Der Prior der Ökumenischen Gemeinschaft von Taizé zur Weltbischofssynode

Frère Alois: Wünsche mir Veränderung für die Jugend

Veröffentlicht am 27.09.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Frère Alois wird an der Jugendsynode im Oktober in Rom teilnehmen. Was er sich von dem Bischofstreffen erwartet, erzählt er im Interview. Außerdem berichtet der Prior der Ökumenischen Gemeinschaft von Taizé über seine Treffen mit dem Papst.

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Frage: Frère Alois, Sie werden an der Jugendsynode in Rom als "spezieller Gast" teilnehmen. Was bedeutet das?

Frère Alois: Da die Communauté von Taizé keinen kanonischen Status hat, wurde ich zu dieser Synode als "spezieller Gast" eingeladen, der nicht mit abstimmt, weil das die Aufgabe der Bischöfe ist. Papst Franziskus hat erst vor Kurzem die Regeln für den Ablauf von Synoden geändert. In Zukunft werden dann vielleicht auch Ordensobere und Laien mit abstimmen, was sehr gut wäre.

Frage: Wie wird Ihre Aufgabe bei der Synode konkret aussehen?

Frère Alois: Wenn es so abläuft, wie bei den beiden Bischofssynoden, an denen ich 2008 und 2012 teilgenommen habe, dann werde ich, so wie die Bischöfe, vier Minuten vor dem Plenum sprechen und an den Gesprächen in den Arbeitsgruppen teilnehmen. Ich hoffe auf lebhafte Gespräche und eine gute Atmosphäre. Ich fühle mich dabei den jungen Menschen solidarisch und wünsche mir, dass sich für sie etwas verändert.

Frage: Welche Veränderungen erhoffen Sie sich denn?

Frère Alois: Ich wünsche mir, dass man in der Kirche mehr auf die jungen Menschen hört. Sie sollen spüren, dass die Kirche ein Ort der Freundschaft ist. Wir merken in Taizé deutlich, dass es unter den Jugendlichen eine große spirituelle Sehnsucht gibt. Viele sagen nach einer Woche, wie wichtig ihnen die Stille geworden ist. Das ist erstaunlich – besonders in einer Zeit, in der es so turbulent zugeht wie heute. Wir spüren auch, wie sehr Jugendliche nach einer Erfahrung von Gemeinschaft suchen. Wie können wir dem in der Kirche mehr entgegenkommen?

Frage: Jugendliche tun sich oft schwer mit der Institution Kirche. Nach Taizé strömen viele Jugendliche. Was machen Sie besser?

Frère Alois: Wir machen in Taizé nichts besser! Vielleicht ist es unser Leben als Brüder, das so anziehend wirkt. Wir kommen von verschiedenen Kontinenten und leben mit unserer Verschiedenheit versöhnt miteinander. Dieses interkulturelle Leben über die Grenzen hinweg fasziniert viele Jugendliche. Wir kommen dreimal am Tag zum Gebet zusammen und laden alle dazu ein. Wir versuchen, so etwas wie eine Kerngemeinde zu sein, um die herum man zusammenkommen kann. Und wir nehmen uns für die Jugendlichen Zeit. Manche sind in der Tradition der Kirche verwurzelt, andere überhaupt nicht. Viele wissen nicht, ob sie überhaupt glauben. Sie fragen uns oft, wie Glauben geht. Diese jungen Menschen suchen nach ihrem Platz in der großen Gemeinschaft der Kirche.

Bild: ©katholisch.de

Bruder Alois Löser bei einem Gebet mit Kindern in Basel 2017.

Frage: Was ist wichtig, um junge Menschen heute zu erreichen?

Frère Alois: Ich glaube, es geht um zwei Punkte: Wir Brüder geben jeden Tag eine Bibeleinführung, mischen uns aber in den Alltagsablauf der Jugendlichen sonst nicht ein. Die jungen Leute sind in den Gesprächsgruppen unter sich und organisieren die praktischen Arbeiten. So entstehen tiefe Beziehungen. Andererseits sind wir Brüder als Ansprechpartner immer da. Während die Jugendlichen nach dem Abendgebet bis spät in die Nacht weitersingen, bleiben einige von uns in der Kirche. Wer ein Gespräch sucht, weiß, wo er uns finden kann. Junge Menschen brauchen jemanden, der für ihre Sorgen und Freuden ein offenes Ohr hat. Wir haben keine fertigen Antworten, aber wir versuchen, aufmerksam zuzuhören. Das hilft oft weiter. Aber ich sage den Jugendlichen auch immer wieder, wie sehr sie ihrerseits uns Brüdern helfen, indem sie so zahlreich kommen. Wir sind keine geistlichen Meister und wir sind auch nicht "besser" im Glauben. Die Jugendlichen fordern uns durch ihr Kommen heraus, unserer Berufung treu zu bleiben.

Frage: Ist Taizé nicht eher eine Parallelgesellschaft oder sogar Konkurrenz für die kirchliche Jugendarbeit vor Ort?

Frère Alois: Das wäre schlimm, wenn das so wäre! Wir sind in Taizé kein Planet, der um sich selbst kreist. Hin und wieder erzählen Jugendliche, wie enttäuscht sie von ihrer Kirchengemeinde sind. Aber viele sind ganz einfach dankbar, dass sie einen Zugang zum Gebet gefunden haben und möchten das zu Hause fortsetzen. Dazu kommt, dass nicht Wenige in Taizé ihren Horizont erweitern und erfahren, wie bereichernd es ist, Grenzen zu überschreiten und auf andere zuzugehen, auf Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, auf Migranten ... Wir sagen den jungen Leuten immer: Taizé ist nur ein Durchgangsort! – Geht in eure Gemeinden, sucht vor Ort eine bestehende Gruppe! Ohne Gemeinschaft verkümmert der Glaube.   

Frage: Vertritt die Brüdergemeinschaft in Taizé liberalere Ansichten in der Sexualmoral als die offizielle Kirche?

Frère Alois: Das Wort "liberal" gefällt mir in diesem Zusammenhang nicht. Was soll das bedeuten? – Ich bin froh, dass man heute in der Kirche offener über Sexualität sprechen kann. Wir versuchen, jeden Einzelnen mit seinen Anliegen ernst zu nehmen, und wir verurteilen weder homosexuelle noch irgendwelche andere Neigungen. Wir nehmen die Jugendlichen vielmehr so an wie sie sind, und versuchen, mit ihnen gemeinsam zu überlegen, wie ihre Liebe reifen kann und was die nächsten Schritte dafür sind. Für mich ist ein Satz von Papst Franziskus entscheidend, der sagte: "Wer bin ich, jemanden zu verurteilen?" Das sind klare Worte!

Bild: ©KNA

Frere Alois Löser wuchs in Stuttgart auf, ist katholisch getauft und seit 2005 Prior der Ökumenischen Communauté von Taizé.

Frage: Sie sind öfters zu Gast beim Papst. Worüber sprechen Sie mit ihm?

Frère Alois: Zuletzt habe ich Papst Franziskus im März diesen Jahres besucht. Er ist über unser Leben in Taizé sehr gut informiert. Er schätzt Frère Roger ganz besonders, obwohl er ihm persönlich nie begegnet ist. Der Papst hat sich damals auch sehr gefreut, dass wir auf unserem "Pilgerweg des Vertrauens" ein Treffen in Hongkong vorbereiten, das Ende August stattgefunden hat. Ich habe ihm versichert, dass wir für ihn beten. Deshalb sage ich zu den Jugendlichen sehr oft: "Betet für den Papst – das brauchen keine Litaneien zu sein, ein Seufzer genügt."

Frage: Warum ein Seufzer? 

Frère Alois: Papst Franziskus will neue Wege gehen. Er hat keine fertigen Lösungen, sondern gibt eine Richtung vor und schaut dann, wie sich die Menschen darauf einlassen. Das ist eine völlig neue Art, die Autorität in der Kirche auszuüben. Papst Franziskus will große Veränderungen in die Wege leiten und nimmt auf diese Weise seine Verantwortung wahr. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diesen Weg nur gemeinsam gehen können – und dafür müssen wir beten!

Frage: Aber die Jugendsynode ist keine Gebetsveranstaltung…

Frère Alois: Warum nicht? Ich finde, dass man bei einer Synode nicht nur miteinander diskutieren sollte. Wir wollen auch miteinander beten ..., damit wir einander besser zuhören und das Anderssein des anderen annehmen ... Und das geht nur durch das Gebet.

Von Madeleine Spendier

Zur Jugendsynode

Die Bischofssynode, die vom 3. bis 28. Oktober im Vatikan stattfindet, steht unter dem Leitwort "Jugend, Glaube und Berufungsunterscheidung". Im Zentrum der dreiwöchigen Konferenz stehen schwerpunktmäßig Lebensentscheidungen junger Menschen sowie ihre Beziehung zu Glaube und Kirche. An der Synode nehmen vor allem Bischöfe der orientalischen Kirchen, Afrika, Amerika, Asien und Europa teil.