Streicheleinheiten und theologische Diskurse
Nicht jeder Bundespräsident machte dem Papst seine Aufwartung: Frank-Walter Steinmeier, der am Montag von Franziskus im Vatikan empfangen wurde, ist laut Auswärtigem Amt das neunte deutsche Staatsoberhaupt, das von einem Papst im Vatikan zu einem offiziellen Besuch empfangen wird. Drei der bislang zwölf Bundespräsidenten kamen nicht: Heinrich Lübke, Walter Scheel und Christian Wulff. Damit waren ausgerechnet die einzigen beiden Katholiken im höchsten Amt nicht beim Papst. Bei Wulff mag es auch darin gelegen haben, dass er nur gut anderthalb Jahre im Amt war. Bei Lübke, der immerhin zehn Jahre an der Spitze der Republik stand, war es offenbar auch mangelndes Interesse.
Händestreicheln mit Pius XII.
Besonders beeindruckt vom Vatikan-Besuch zeigte sich ausgerechnet der eher kirchenferne Theodor Heuss, der 1957 im Vatikan zu einem Gespräch mit Pius XII. zusammentraf: "Vom Menschlich-Biographischen her war ja der Besuch bei Pius XII. das Interessanteste und fast das Netteste", schrieb er später. Heuss hatte sich als Liberaler in der Weimarer Republik wegen seiner Schulpolitik den Zorn der Katholiken auf sich gezogen. "Offenbar erwartete er mich mit sehr freundlichen Vor-Urteilen, er streichelte meine Hand, ich streichelte seine Hand", so der FDP-Politiker weiter.
Mit weniger Streicheinheiten, aber offenbar dennoch herzlich wurde sechzehn Jahre später der Protestant Gustav Heinemann von Paul VI. begrüßt. Man habe ihn im Vatikan "wie einen Bruder" empfangen, sagte der langjährige Präsident des Evangelischen Kirchentages anschließend vor Journalisten. Allerdings klammerten beide die heiklen Themen in ihrem 55-minütigen Gespräch bewusst aus. Auf der politischen Agenda standen damals etwa die Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse in der DDR und die Reform des Strafrechtsparagrafen 218, der Abtreibungen in Deutschland verbietet. Als Geschenk brachte Heinemann unter anderem einen Scheck über 50.000 D-Mark mit. Nicht dem Papst, aber deutschen Priesteramtskandidaten erklärte er in Rom: "Die Kirchen sollen an der Spitze der Revolutionen stehen, und nicht mit den Gulaschkanonen im Train hinterherfahren."
Das wohl praktischste Geschenk brachte hingegen Bundespräsident Carl Carstens im Oktober 1982 Johannes Paul II. mit: eine Armbanduhr. Ebenfalls zum polnischen Papst führte im Jahr 1994 der letzte Staatsbesuch von Richard von Weizsäcker. Der Bundespräsident gab auch hier den großen Staatsmann und Diplomaten: Er habe mit dem Papst unter anderem über die "Lage der Gesellschaft in der Welt, über ihre ethischen Probleme gesprochen", teilte er nach dem halbstündigen Gespräch mit. "Papst und Präsident spielen einander die Bälle zu" titelte die FAZ damals. Zuvor war von Weizsäcker bereits 1988 und 1991 zu Privataudienzen ohne großes Zeremoniell beim Papst gewesen.
Roman Herzog war schließlich der erste Bundespräsident, der nicht mit Frack und Fliege zum Papst kam, wie es das traditionelle Protokoll vorsieht. Der für seine bodenständige Art bekannte Verfassungsrechtler begrüßte den Papst 1995 stattdessen im dunklen Anzug und Krawatte. Das kürzeste Gespräch mit einem Papst führte Johannes Rau 2004 mit Johannes Paul II.: Die Unterredung dauerte gerade mal 20 Minuten. Der Protestant Rau dankte dem Papst dabei für seinen Beitrag zur deutschen Einheit.
Köhler sorgt sich um die päpstliche Nachtruhe
Das Treffen zwischen dem deutschen Papst Benedikt XVI. und Bundespräsident Horst Köhler im Jahr 2009 dürfte ebenfalls seinen Platz in den Anekdotenbüchern sicher haben. Köhler fand damals schließlich die wohl ungewöhnlichsten Worte für eine Begrüßung des Papstes: "Eure Heiligkeit, ich hoffe, Sie haben gut geschlafen", waren seine ersten Worte zu Benedikt XVI. Möglicherweise dachte er dabei an den Skandal um die aufgehobene Exkommunikation des Holocaust-Leugners und Piusbruders Williamson, der damals erst einige Monate zurücklag.
Der intellektuelle Höhepunkt aller Bundespräsidenten-Besuche beim Papst dürfte hingegen die Begegnung des früheren evangelischen Pastors Joachim Gauck mit dem ehemaligen Theologie-Professor Benedikt XVI. im Dezember 2012 gewesen sein. "Der Name Wittenberg ist nicht gefallen, der Name des Philosophen Jürgen Habermas aber schon", verriet Gauck nach dem Gespräch. Allerdings beschäftigte manche Medien mehr die weniger intellektuelle Frage, warum Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt zuhause geblieben ist, mit der er in wilder Ehe lebt – und ob das eventuell dem vatikanischen Protokoll geschuldet sei.
Pünktlich zum ökumenischen Reformationsgedenken kamen am Montag mit Frank-Walter Steinmeier und seiner Gattin Elke Büdenbender schließlich erstmals ein evangelisch-katholisches Präsidentenpaar zum Papst. Und so wies Steinmeier Franziskus wohl auch aus persönlicher Erfahrung darauf hin, "dass das Potenzial für Ökumene bei weitem nicht ausgeschöpft" sei. Der Papst hingegen lobte in dem knapp einstündigen Gespräch Deutschland für etwas, was zuletzt sehr selten gelobt wurde: die Flüchtlingspolitik. Einen Platz in den Geschichtsbüchern ist dem Treffen in jedem Fall jetzt schon sicher sicher: Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Gauck und Köhler verzichtete er darauf, den Papst nach Deutschland einzuladen. Das habe er "diesmal nicht" gemacht, erklärte der Bundespräsident am Montag.