen konnte. Als er Tage später nachschaute, hatte sich die Hostie in eine blutähnliche Substanz verwandelt.
Das Ereignis wurde unter anderem dem damaligen Weihbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio – heute Papst Franziskus –, berichtet, der später Untersuchungen einleitete. US-Wissenschaftler gaben an, dass die Substanz aus menschlichem Fleisch und Blut bestünde. Wie im Fall Lanciano und später Liegnitz stellte es sich als Gewebe eines Herzmuskels heraus. Eine hohe Anzahl weißer Blutkörperchen wies laut den Forschern darauf hin, dass die untersuchte Probe einem lebenden Herzen entnommen worden sein muss. Die Analyse ergab wiederum die Blutgruppe AB.
Hostienwunder von Tixtla
Im Oktober 2006 ereignete sich im mexikanischen Tixtla eine weitere mysteriöses Begebenheit: Während der Kommunionausteilung floss aus einer der Hostien plötzlich eine rötliche Flüssigkeit. Der Ortsbischof, Alejo Zavala Castro, setzte eine Theologenkommission und ein Team von Wissenschaftlern ein, um den Fall zu untersuchen. Zwischen 2009 und 2012 wurden verschiedene Analysen durchgeführt.
Die Untersuchungen ergaben, dass es sich bei der Flüssigkeit um menschliches Blut handeln muss. Die Substanz habe noch im Jahr 2010, also vier Jahre nach dem Ereignis, die Eigenschaften von frischem Blut aufgewiesen. Der gesamte Vorfall, so die Forscher, lasse sich wissenschaftlich nicht erklären. Ein weiteres Mal wurde die Blutgruppe AB festgestellt, "genauso wie bei der Hostie von Lanciano und dem heiligen Grabtuch von Turin", wie es im Abschlussbericht heißt. Denn auch von dem berühmten Turiner Leinen waren Proben genommen worden, deren Analyse dieselbe seltene Blutgruppe zu Tage förderte.