Der Schaden überwiegt
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Hat die Kirche das Volk Israel in seiner Berufung zum auserwählten Volk und als Bundespartner des Ewigen abgelöst? Wurde der Abrahamsbund gar gekündigt zugunsten des Neuen Testamentes? Bleibt Jüdinnen und Juden also auf Ihrem Weg zum Heil letztlich nur die Konversion zum Christentum? Das sind Fragen, die seit dem Konzilsdokument "Nostra aetate" und explizit seit markanten Äußerungen Papst Johannes Pauls II. unter anderem in Mainz 1981 eigentlich endgültig negativ beantwortet sein sollten. Die Ablehnung der alten Substitutionstheologie oder gar einer Judenmission sind seitdem wichtige Säulen des zunächst zaghaften und inzwischen etablierten katholisch-jüdischen Dialoges, nicht zuletzt in Deutschland. Freilich um den Preis eines Bruchs mit der jahrhundertealten "Tradition" christlicher Judenverachtung
Erste Zweifel an einer Endgültigkeit dieser wichtigen Weichenstellung hatten Papst Benedikts XVI. Reformulierung der Karfreitagsfürbitte für die Juden für den außerordentlichen Ritus und sein Umgang mit den Piusbrüdern geweckt. Im Juli hat er nun auf Aufforderung des zuständigen Kurienkardinals Kurt Koch in der theologischen Fachzeitschrift "Communio" nachgelegt und in einem theologisch differenzierten Beitrag festgestellt "die Formel vom 'nie gekündigten Bund' […] taug[e] aber nicht auf Dauer" und damit jüdische wie katholische Gesprächspartner irritiert.
Freilich handelt es sich formell nicht um eine Lehraussage, sondern um einen theologischen Diskussionsbeitrag, doch die Beharrlichkeit, mit der Kardinal Koch vor wenigen Tagen in einem Beitrag für die KNA die von katholischen und jüdischen Theologen geäußerte Kritik zurückwies, macht nachdenklich, was die katholische Lehre in dieser Frage angeht. Wie soll ein Dialog vertieft werden, wenn man dessen Grundlagen infrage stellt? Wie soll ein Dialog gelingen, in dem zwar die Untreue des Gegenübers, nicht aber die Untreue der Kirche selbst in 2000 Jahren Geschichte gegenüber ihrem eigenen Bund thematisiert wird? Und das sind nur die drängendsten Fragen, die der Text aufwirft.
Selbst der nicht für übertriebene Kirchenkritik bekannte Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück, Herausgeber der "Communio", musste feststellen, dass Ratzinger sich "ausschließlich mit der Schärfung innerchristlicher Sprachregelungen" befasst habe, er führe aber "nicht eigentlich ein Gespräch mit der jüdischen Theologie". Doch der hier vielleicht erreichte Nutzen wird vom Schaden jetzt schon überwogen. Nicht zuletzt in Zeiten eines wachsenden Antisemitismus wäre eine unbedingte Bekräftigung des gemeinsamen Weges in wechselseitiger Wahrnehmung und echter Anerkennung geboten gewesen. Es wird nun Aufgabe aller Beteiligten sein, dorthin zurückzufinden.