Streit über Abtreibungsparagrafen geht in neue Runde
Am Freitag verhandelt das Landgericht Gießen erneut über das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen. Die Ärztin Kristina Hänel war im vergangenen Herbst wegen eines Verstoßes gegen den entsprechenden Paragrafen 219a zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen hatte, auch Schwangerschaftsabbrüche anzubieten. Sie erklärte daraufhin, in Berufung zu gehen. Eine Entscheidung darüber wird bereits für Freitag erwartet, wie ein Sprecher des Gerichts ankündigte. Hänel hatte bereits mitgeteilt, notfalls bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.
"Ich halte Paragraf 219a nicht für verfassungskonform", so Hänel im Vorfeld der Berufungsverhandlung. Ihr gehe es darum, ein Informationsrecht für Frauen durchzusetzen, damit sie verantwortliche Entscheidungen treffen könnten, sagte die Fachärztin für Allgemeinmedizin. "Ich informiere sachlich, doch der Paragraf 219a stellt das unter Strafe mit dem Begriff Werbung." Dies wirke wie ein Maulkorb und führe zu einer Schieflage, da Abtreibungsgegner alles Mögliche behaupten dürften und dabei von der Meinungsfreiheit geschützt seien.
Justizministerium soll Änderungsvorschlag vorlegen
Unterdessen verständigte sich die Bundesregierung darauf, dass das Justizministerium einen Änderungsvorschlag für den Paragrafen vorlegen soll. Die SPD ist für die Streichung von 219a, die Union – ebenso wie die katholische Kirche – dagegen. Am Donnerstag sprachen sich die Bundestagsfraktionen der Linken und Grünen für eine Abschaffung des Paragrafen aus. Ulle Schauws (Grüne) erklärte, es werde "allerhöchste Zeit für eine politische Lösung". Die Grünen hätten deshalb für die kommende Woche eine Plenardebatte zu Paragraf 219a beantragt. Cornelia Möhring (Linke) bezeichnete den Paragrafen als "komplett überflüssig". Der Paragraf sei eine Einschränkung des Berufsrechts. Er führe jetzt schon dazu, dass immer weniger Ärzte aus Angst vor Kriminalisierung Schwangerschaftsabbrüche durchführten.
Linktipp: "Abtreibung ist keine normale medizinische Leistung"
Nach dem Rückzieher der SPD ist klar: Das Werbeverbot für Abtreibungen bleibt. Moraltheologe Andreas Lob-Hüdepohl freut sich darüber. Im Interview erklärt er, warum es das Werbeverbot braucht. (Interview von März 2018)Die Arbeiterwohlfahrt und der Paritätische Wohlfahrtsverband forderten in einem offenen Brief an die Bundesregierung gemeinsam mit mehr als 20 weiteren Verbänden ebenfalls die Streichung des Paragrafen. Die Politik müsse eine umfassende Informationsfreiheit über Schwangerschaftsabbrüche garantieren. Dazu gehörten das Recht auf Informationen über Schwangerschaftsabbrüche und darüber, welche Ärztinnen und Ärzte diese durchführen.
Kirche sieht kein Informationsdefizit
Paragraf 219a im Strafgesetzbuch untersagt in seiner derzeitigen Form "das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen" von Abtreibungen aus finanziellem Vorteil heraus oder wenn dies in "grob anstößiger Weise" geschieht. Dadurch soll verhindert werden, dass ein Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als normale ärztliche Leistung dargestellt und kommerzialisiert wird.
Ein allgemeines Informationsdefizit gibt es aus Sicht der katholischen Kirche nicht, denn der Paragraf verbiete als Werbung nur die öffentliche Information über Schwangerschaftsabbrüche durch denjenigen, der damit sein Einkommen oder einen Teil seines Einkommens erzielt. Informationen durch neutrale Organisationen, im persönlichen Gespräch mit dem Arzt und in der gesetzlich vorgeschriebenen Konfliktberatung seien dagegen nicht verboten. Wenn es hier Defizite gebe, müsse dieses Angebot verändert werden. Eine Änderung des Paragrafen 219a sei dafür nicht notwendig. (stz/KNA)