Streit um Waffen für Kurden
Politik kritisiert Pazifismus-Forderung
Dem "Spiegel" sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Wir können nicht zusehen, wie bis an die Zähne bewaffnete Fanatiker Tausende unschuldige Menschen umbringen und deren Verteidiger keine wirksamen Mittel zum Schutz haben." Er sprach von "einem Völkermord vor unseren Augen". Auch in der Union mehren sich die Stimmen für Waffenlieferungen zur Verteidigung der verfolgten Jesiden und Christen. CDU-Vizechefin Julia Klöckner betonte: "Wer Waffenlieferungen grundsätzlich ausschließt, wird beim Kirchentag zwar mit viel Applaus bedacht, als Politiker kann man aber nicht nur auf den Applaus und den ruhigen Schlaf schielen."
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) sprach sich ebenfalls für deutsche Waffenlieferungen an die Kurden aus. Eine Terrormiliz wie den "Islamischen Staat" (IS) könne man "weder mit Gebetskreisen noch mit Spruchbändern stoppen", sagte Fischer der "Bild am Sonntag". Er kritisierte die frühere evangelische Landesbischöfin Margot Käßmann, die Deutschland zu einem "bedingungslosen Pazifismus" aufgefordert hatte. "Unser Strafrecht verpflichtet jeden Bürger, bei einer schweren Straftat dem Opfer beizustehen. Wer dies verweigert oder wegschaut, der macht sich strafbar. Das muss auch Margot Käßmann begreifen."
Umfrage: 74 Prozent der Deutschen gegen Waffenlieferungen
Ein Stoppen der IS-Miliz im Irak liegt nach Ansicht von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) "im Interesse Europas". Nach der Errichtung eines "Terrorstaats jenseits der bestehenden Grenzen" im Mittleren Osten würde der IS zweifellos versuchen, den Terror auch nach Europa zu tragen, sagte er der "Bild am Sonntag".
Die Deutschen sprechen sich mehrheitlich gegen die Militärhilfe aus: Laut mehreren Emnid-Umfragen lehnt eine Mehrheit der Deutschen Waffenlieferungen an die Kurden im Irak ab. 74 Prozent seien dagegen, 22 Prozent dafür, berichtete die "Bild am Sonntag".
Kirche organisiert Friedensgebete
Dagegen warnte der Konfliktforscher Otfried Nassauer vor einer militärischen Aufrüstung. In der Regel gingen Konflikte auch nach Waffenlieferungen weiter, so der Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit im Deutschlandradio Kultur.
In mehreren deutschen Städten folgten Kirchengemeinden einem Aufruf von Papst Franziskus und organisierten Gebetstreffen für verfolgte Minderheiten im Irak und in Syrien. Mehr als 500 deutsche und orientalische Christen beteten so am Sonntag in der Berliner Sankt-Hedwigs-Kathedrale. Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt kündigte wöchentliche Friedensgebete in der Stadt an und sagte: "Als Christen vertrauen wir immer der Kraft des Gebetes und nie der Macht der Waffen. Setzen wir ein Zeichen unserer Friedfertigkeit."
Der scheidend Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki schrieb in einem Grußwort an das Friedensgebet über die IS: "Glaube an Gott und der Hass passen nicht zusammen". Zugleich rief er die Bundesregierung auf, "ihr Eintreten für Menschenrechte, Religionsfreiheit und den Schutz von Minderheiten im Irak und in Syrien zu intensivieren".
Ebenso appellierte Woelki an "die ganze Christenheit", am Schicksal der orientalischen Christen noch mehr Anteil zu nehmen. "Zum Gebet muss auch konkrete Hilfe kommen", mahnte der Kardinal. Die Kirchen setzten sich für eine Aufnahme christlicher Iraker und Syrer in Deutschland ein. "Gleichermaßen möchten wir dazu beitragen, orientalischen Christen die Rückkehr in die angestammte Heimat und das Weiterleben dort zu ermöglichen und zu sichern", so Woelki.
Malteser: 200.000 Flüchtlinge im Irak
Unterdessen ist die Zahl der Binnenflüchtlinge im Irak nach Angaben von Hilfsorganisationen rasant gestiegen. In weniger als einer Woche seien mehr als 200.000 Menschen durch die IS-Kämpfer im Nordirak vertrieben worden, berichtete der Malteser Hilfsdienst in Köln unter Berufung auf Mitarbeiter in der Krisenregion.
Unter sengender Sonne mit Temperaturen von bis zu 45 Grad im Schatten hätten die lokalen Helfer große Probleme. Der Gesundheitsexperte des Teams, Joost Butenop, berichtete von Durchfallerkrankungen und Hautinfektionen. Es zeigten sich insbesondere Krankheitsbilder wie Hitzschlag und Austrocknung, bedingt durch die Hitze und die beschwerliche Flucht. (luk/KNA)